Berlin. Aktuelle Umfragen sehen die Grünen bei sieben Prozent – so tief wie seit fast zehn Jahren nicht. Die Gründe liegen auch beim Personal.

  • Im Herbst 2010 führten Umfragewerte zur Frage „Können die Grünen Kanzler?“
  • Heute liegt die Partei nur knapp vor der FDP bei Werten um die sieben Prozent
  • Die personelle Misere ist dabei nur ein Erklärungsansatz

Die Zahlen sind ernüchternd für die Grünen. Auf gerade einmal sieben Prozent kommt die Partei in der aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag von „Stern“ und RTL. Das ist der schwächste Wert für die Grünen in einer Forsa-Umfrage seit 2008. Und in anderen Umfragen sieht es derzeit nicht besser aus.

„Können die Grünen Kanzler?“ titelten die Medien im Herbst 2010. Damals lag die Partei ebenfalls in einer Forsa-Umfrage bei 24 Prozent und erstmals seit ihrer Gründung in einer bundesweiten Erhebung gleichauf mit der SPD. Das extreme Stimmungshoch war sicher eine Momentaufnahme, gekennzeichnet durch die Proteste um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, die sich damals auf ihrem Höhepunkt befanden.

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    Gleichwohl bedeuten die aktuell sieben Prozent einen dramatischen Absturz, der die ganze Misere der Grünen offenlegt. Sind die Grünen ein Auslaufmodell? Und was sind die Gründe für den tiefen Sturz der Partei? Ein Überblick:

    • Die falschen Themen

    Die Umweltpolitik – Kernthema der Grünen – ist in den Hintergrund gerückt. Zudem ist die Energiewende, die nach dem Atomunfall von Fukushima 2011 noch ein Großthema war, in weiten Teilen der Bevölkerung ein negativ besetzter Begriff. Viele sehen es so: Windparks verschandeln die Landschaft, der Umstieg auf Öko-Energien verteuert den Strom. Da haben es die Grünen schwer, dagegenzuhalten.

    Auch mit dem Thema Bürgerrechte/Datenschutz – ebenfalls ein Feld, auf dem sich die Grünen lange profilierten – lässt sich aktuell nur schwer punkten. In Zeiten konkreter terroristischer Bedrohung, zumal nach dem Anschlag von Berlin im Dezember, tun sich die Grünen schwer zu erklären, was etwa gegen eine Verschärfung der Abschiebepraxis oder gegen den Ausbau der Videoüberwachung spricht.

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      Stattdessen ist die Flüchtlingsproblematik in den Vordergrund gerückt. Die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung besorgt viele Bürger, doch die grüne Oppositionspartei nimmt diese Sorgen nicht auf. Stattdessen fordern sie eine weitere Verstärkung der Willkommenskultur in Deutschland. Das stößt in weiten Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis.

      • Die personelle Misere

      Agiert glücklos: Grünen-Bundeschefin Simone Peter.
      Agiert glücklos: Grünen-Bundeschefin Simone Peter. © dpa | Bernd von Jutrczenka

      Den Grünen im Bund fehlt eine Führungsfigur, wie sie der charismatische Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg verkörpert. Die Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir waren zuletzt mehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beharken als gemeinsam den politischen Gegner anzugreifen. Peter leistete sich zudem einen dicken Patzer, als sie den Einsatz der Kölner Polizei in der Silvesternacht 2016/17 als unverhältnismäßig kritisierte. Später musste sie zurückrudern.

      Die zum Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September gekürten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sind altbekannte Gesichter der Grünen, die nicht eben für Frische und Aufbruch stehen. Der über die Parteigrenzen hinaus beliebte schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck dagegen, der mit seiner Kandidatur die Führungsriege aufmischen wollte, scheiterte in der Urwahl. Eine vertane Chance.

      • Gegen den Trend

      Während die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz den „Genossen Trend“ wieder in ihren Reihen zu haben scheint und in den Umfragen deutlich zulegen konnte, haben die Grünen im Moment keine Geschichte zu erzählen, die beim Wähler ankommt. Im Gegenteil, die Partei muss aufpassen, nicht weitere Wähler an die Sozialdemokraten zu verlieren.

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        Gleichzeitig könnte sich die grüne Doppelstrategie im Hinblick auf mögliche Koalitionen nach der Bundestagswahl rächen. Göring-Eckardt und Özdemir gelten als aufgeschlossen für ein Bündnis mit der Union als zusätzliche Machtoption.

        An der Basis sieht es in weiten Teilen ganz anders aus, hier gilt Rot-Grün oder auch Rot-Rot-Grün klar als die bessere Alternative. Für viele ist eine Koalition mit der CDU – womöglich noch mit der FDP als drittem Partner – ein No-Go. Schon die vorsichtigen Sondierungsgespräche mit der Union nach der Wahl 2013 hatten so manchen Stammwähler verschreckt.