Das ganze Ausmaß der Tragödie ist noch nicht absehbar. Wenn Katastrophen zunehmen, müssen wir vom Reparatur- zum Vorsorgestaat werden.

Starkregen, Hochwasser, Überschwemmungen: Vieles kommt zusammen und potenziert sich. Das ganze Ausmaß der Tragödie in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist noch nicht absehbar.

Schon die vorläufige Zahl der Todesopfer ist bedrückend. Zudem haben viele Menschen Haus, Hab und Gut verloren. Die Schadensbilanz wird schockieren. Die Betroffenen brauchen Mitgefühl und Unterstützung in der Not und im nächsten Schritt unbürokratische Aufbauhilfe.

Die nächste Bundesregierung wird eine Grüne sein

Unwetter hat es stets gegeben, zumal Gewitter und Starkregen im Sommer. Aber die Frequenz nimmt zu. Die Ausmaße werden auch zusehends monströser. Unwetter wie zuletzt die Extremhitze in Nordamerika häufen sich derart, dass man nicht von Jahrhundertereignissen reden sollte. Denn das sind sie nicht mehr.

Wer immer noch keinen Zusammenhang mit dem Klimawandel sieht, ist mit Blindheit geschlagen. Die nächste Bundesregierung wird eine grüne sein. Die Frage ist nur, ob die gleichnamige Partei auch zur Lösungskoalition gehören wird.

Deutschland ist ein reicher Staat. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass man in beiden Bundesländern im Laufe der nächsten Jahre aus dem Gröbsten rauskommen kann. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass solche Kraftakte nicht zu oft notwendig werden sollten. Wenn es stimmt, dass Naturkatastrophen sich häufen werden, müssen wir vom Reparatur- zum Vorsorgestaat umschalten.

Der Staat hat eine Lenkungsfunktion

Das Problem des Klimawandels ist dringlich, das System träge und wirtschaftsfixiert. Auf internationaler Ebene ist es schwer, auch nur die EU-Staaten auf eine Co2-Vermeidungspolitik zu trimmen, geschweige denn die Welt. In Deutschland müsste man die Grünflächen erhöhen und die Versiegelung stoppen, was zu Zielkonflikten führt, weil die Menschen mehr Wohnfläche beanspruchen. Die Umstellung auf Elektroautos, der Ausbau des Bahnnetzes, all das zieht sich hin. Und nicht selten mit Vorsatz.

Wir müssen begreifen, das Klimastabilität genauso wichtig wird wie soziale Sicherheit und Gerechtigkeit. Bis diese Stabilität hergestellt ist, wird man parallel zum Kampf gegen die Erderwärmung jedes Dorf und jede Stadt besser auf Hitze, Hochwasser oder eben Starkregenschäden vorbereiten müssen. Angefangen in den Privathaushalten bei den Rückstausicherungen, die oftmals fehlen, aber verhindern, dass Abwasser ins Haus drückt. Wir müssen lernen, mit den Extremsituationen umzugehen. Die Menschen brauchen dafür eine Handlungsanweisung und womöglich auch ein ausgeklügelteres Frühwarnsystem.

Nicht alles muss der Staat machen, aber er hat eine Lenkungsfunktion: Er kann fordern und fördern. Wir reden von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Wenn die Erfahrungen in der Pandemie nicht so ernüchternd gewesen wären, dann würde man jetzt glatt nach einer Ministerpräsidentenkonferenz rufen.

Die Flut könnte Einfluss auf den Ausgang der Wahl haben

Da es bis zur Bundestagswahl nur zwei Monate sind, könnte die Flut Einfluss auf den Ausgang haben. Wer sich dem Verdacht aussetzt, aus dem Leid Kapital zu schlagen, wird für seine Pietätlosigkeit bestraft. Mit einem gewissen Abstand wird man die großen Fragen stellen müssen. Die nach den Ursachen.

Dass die Deutschen „solidarisch zusammenstehen müssen“, wie Armin Laschet sagt, ist richtig, aber floskelhaft. Irgendwann endet die Trauerarbeit und beginnt die Zeit des Handelns. Angela Merkel brachte es auf den Punkt: Die Häufung der Naturkatastrophen mache einfach Sorge und fordere uns zum Handeln auf. Nicht mehr die Kanzlerin, sondern ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger. Der Wahlkampf hat jetzt ein Thema, das nicht von Kampagnenmachern auf die Tagesordnung gesetzt wurde, sondern von der Realität des Klimawandels.