Istanbul/Brüssel/Berlin. Es ist eine Schicksalswahl für die Türkei. Das Referendum über die Verfassungsreform wirkt aber auch über die Landesgrenzen hinaus.

Selten fand ein nationales Referendum so viel internationale Beachtung wie die Abstimmung über eine Verfassungsreform in der Türkei am 16. April. Erhält Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Macht oder steckt er seine bitterste Niederlage ein? Hier ein Überblick über die wichtigsten Folgen von Ja und Nein.

Welche Konsequenzen hätte ein Ja für...

...Präsident Erdogan?

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Veranstaltung in Istanbul.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Veranstaltung in Istanbul. © dpa | Depo Photos

Erdogan würde so mächtig wie nie. Sobald die Verfassungsänderung mit der Veröffentlichung im Amtsanzeiger in Kraft tritt, fällt das Verbot für den Präsidenten, Mitglied einer Partei zu sein. Erdogan dürfte dann wieder AKP-Chef werden.

Ansonsten wird die Reform schrittweise umgesetzt. Ihren Abschluss findet sie erst mit Parlaments- und Präsidentenwahlen, die für November 2019 geplant sind, aber vorgezogen werden können. Seine volle Machtfülle als Staats- und Regierungschef erhielte Erdogan erst nach einem Sieg bei dieser Wahl.

...die Opposition?

Für sie würde sich mit einem Ja beim Referendum eine lange Serie von Niederlagen fortsetzen. Durch den Zugewinn an Macht für den Präsidenten würde der Spielraum der ohnehin zahnlosen Opposition im Parlament noch weiter eingeschränkt.

Die außerparlamentarische Opposition ist schon jetzt demoralisiert, der Ausnahmezustand verhindert Proteste weitgehend. Erdogan-Gegner befürchten, dass ihre Verfolgung noch zunehmen könnte.

Warum wählen Sie das Präsidialsystem?

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    ...die türkische Wirtschaft?

    Ein Ja beim Referendum würde zumindest kurzfristig politische Stabilität bedeuten. Für die Wirtschaft ist das immer gut. Ob die Türkei auch langfristig stabiler würde, ist aber offen.

    Erdogan hat zudem ein mögliches Ende des EU-Beitrittsprozesses nach einem Sieg beim Referendum ins Spiel gebracht. Zwar würde das nicht die aus ökonomischer Sicht wichtigere Zollunion mit der EU beenden. Für westliche Investoren wäre aber auch die politische Abkehr der Türkei von Europa keine vertrauensbildende Maßnahme.

