Moskau. Außenminister Sigmar Gabriel ist von Wladimir Putin freundlich empfangen worden. Mit seinem Kollegen Lawrow geriet er aber aneinander.

Für Außenminister Sigmar Gabriel ist ein Empfang bei Russlands Präsident Wladimir Putin schon so etwas wie Routine. Auch als Wirtschaftsminister war er bei früheren Moskau-Besuchen Gast im Kreml. „Wir sind uns des gegenwärtigen Zustands unserer Beziehungen bewusst“, sagt Putin zu Beginn der Begegnung. Beide Länder hätten das Ziel, das Verhältnis zu normalisieren – „trotz aller Vielschichtigkeiten, auf die wir treffen“. Er lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel und den künftigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ein.

Wegen des russischen Vorgehens gegen die Ukraine ist das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau seit 2014 gespannt. Es sei eine gemeinsame Aufgabe, sich für Frieden und Stabilität in Europa einzusetzen, sagt Gabriel. Das sei nicht einfach, aber die Anstrengung sei notwendig.

Nur der Anfang lief harmonisch

Gabriel will alles richtig machen. „Lieber Sergej“, sagt er zuvor bei dem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow, „heute bist du auf den Tag 13 Jahre im Amt. Ich komme nicht mal auf 13 Wochen. Das zeigt, wie überlegen du bist.“ Die Charme-Offensive sitzt. Lawrow lächelt, was er nicht häufig tut. Später fügt der deutsche Außenminister hinzu: „Russland war und ist ein wichtiger und großer Nachbar.“ Die Pressekonferenz am Donnerstag im Gästehaus des russischen Außenministeriums in Moskau scheint harmonisch zu beginnen.

Danach tasten die beiden Minister die großen Konflikte in der Ukraine und in Syrien ab. Sie plädieren für einen Waffenstillstand im Donbass, fordern den Abzug schwerer Waffen und eine Verstärkung der OSZE-Beobachtermission. Doch dann läuft der routinemäßige Austausch von Meinungen erst ganz leicht, dann immer deutlicher aus dem Ruder.

Gabriel - Lösung von Ukraine-Krise Voraussetzung für Abrüstung

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    Sigmar Gabriel warnt vor „Aufrüstungsspirale“

    Gabriel erwähnt die „Bedrohungsängste“ in den baltischen Staaten angesichts der Stationierung von drei weiteren Divisionen an der russischen Westgrenze. Er warnt vor einer „Aufrüstungsspirale“. Lawrow zieht die Mundwinkel nach unten und starrt auf den Boden. „An unserer Grenze erscheinen Bodentruppen der Nato, auch aus der Bundesrepublik Deutschland“, blafft er zurück. Die Allianz hatte im Juli 2016 beschlossen, 4000 Soldaten auf rotierender Basis ins Baltikum und nach Polen zu verlegen.

    Als ein russischer Journalist nach den Berichten über eine Hacker-Zentrale der CIA in Deutschland fragt, ist die Stimmung erneut gereizt. Die Bundesregierung habe keine Erkenntnisse darüber, betont Gabriel. „Aber wir nehmen alle Hinweise ernst, die Meinungsbildung in Deutschland zu beeinflussen – egal, woher sie kommen.“

    Pressekonferenz drohte zu entgleiten

    Russlands Außenminister Sergej Lawrow war auf der Pressekonferenz mit Sigmar Gabriel auf Krawall gebürstet.
    Russlands Außenminister Sergej Lawrow war auf der Pressekonferenz mit Sigmar Gabriel auf Krawall gebürstet. © dpa | Kay Nietfeld

    Lawrow muss dies als versteckten Vorwurf auffassen. Schließlich hat der Verfassungsschutz mehrmals vor Versuchen Moskaus gewarnt, den Bundestagswahlkampf zu beeinflussen. Lawrow kontert sofort. 5000 Leute arbeiteten für die Hacker-Abteilung der CIA, behauptet er. Für Cyberangriffe Russlands gebe es dagegen keine Beweise.

    Gabriel spürt, dass die Pressekonferenz zu entgleiten droht. „Fortschritte in politischen Gesprächen gibt es nur, wenn ich versuche, den anderen und dessen Interessenlage zu verstehen“, appelliert er. „Interessenausgleich“ lautet sein Zauberwort.

    Lawrow zählt Sündenregister des Westens auf

    Vergeblich. Lawrow ist längst auf einem anderen Pfad: „Unsere westlichen Partner haben Anfang der 2000er-Jahre nicht gemerkt, dass Russland nicht mehr blindlings ihrer Linie folgt.“ Er stichelt weiter: „Die Welt wird postwestlich und multipolar.“ Dann listet er das Sündenregister des Westens aus seiner Sicht auf.

    Osterweiterung der Nato, das 2008 gegebene Versprechen, dass eines Tages auch Georgien und die Ukraine dem Bündnis beitreten könnten, der „organisierte Staatsstreich“ in der Ukraine 2014. Gabriel sitzt mit versteinerter Miene daneben, hat das Kinn in einer Handfläche vergraben.

    Russland will wieder auf Augenhöhe mit Amerika sein

    Der deutsche Außenminister widerspricht. Die Welt sei nicht „post-westlich“. Der Westen verkörpere vielmehr universelle Werte wie Demokratie und Menschenrechte, die etwa auch von den Demonstranten des „Arabischen Frühlings“ eingefordert worden seien. Lawrow wettert daraufhin gegen den „historischen Westen“ – USA, Europa, Kanada, Australien –, der früher einmal „die erste Geige“ in der internationalen Politik gespielt habe. Zwei Welten prallen aufeinander. Schlagabtausch in Moskau.

    Gabriel - Keine Alternative zu Gesprächen mit der Türkei

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      Am liebsten würde Gabriel den Russen eine Modernisierungspartnerschaft anbieten. Der hohe Ölpreis hält schließlich nicht ewig. Deutschland und Europa wären die idealen Partner. Aber der Außenminister spürt, dass sich das Putin-Reich in diesen Tagen auf einer anderen Umlaufbahn befindet: Russland will wieder Weltmacht sein – auf Augenhöhe mit Amerika. Wohin die neue US-Regierung driftet, ist allerdings auch den Russen nicht klar. Die überschäumende Euphorie, die nach dem Wahlsieg von Präsident Donald Trump in den heimischen Medien und im Parlament aufbrandete, wurde im Kreml nie richtig geteilt.

      Am Freitag ist Erdogan zu Gast in Moskau

      Es sind Zeiten, in denen sich die Welt neu ordnet. Vor dem Gabriel-Termin empfängt Putin den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Der dringt beim Kremlchef darauf, dass sich die vom Iran unterstützten Hisbollah-Milizen nicht an der Grenze zwischen Syrien und Israel festsetzen. Am Freitag macht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Aufwartung in Moskau.