Die Union unterstützt den Sozialdemokraten, weil ihr für eigene Bewerber die politische Kraft fehlt.

So viel einhelliges Lob für einen Sozialdemokraten ist selten aus den Mündern von Parteichefs der Union zu hören. Der scheidende CDU-Vorsitzende Armin Laschet sowie CSU-Chef Markus Söder überschlugen sich am Mittwoch förmlich in ihrer Wertschätzung und ihren Respekt­bekundungen gegenüber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Die beiden Unionsmänner machten wortreich klar, wie rundum zufrieden sie doch mit der Arbeit des deutschen Staatsoberhaupts in den vergangenen fünf Jahren waren. Ja, so sehr sogar, dass sie die Wiederwahl Steinmeiers voll unterstützen. Er sei eben genau der Richtige in diesen unruhigen und unübersichtlichen Corona-Zeiten und genieße zudem im In- und Ausland größte Anerkennung. In der Bundesversammlung am 13. Februar wollen CDU und CSU daher für Steinmeier stimmen und dem derzeitigen ersten Mann im Staat eine zweite Amtszeit ermöglichen. Laschet und Söder versuchen den Eindruck zu erwecken, als habe es in dieser Frage zu keiner Zeit auch nur den leisesten Zweifel in den eigenen Reihen gegeben. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Die großen verbalen Gesten sind vor allem Kosmetik

Die großen verbalen Gesten und das Bekenntnis zur staatspolitischen Verantwortung, das die Unionsmänner an den Tag legen, sind vor allem Kosmetik. Es soll eine Niederlage überdeckt werden. Denn CDU und CSU haben es aufgrund ihres deutlich geschmälerten politischen Gewichts nach der verlorenen Bundestagswahl nicht vermocht, eine Mehrheit für eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten fürs höchste Staatsamt zu organisieren. Das Kalkül, gegen Steinmeier eine Persönlichkeit in Stellung zu bringen, die womöglich auch für Wahlleute der Grünen mehrheitsfähig gewesen wäre, ist nicht aufgegangen.

Die Grünen hatten sich tags zuvor nach einigem Zögern für Steinmeier ausgesprochen, auch wenn sie lieber eine Frau in diesem Amt gesehen hätten. Doch der Friede in der jungen Ampelkoalition mit SPD und FDP war der Partei deutlich wichtiger als die vage Aussicht, ausgerechnet mit der oppositionellen Union eine Gegenkandidatin zu unterstützen. Es hätte die Ampel schwer erschüttert. Für CDU und CSU war damit jegliche Aussicht auf Erfolg dahin.

Die wichtigen Entscheidungen im Land treffen jetzt andere

So bleibt Laschet, dem gescheiterten Kanzlerkandidaten der Union und baldigen Ex-CDU-Chef, nichts anderes übrig, als mit freundlichem Lächeln eine weitere Schlappe für die Union zu verkünden, auch wenn er sie opulent verpackt. Das Gleiche gilt für den bayerischen Ministerpräsidenten Söder.

Erstmals seit der Wahlniederlage im September bekommen CDU und CSU nun hautnah zu spüren, was Machtverlust nach 16 fetten Regierungsjahren im politischen Alltag konkret bedeutet: weniger Einfluss, weniger Mitsprache, weniger Relevanz. Die wichtigen Entscheidungen im Land treffen jetzt andere. Das zeigt sich auch in der Frage, wer Bundespräsident wird oder bleibt. Die Stimmen der Union sind nicht einmal mehr erforderlich, um Steinmeier zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen. Die Ampel hat eine eigene satte Mehrheit.

Es wird dieser Tage sehr deutlich: Die Union steckt in einem Tief, strategisch, aber auch inhaltlich. Es wird die anspruchsvolle Aufgabe des künftigen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz sein, seine abgestürzte Partei wieder nach oben zu ziehen. Ob ihm das gelingt, wird die große Frage sein nach seiner offiziellen Wahl auf dem Bundesparteitag. Merz wird dann auf jenem Posten ankommen, den er sich so zäh erkämpft hat. Von da an wird er zeigen müssen, dass er ähnlich entschieden für den Erfolg der CDU kämpft. Die Erwartungen sind hoch. Vorgänger und Vorgängerin sind daran gescheitert.