    Türken stimmen für Präsidialsystem

    Am Sonntag stand die Türkei vor einer wegweisenden Entscheidung: für oder gegen ein Präsidialsystem, das Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Macht verleiht. Das Volk entschied zugunsten des Staatschefs.
    Am Sonntag stand die Türkei vor einer wegweisenden Entscheidung: für oder gegen ein Präsidialsystem, das Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Macht verleiht. Das Volk entschied zugunsten des Staatschefs. © dpa | Dha - Depo Photos
    Seit Sonntagmorgen waren die Wahllokale geöffnet. Etwa 55,3 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Im Ausland waren zusätzlich 2,9 Millionen Türken zur Wahl zugelassen.
    Seit Sonntagmorgen waren die Wahllokale geöffnet. Etwa 55,3 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Im Ausland waren zusätzlich 2,9 Millionen Türken zur Wahl zugelassen. © dpa | Michael Kappeler
    „Evet“ (Ja) oder „Hayir“ (Nein) – Darüber haben die Türken per Wahlzettel abgestimmt.
    „Evet“ (Ja) oder „Hayir“ (Nein) – Darüber haben die Türken per Wahlzettel abgestimmt. © dpa | Michael Kappeler
    Ein Wähler gibt in einem Wahllokal in Diyarbakir seinen Fingerabdruck. Die Millionenstadt wird überwiegend von Kurden bewohnt.
    Ein Wähler gibt in einem Wahllokal in Diyarbakir seinen Fingerabdruck. Die Millionenstadt wird überwiegend von Kurden bewohnt. © dpa | Emre Tazegul
    Auch Präsident Erdogan hat in einem Wahllokal in seiner Heimatstadt Istanbul seine Stimme abgegeben.
    Auch Präsident Erdogan hat in einem Wahllokal in seiner Heimatstadt Istanbul seine Stimme abgegeben. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Gemeinsam mit seiner Frau Emine und im Beisein seiner Enkelin Mahinur nahm der türkische Präsident an der Abstimmung teil.
    Gemeinsam mit seiner Frau Emine und im Beisein seiner Enkelin Mahinur nahm der türkische Präsident an der Abstimmung teil. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Nach der Stimmabgabe wurde Präsident Erdogan von seinen Anhängern freudig in Empfang genommen.
    Nach der Stimmabgabe wurde Präsident Erdogan von seinen Anhängern freudig in Empfang genommen. © dpa
    Das Präsidialsystem, für dessen Einführung bei dem Verfassungs-Referendum eine knappe Mehrheit votierte, wird Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. Die Opposition warnte zuvor vor einer Ein-Mann-Herrschaft.
    Das Präsidialsystem, für dessen Einführung bei dem Verfassungs-Referendum eine knappe Mehrheit votierte, wird Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. Die Opposition warnte zuvor vor einer Ein-Mann-Herrschaft. © dpa | Michael Kappeler
    In Istanbul, Ankara und Izmir – den drei größten Städten des Landes – überwogen die „Nein“-Stimmen. Die türkische Opposition kritisierte Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung und kündigte Einspruch an.
    In Istanbul, Ankara und Izmir – den drei größten Städten des Landes – überwogen die „Nein“-Stimmen. Die türkische Opposition kritisierte Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung und kündigte Einspruch an. © dpa | Michael Kappeler
    Staatschef Erdogan ließ sich von seinen Anhängern feiern. Das Volk habe eine „historische Entscheidung“ getroffen und der Verfassungsänderung zugestimmt, sagte Erdogan am Sonntagabend in Istanbul.
    Staatschef Erdogan ließ sich von seinen Anhängern feiern. Das Volk habe eine „historische Entscheidung“ getroffen und der Verfassungsänderung zugestimmt, sagte Erdogan am Sonntagabend in Istanbul. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Unterstützer des „Ja“-Lagers zeigten ihre Freude über das Wahlergebnis mit einem Autokorso in Istanbul.
    Unterstützer des „Ja“-Lagers zeigten ihre Freude über das Wahlergebnis mit einem Autokorso in Istanbul. © dpa | Emrah Gurel
    Erdogan sagte vor begeisterten Anhängern in Istanbul, seine „erste Aufgabe“ werde sein, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung zu setzen.
    Erdogan sagte vor begeisterten Anhängern in Istanbul, seine „erste Aufgabe“ werde sein, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung zu setzen. © dpa | Emrah Gurel
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    ...die Sicherheit im Land?

    Die AKP-Regierung verspricht, dem Terrorismus würde ein Ende gesetzt, weil unter dem Präsidialsystem schneller und effektiver Entscheidungen getroffen werden können. Ob das aber wirklich zu einer Abnahme der Gewalt im Land führt, ist ungewiss.

    Die Opposition verweist darauf, dass es der AKP auch nach bald 15 Jahren an der Macht nicht gelungen ist, den Terrorismus auszumerzen – im Gegenteil: Seit Mitte 2015 eskaliert die Gewalt im Land.

    ...die Nato?

    Für die Verteidigungsallianz ist es enorm wichtig, dass die Türkei ein verlässlicher Bündnispartner bleibt – vor allem, weil über das Land an der Schnittstelle zwischen Europa, Asien und Nahost zahlreiche Anti-Terror-Einsätze laufen.

    Wenn ein Ja beim Referendum zu mehr politischer Stabilität führt, kann das der Nato nur nutzen – zumindest dann, wenn es nicht zu einer dauerhaften Abkehr von rechtsstaatlichen Prinzipien kommt. Letzteres könnte am Image der Nato kratzen.

    ...die Europäische Union?

    Die im Ausland lebenden Türken konnten bereits über das Referendum abstimmen.
    Die im Ausland lebenden Türken konnten bereits über das Referendum abstimmen. © dpa | Lino Mirgeler

    Für die EU birgt ein Sieg von Erdogan zumindest Risiken. Sollte sich die Türkei nach der Verfassungsänderung weiter von europäischen Standards und Normen entfernen, könnte sie sich gezwungen sehen, die EU-Betrittverhandlungen einseitig abzubrechen. Dies wiederum könnte die Türkei zum Anlass nehmen, die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise einzuschränken.

