Berlin. Nach Aufdeckung des VW-Skandals kommunizierte ein Staatssekretär an offiziellen Kanälen vorbei – auch mit Vertretern der Autobranche.

Ist es ein Skandal, wenn der Staatssekretär eines Ministeriums Dutzende von E-Mails mit wichtigen Dokumenten über sein privates Postfach bekommen hat? Oder hat der Spitzenbeamte nur einen unkomplizierten Weg gewählt, um auch außerhalb der üblichen Bürozeiten arbeiten zu können?

Diese Fragen wird Michael Odenwald am kommenden Montag beantworten müssen. Dann ist der Staatssekretär von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags geladen, der den Abgasskandal aufarbeiten will.

Zehn Monate über privates E-Mail-Konto kommuniziert

Odenwald soll erklären, warum er nach Aufdeckung des Skandals im September 2015 mindestens zehn Monate lang

– unter anderem mit Vertretern der Autobranche. Gleiches wird von einem weiteren Spitzenbeamten des Ministeriums, Guido Zielke, vermutet, dessen Aufgabe unter anderem die Aufsicht über das Kraftfahrtbundesamt ist. Auch er muss am Montag aussagen. Minister Dobrindt selbst ist am Donnerstag an der Reihe.

Dass der Staatssekretär viele E-Mails zum Skandal privat verschickte und empfing, hatten die Abgeordneten nur durch einen Zufall entdeckt: Ein wichtiger Brief des Cheflobbyisten des Autokonzerns Daimler war an Odenwalds private Adresse gegangen. Den Abgeordneten kam das komisch vor, sie wurden misstrauisch und forderten alle E-Mails an, die über dieses E-Mail-Konto verschickt wurden. Der Staatssekretär musste sich über die Weihnachtsfeiertage an seinen Computer setzen und die Nachrichten zusammenstellen.

Die privat verschickten E-Mails füllen zwei Aktenordner

Auf Papier ausgedruckt füllt die elektronische Post nun zwei Aktenordner, insgesamt sind es etwa 600 Seiten. Sie liegen dieser Redaktion vor. Darunter finden sich Briefe von VW-Chef Matthias Müller oder von einem Opel-Lobbyisten. Es gibt ein wütendes Schreiben der Anwälte von Fiat und sehr viele Presseanfragen, die offenbar regelmäßig an den Staatssekretär weitergeleitet wurden.

Meistens schickten sich Odenwald und andere Beamte die Dokumente, die später in den offiziellen Akten landeten, nur mit knappen Kommentaren („bleihaltig“) hin und her. Einige wenige E-Mails stammen auch von Dobrindt. Mindestens einmal, das geht aus Unterlagen des Untersuchungsausschusses hervor, nutze der Minister selbst eine private E-Mail-Adresse.

Ministerium verweigert detaillierte Stellungnahme

Insgesamt gingen sehr viel mehr E-Mails über das private Postfach als zunächst vermutet. „Regierungskreise“ hatten zwischenzeitlich nur eine Handvoll Nachrichten bestätigt. Offiziell verweigert das Verkehrsministerium bis jetzt eine detaillierte Stellungnahme. Auf konkrete Fragen dieser Redaktion zu den E-Mails gibt es keine Antwort.

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    Dobrindt lässt nur mitteilen: „Für die Kommunikation mit der Leitungsebene des Hauses, mit ihren Büros und mit Mitarbeitern nutzen Minister Dobrindt und Staatssekretär Odenwald verschiedene Kommunikationsmittel und -wege.“ Dobrindt räumt damit indirekt das Offensichtliche ein: Er und Odenwald kommunizierten auch über private E-Mails – und zwar nicht nur untereinander, sondern auch nach außen.

    Grünen-Politiker bemängelt fehlende Transparenz

    Die Kommunikation werde „entsprechend der dienstlichen Vorgaben geführt, zum Beispiel hinsichtlich geheimschutzrechtlicher Beschränkungen“, teilt das Ministerium noch mit. Wie diese Vorgaben genau aussehen, darüber gibt es aus Dobrindts Haus aber auch auf Nachfrage keine Auskunft. In der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien“ jedenfalls existieren keine Regeln für die Nutzung privater E-Mail-Konten zu dienstlichen Zwecken.

    Den Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer empört diese mangelnde Transparenz des Ministeriums. „Wir haben den Eindruck, dass die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss noch nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt hat“, formuliert Krischer seinen Verdacht. „Immer wieder finden wir in den Akten Lücken.“ Die fehlenden Informationen würden dann zum Teil erst nach mehrfacher Aufforderung übersandt. Aktive Aufklärung des Abgasskandals, meint er, sehe anders aus.

    Unsicherheit über Vollständigkeit der E-Mails

    Zumindest in einem Fall, das hat der Grüne bei der Lektüre festgestellt, sei nicht nur das mit der E-Mail verschickte Dokument, sondern auch die E-Mail selbst aufschlussreich gewesen: Der Motorenexperte Georg Wachtmeister, den Minister Dobrindt in die Untersuchungskommission zur Aufklärung des Abgasskandals berufen hatte, formulierte darin Zweifel an der Arbeitsweise der Kommission. „Das war ein starker Zweifel, der in die Akten gehört“, sagt Krischer.

    Auch der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der Linke-Politiker Herbert Behrens, meint: Die E-Mails des Staatssekretärs und der Verlauf der Kommunikation hätten in den Akten sein müssen.

    „Das Verkehrsministerium hat uns im November versichert, es habe alle Unterlagen zum Abgasskandal Verfügung gestellt“, sagt Behrens und verweist auf einen entsprechenden Brief vom 15. November 2016. Der Inhalt der E-Mails biete zwar „wenig Anlass zum Skandal“. Aber: „Skandalös ist, dass wir noch immer nicht wissen, ob wir wirklich alle E-Mails kennen, die die Spitze des Verkehrsministeriums zum Abgasskandal verschickt hat.“

    Kommunikation über sichere Handys ist mühsam

    Bleibt die Frage, warum Staatssekretär Odenwald überhaupt eine private E-Mail-Adresse nutzte. Offenbar liegt dies an den Handys, die das Ministerium zur Verfügung stellt. Die hohen Sicherheitsstandards machen die Kommunikation damit mühsam. Wenn man „aus technischen Gründen“ auch mal über die private E-Mail-Adresse auf Nachrichten zugreife, meint der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange, dann habe das „nichts mit Vertuschung“ zu tun, sondern einfach mit Praktikabilität.

    Auch die SPD-Politikerin Kirsten Lühmann ist überzeugt, es sei „nachvollziehbar und sogar richtig“, wenn ein Staatssekretär außerhalb der normalen Bürozeiten erreichbar sei. Lühmann: „Das ist über eine private E-Mail-Adresse einfacher.“