    ...für die deutsch-türkischen Beziehungen?

    Zumindest ist der Wahlkampf mit Nazi-Vergleichen vorerst vorbei. Die Beziehungen beider Länder würden sich aber trotzdem nicht verbessern. Von den deutschen Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind Erdogans Verfassungspläne weit entfernt. Das würde das Verhältnis dauerhaft eintrüben und die Zusammenarbeit weiter erschweren.

    Welche Konsequenzen hätte ein Nein für...

    ...Präsident Erdogan?

    Für ihn wäre ein Nein die schmerzlichste Niederlage seiner politischen Laufbahn. Allerdings bliebe er weiterhin Präsident, seine Amtszeit läuft bis 2019. Erdogans Kritiker befürchten, dass er eine Niederlage nicht kampflos hinnehmen würde. Spekuliert wird, dass er den Ausnahmezustand verlängern und Neuwahlen ausrufen könnte.

    Sollten die Oppositionsparteien MHP und HDP an der Zehnprozenthürde scheitern, wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament für die AKP denkbar. Mit einer solchen Mehrheit könnte die Regierungspartei die Verfassungsreform auch ohne Volksabstimmung durchsetzen.

    ...die Opposition?

    Auf einer Straße in Ankara bilden Aufkleber das türkische Wort
    Auf einer Straße in Ankara bilden Aufkleber das türkische Wort "Hayir" (Nein). © dpa | Altan Gocher

    Die Dynamik, die eine Niederlage Erdogans entfalten würde, sind nicht absehbar. Sie wäre aber sicherlich gewaltig. Für die Opposition wäre ein Nein ein Befreiungsschlag, selbst wenn sich an den Machtverhältnissen dadurch zunächst nichts ändern würde.

    Das Image des unbesiegbaren Ausnahme-Politikers würde aber schweren Schaden nehmen. Womöglich würden sich dann auch derzeit noch stumme Kritiker in der AKP trauen, ihre Stimme gegen Erdogan zu erheben.

    ...die türkische Wirtschaft?

    Bei einem Nein zum Präsidialsystem droht Instabilität – Gift für die Wirtschaft. Mögliche Neuwahlen würden die Unsicherheit noch einmal verlängern, es wären die fünften landesweiten Wahlen seit dem Frühjahr 2014. Welchen Kurs die Türkei danach nehmen würde, ist ungewiss – und aus Investoren-Sicht daher kaum kalkulierbar.

    ...die Sicherheit im Land?

    Unmittelbar nach einem Nein beim Referendum wird befürchtet, dass sich die Wut seiner Anhänger auf der Straße entladen könnte. Unter Europäern in Metropolen wie Istanbul geht nach Erdogans Wahlkampf-Vorwürfen gegen Deutschland und andere EU-Staaten die Sorge um, dass sie im Fall seiner Niederlage zum Sündenbock gemacht werden könnten.

    Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) könnten das nach einem Nein zu erwartende Chaos im Land und die Schwäche in der politischen Führung dazu nutzen, ihre Anschläge zu verstärken.

    ...die Nato?

    Sollte ein Scheitern des Referendums zu anhaltender politischer Instabilität führen, wäre das aus militärischer Sicht schlecht. Die Türkei verfügt über die zweitgrößte Nato-Armee nach den USA. Zudem gilt sie als äußert wichtiger Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

    ...die Europäische Union

    Teilnehmer einer Kundgebung gegen das Referendum vor dem Brandenburger Tor.
    Teilnehmer einer Kundgebung gegen das Referendum vor dem Brandenburger Tor. © dpa | Gregor Fischer

    So sehr sich viele Pro-Europäer eine Niederlage Erdogans wünschen: Dass ein „Nein“ der Türken sich positiv auf die zuletzt äußerst angespannten EU-Türkei-Beziehungen auswirkt, ist keineswegs sicher. In Brüssel dürfte ein Nein allerdings diejenigen bestätigen, die aus Rücksicht auf pro-europäische Oppositionskräfte in der Türkei an den Beitrittsverhandlungen mit dem Land festhalten wollen.

    ...die deutsch-türkischen Beziehungen?

    Die Bundesregierung würde erst einmal aufatmen. Wie es dann in den Beziehungen weitergeht, hängt von der Reaktion Erdogans ab. Deutschland hat großes Interesse an einer schrittweisen Normalisierung. So richtig daran glauben mag in der Regierung im Moment aber kaum jemand. Dafür ist im Wahlkampf zu viel Porzellan zerschlagen worden. (dpa)

    Die Karriere von Recep Tayyip Erdogan

    Recep Tayyip Erdogan wurde am 26. Juni 2018 zum zweiten Mal in Folge zum Staatspräsidenten der Türkei gewählt. Zwei Wochen später hat er seinen Amtseid abgelegt und ist auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen. Bilder seiner Karriere.
    Recep Tayyip Erdogan wurde am 26. Juni 2018 zum zweiten Mal in Folge zum Staatspräsidenten der Türkei gewählt. Zwei Wochen später hat er seinen Amtseid abgelegt und ist auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen. Bilder seiner Karriere. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Der Mann, der die Geschicke der Türkei bereits seit fast 16 Jahren bestimmt, ist nun nicht mehr nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Seine Vereidigung besiegelte den Umbau des Staates vom parlamentarischen in ein Präsidialsystem. Darauf hatte er jahrelang hingearbeitet. Er kann unter anderem per Dekret regieren, viele Posten im Justizsystem besetzen und seine Vizepräsidenten allein bestimmten. Auch sein Kabinett konnte er ohne Zustimmung des Parlaments ernennen.
    Der Mann, der die Geschicke der Türkei bereits seit fast 16 Jahren bestimmt, ist nun nicht mehr nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Seine Vereidigung besiegelte den Umbau des Staates vom parlamentarischen in ein Präsidialsystem. Darauf hatte er jahrelang hingearbeitet. Er kann unter anderem per Dekret regieren, viele Posten im Justizsystem besetzen und seine Vizepräsidenten allein bestimmten. Auch sein Kabinett konnte er ohne Zustimmung des Parlaments ernennen. © dpa | Uncredited
    Erdogan und seine Ehefrau Emine beim Gebet während der pompösen Zeremonie im Präsidentenpalast nach der Vereidigung am 9. Juli 2018.
    Erdogan und seine Ehefrau Emine beim Gebet während der pompösen Zeremonie im Präsidentenpalast nach der Vereidigung am 9. Juli 2018. © REUTERS | UMIT BEKTAS
    Im Oktober 2004 ehrte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD, r.) einen besonderen Gast: „Ihr Eintreten für mehr Freiheit, einen besseren Schutz der Menschenrechte und weniger staatliche Bevormundung ist für Sie, Herr Ministerpräsident, aber kein Zugeständnis an Europa, sondern es ist Konsequenz Ihrer politischen Überzeugung.“ Die Laudatio galt dem türkischen Regierungschef, der in Berlin zum „Europäer des Jahres“ in der Kategorie „Brücken des Respekts“ gekürt wurde.
    Im Oktober 2004 ehrte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD, r.) einen besonderen Gast: „Ihr Eintreten für mehr Freiheit, einen besseren Schutz der Menschenrechte und weniger staatliche Bevormundung ist für Sie, Herr Ministerpräsident, aber kein Zugeständnis an Europa, sondern es ist Konsequenz Ihrer politischen Überzeugung.“ Die Laudatio galt dem türkischen Regierungschef, der in Berlin zum „Europäer des Jahres“ in der Kategorie „Brücken des Respekts“ gekürt wurde. © picture alliance / Eventpress | dpa Picture-Alliance / Eventpress Herrmann
    Warme Worte, die wohl niemand in der EU mehr mit dem heutigen türkischen Staatspräsidenten verbinden würde. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l.) kein Lächeln mehr für Erdogan übrig zu haben. Erdogan griff am 13. März 2017 bei einer Veranstaltung in Ankara erneut Bundeskanzlerin Angela Merkel an, die sich im Streit um Auftrittsverbote hinter die Regierung in Den Haag gestellt hatte.
    Warme Worte, die wohl niemand in der EU mehr mit dem heutigen türkischen Staatspräsidenten verbinden würde. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l.) kein Lächeln mehr für Erdogan übrig zu haben. Erdogan griff am 13. März 2017 bei einer Veranstaltung in Ankara erneut Bundeskanzlerin Angela Merkel an, die sich im Streit um Auftrittsverbote hinter die Regierung in Den Haag gestellt hatte. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Nicht nur die Schröder-Laudatio zeigt, was für einen Wandel Erdogan in seiner Karriere durchlaufen hat. Seit Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk hat kein Politiker die Türkei stärker geprägt als der heute 64-Jährige – der bislang aus allen Krisen gestärkt hervorging. In die Wiege gelegt wurde Erdogan der Erfolg nicht. Seine Familie stammt von der Schwarzmeerküste. Erdogan wuchs in einfachen Verhältnissen im Istanbuler Arbeiterviertel Kasimpasa auf.
    Nicht nur die Schröder-Laudatio zeigt, was für einen Wandel Erdogan in seiner Karriere durchlaufen hat. Seit Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk hat kein Politiker die Türkei stärker geprägt als der heute 64-Jährige – der bislang aus allen Krisen gestärkt hervorging. In die Wiege gelegt wurde Erdogan der Erfolg nicht. Seine Familie stammt von der Schwarzmeerküste. Erdogan wuchs in einfachen Verhältnissen im Istanbuler Arbeiterviertel Kasimpasa auf. © REUTERS | REUTERS / UMIT BEKTAS
    Der Film „Reis“ („Anführer“) zeichnet das frühe Leben Erdogans – verkörpert von dem türkischen Schauspieler Reha Beyoglu – nach. Zwar soll das Präsidialamt keinen Einfluss auf den sentimental-kitschigen Streifen genommen haben. Das Image Erdogans, das der Film transportiert, ist aber eines, das auch seine Anhänger pflegen: das eines ebenso gerechten wie gläubigen Menschen, der sich aufopfert, um Benachteiligten zu helfen.
    Der Film „Reis“ („Anführer“) zeichnet das frühe Leben Erdogans – verkörpert von dem türkischen Schauspieler Reha Beyoglu – nach. Zwar soll das Präsidialamt keinen Einfluss auf den sentimental-kitschigen Streifen genommen haben. Das Image Erdogans, das der Film transportiert, ist aber eines, das auch seine Anhänger pflegen: das eines ebenso gerechten wie gläubigen Menschen, der sich aufopfert, um Benachteiligten zu helfen. © REUTERS | REUTERS / MURAD SEZER
    Erst in Kasimpasa, dann von 1994 an als Oberbürgermeister in ganz Istanbul. Diese Aufnahme zeigt Erdogan (Mitte) am 22. April 1998 gemeinsam mit Melih Gokcek (l.) – Bürgermeister von Ankara – und dem türkischen AKP-Politiker Ismail Kahraman in Istanbul.
    Erst in Kasimpasa, dann von 1994 an als Oberbürgermeister in ganz Istanbul. Diese Aufnahme zeigt Erdogan (Mitte) am 22. April 1998 gemeinsam mit Melih Gokcek (l.) – Bürgermeister von Ankara – und dem türkischen AKP-Politiker Ismail Kahraman in Istanbul. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
    Der Film endet 1999 mit Erdogans Verhaftung wegen einer flammenden Rede, in der er ein Gedicht mit dem Vers „Die Minarette sind unsere Bajonette“ zitierte. Nach vier Monaten wurde Erdogan wieder aus der Haft entlassen.
    Der Film endet 1999 mit Erdogans Verhaftung wegen einer flammenden Rede, in der er ein Gedicht mit dem Vers „Die Minarette sind unsere Bajonette“ zitierte. Nach vier Monaten wurde Erdogan wieder aus der Haft entlassen. © REUTERS | REUTERS / Stringer Turkey
    2002 führte der vierfache Familienvater die von ihm mitbegründete islamisch-konservative AKP an die Macht.
    2002 führte der vierfache Familienvater die von ihm mitbegründete islamisch-konservative AKP an die Macht. © REUTERS | REUTERS / Fatih Saribas
    Shaking Hands: Erdogan trifft im Dezember 2002 den damaligen US-Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus.
    Shaking Hands: Erdogan trifft im Dezember 2002 den damaligen US-Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus. © REUTERS | REUTERS / Kevin Lamarque
    Nur wenige Minuten vermochte sich der Regierungschef im Sattel zu halten, als er bei der Eröffnung eines Stadtparks im Istanbuler Bezirk Bayrampasa am 30. Juli 2003 einen kleinen Ausritt wagte. Das zuvor bereits bockige Pferd warf ihn kurzerhand ab. Erdogan kam ungeschoren davon. Sein Programm habe er nach dem Sturz normal fortgesetzt.
    Nur wenige Minuten vermochte sich der Regierungschef im Sattel zu halten, als er bei der Eröffnung eines Stadtparks im Istanbuler Bezirk Bayrampasa am 30. Juli 2003 einen kleinen Ausritt wagte. Das zuvor bereits bockige Pferd warf ihn kurzerhand ab. Erdogan kam ungeschoren davon. Sein Programm habe er nach dem Sturz normal fortgesetzt. © picture-alliance / dpa/dpaweb | dpa Picture-Alliance / epa
    Im Jahr 2003 übernahm Erdogan das Amt des Ministerpräsidenten. Die Aufnahme zeigt Erdogans Teilnahme an der Zeremonie zum 67. Todestag von Mustafa Kemal Atatürk in Ankara.
    Im Jahr 2003 übernahm Erdogan das Amt des Ministerpräsidenten. Die Aufnahme zeigt Erdogans Teilnahme an der Zeremonie zum 67. Todestag von Mustafa Kemal Atatürk in Ankara. © REUTERS | Umit Bektas
    Rote Nelken gab es im Mai 2014 in Köln während einer Veranstaltung zum zehnjährigen Jubiläum der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten.
    Rote Nelken gab es im Mai 2014 in Köln während einer Veranstaltung zum zehnjährigen Jubiläum der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten. © Getty Images | Sascha Schuermann
    2014 wurde Erdogan der erste direkt vom Volk gewählte Staatspräsident der Republik. Am 28. August 2014 wurde er vereidigt. Die Aufnahme zeigt den vierfachen Familienvater mit seiner Ehefrau Emine (3.v.l.), Schwiegersohn Berat Albayrak (l.), Tochter Esra Erdogan Albayrak (2.v.l.), Sohn Necmeddin Bilal (2.v.r.) und Tochter Sümeyye.
    2014 wurde Erdogan der erste direkt vom Volk gewählte Staatspräsident der Republik. Am 28. August 2014 wurde er vereidigt. Die Aufnahme zeigt den vierfachen Familienvater mit seiner Ehefrau Emine (3.v.l.), Schwiegersohn Berat Albayrak (l.), Tochter Esra Erdogan Albayrak (2.v.l.), Sohn Necmeddin Bilal (2.v.r.) und Tochter Sümeyye. © REUTERS | REUTERS / UMIT BEKTAS
    Seit dem Putschversuch vom Juli 2016 treibt Erdogan sein Ziel eines Präsidialsystems für die Türkei mit Riesenschritten voran. Diese Aufnahme zeigt Soldaten vor dem Denkmal der Republik am Taksim-Platz in Istanbul. Der Aufstand mit etwa 300 Toten scheitert. Ankara macht Anhänger des Predigers Fethullah Gülen verantwortlich.
    Seit dem Putschversuch vom Juli 2016 treibt Erdogan sein Ziel eines Präsidialsystems für die Türkei mit Riesenschritten voran. Diese Aufnahme zeigt Soldaten vor dem Denkmal der Republik am Taksim-Platz in Istanbul. Der Aufstand mit etwa 300 Toten scheitert. Ankara macht Anhänger des Predigers Fethullah Gülen verantwortlich. © REUTERS | REUTERS / MURAD SEZER
    Tausende Beamten, Polizisten und Richter werden entlassen und verhaftet. Erdogan spricht von „Säuberungen“.
    Tausende Beamten, Polizisten und Richter werden entlassen und verhaftet. Erdogan spricht von „Säuberungen“. © REUTERS | REUTERS / UMIT BEKTAS
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gab am 16. April in einem Wahllokal in Istanbul seine Stimme zum Referendum ab. Das Volk entschied zugunsten des Staatschefs. Das Präsidialsystem, für dessen Einführung bei dem Verfassungs-Referendum eine knappe Mehrheit votierte, wird Erdogan deutlich mehr Macht verleihen.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gab am 16. April in einem Wahllokal in Istanbul seine Stimme zum Referendum ab. Das Volk entschied zugunsten des Staatschefs. Das Präsidialsystem, für dessen Einführung bei dem Verfassungs-Referendum eine knappe Mehrheit votierte, wird Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Erdogan hat weitere unbestreitbare Erfolge vorzuweisen. Unter seiner Ägide hat die Türkei eine gigantische wirtschaftliche Entwicklung durchlaufen. Erdogan war es auch, der die Türkei Richtung Europa führte. Als er Ministerpräsident war, wurde 2004 die Todesstrafe abgeschafft.
    Erdogan hat weitere unbestreitbare Erfolge vorzuweisen. Unter seiner Ägide hat die Türkei eine gigantische wirtschaftliche Entwicklung durchlaufen. Erdogan war es auch, der die Türkei Richtung Europa führte. Als er Ministerpräsident war, wurde 2004 die Todesstrafe abgeschafft. © REUTERS | REUTERS / OSMAN ORSAL
    2005 nahm die Türkei Beitrittsverhandlungen mit der EU auf. Während weite Teile des Nahen Ostens im Chaos versanken, schien Erdogan zu beweisen, dass Islam und Demokratie kein Widerspruch in sich sein müssen. Erdogan war es auch, der einen Friedensprozess mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in die Wege leitete.
    2005 nahm die Türkei Beitrittsverhandlungen mit der EU auf. Während weite Teile des Nahen Ostens im Chaos versanken, schien Erdogan zu beweisen, dass Islam und Demokratie kein Widerspruch in sich sein müssen. Erdogan war es auch, der einen Friedensprozess mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in die Wege leitete. © REUTERS | REUTERS / YAGIZ KARAHAN
    Der Friedensprozess mit der PKK ist gescheitert, seit Mitte 2015 eskaliert die Gewalt. Als die AKP im Juni 2015 erstmals die absolute Mehrheit bei der Parlamentswahl verlor, veranlasste Erdogan eine Neuwahl, um den Makel auszubügeln. Nach der Niederschlagung des Putsches verhängte der Präsident den Ausnahmezustand und ließ Zehntausende Menschen inhaftieren, darunter auch regierungskritische Journalisten. Rund 100.000 Staatsbedienstete wurden entlassen.
    Der Friedensprozess mit der PKK ist gescheitert, seit Mitte 2015 eskaliert die Gewalt. Als die AKP im Juni 2015 erstmals die absolute Mehrheit bei der Parlamentswahl verlor, veranlasste Erdogan eine Neuwahl, um den Makel auszubügeln. Nach der Niederschlagung des Putsches verhängte der Präsident den Ausnahmezustand und ließ Zehntausende Menschen inhaftieren, darunter auch regierungskritische Journalisten. Rund 100.000 Staatsbedienstete wurden entlassen. © dpa | Kayhan Ozer
    Je stärker die EU-Kritik an dem im Westen als zunehmend autoritär empfundenen Führungsstil Erdogans wuchs, desto mehr wendete sich dieser von Europa ab. Erdogan nannte die EU erst kürzlich eine „Kreuzritter-Allianz“.
    Je stärker die EU-Kritik an dem im Westen als zunehmend autoritär empfundenen Führungsstil Erdogans wuchs, desto mehr wendete sich dieser von Europa ab. Erdogan nannte die EU erst kürzlich eine „Kreuzritter-Allianz“. © REUTERS | REUTERS / MURAD SEZER
    Bei seinem Amtsantritt als Präsident 2014 hatte Erdogan eine „neue Türkei“ versprochen und an die Adresse seiner Gegner versöhnliche Signale ausgesandt.
    Bei seinem Amtsantritt als Präsident 2014 hatte Erdogan eine „neue Türkei“ versprochen und an die Adresse seiner Gegner versöhnliche Signale ausgesandt. © REUTERS | Murad Sezer
    „Lasst uns die alten Auseinandersetzungen in der alten Türkei zurücklassen“, sagte er damals. Stattdessen sind die Gräben in der Bevölkerung tiefer denn je.
    „Lasst uns die alten Auseinandersetzungen in der alten Türkei zurücklassen“, sagte er damals. Stattdessen sind die Gräben in der Bevölkerung tiefer denn je. © REUTERS | HANDOUT
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