Berlin. Am 8. Mai, 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, lohnt es sich, über das Verhältnis zu den Ex-Siegermächten nachzudenken.

Die Welt gedenkt der Toten des Zweiten Weltkriegs. Millionen Menschen verloren ihr Leben in einer Orgie der Gewalt, die von Deutschland ausging. Der 8. Mai, das offizielle Kriegsende, jährt sich jetzt zum 75. Mal, und es stellt sich mit zunehmendem Abstand zum Kriegsende die Frage: Wie erinnert man heute, im Jahr 2020, angemessen an diesen besonderen Tag?

„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung“, sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner historischen Rede vor dem Bundestag am 8. Mai 1985. So mutig hatte es noch nie ein deutscher Präsident formuliert, und sein Satz gilt heute noch. Wie auch die andere Wahrheit, die von Weizsäcker aussprach: „Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern.“

Weizsäcker wusste, wovon er sprach. Der Bundespräsident kämpfte selbst als junger Offizier und war beim Überfall auf Polen mit dabei. Schon am zweiten Kriegstag musste er seinen Bruder eigenhändig begraben. Heinrich von Weizsäcker starb wenige Meter entfernt bei einem polnischen Gegenangriff.

Nie war das Erinnern an die Schrecken des Krieges nötiger

Auch Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit, verlor seinen älteren Bruder im Krieg. Der Pfälzer begriff Deutschland- und Europapolitik bis zu seinem Tod als Lehre aus der Katastrophe. Der große Kurt Schumacher, sozialdemokratischer Gründervater der Bundesrepublik, baute als armamputierter Kriegsversehrter die SPD auf. Keiner dieser Politiker musste die Geschichte im Blick behalten. Sie war in ihre Biografien schmerzhaft eingebrannt und in ihrem Handeln allgegenwärtig.

Heute, im Jahr 2020, gibt es diese Politikergeneration nicht mehr. Auch die letzten Kriegsteilnehmer sterben, und wichtige Augenzeugen verstummen für immer. Damit wird es schwieriger, an die Schrecken des Krieges zu erinnern und im zermürbenden Kampf um ein einiges Europa diese Erinnerung zu bewahren.

Ich wurde im KZ auf einem Tisch geboren

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    Dabei ist es ist nötiger denn je. Erstmals seit Jahrzehnten erstarken Fliehkräfte, die Europa auseinandertreiben und schwächen wollen. Und im Jahr 2020 gibt gerade das Verhältnis der Deutschen zu den Befreiern von 1945 Anlass zur Sorge.

    Russlands großes Vertrauen – heute fast vergessen

    Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion.
    Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion. © HA | Ha

    Frankreich ist nicht mehr der Freund auf Augenhöhe und leidet gleichermaßen an deutscher Ignoranz und Arroganz. Großbritannien verlässt die Europäische Union und es entsteht ein Graben zu Deutschland, der vor Jahren noch undenkbar war.

    Russland, das noch 1990 mit großem Vertrauen die deutsche Einheit möglich machte, ist heute mehr Gegner als Partner Deutschlands. Wer das Verhältnis zu Russland trotz widriger Umstände verbessern will, hat in der Öffentlichkeit als „Putin-Versteher“ einen schweren Stand.

    Dabei gilt für Russland wie für den Vierten im Bunde, die Vereinigten Staaten: Es braucht eine Politik über den Tag und Amtsperioden hinaus. Diese Politik muss im historischen Kontext die Leistung und die Verantwortung von Nationen sehen. Nicht nur die von Personen.

    USA, Großbritannien, Frankreich: Gräben, wo keine sein sollten

    Daher ist es kurzsichtig, wenn man aus Empörung über Donald Trump das deutsch-amerikanische Verhältnis schleifen lässt. Es ist falsch, die Briten nicht für voll zu nehmen, nur weil sie – durch historische Fehler dreier Premiers – die EU verlassen haben. Es ist katastrophal, die deutsch-französische Achse trockenlaufen zu lassen, nur weil Emmanuel Macrons Visionen für Europa manchem etwas zu teuer sind.

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    Deutschland war am 8. Mai 1945 schicksalhaft mit den Siegermächten verbunden. Der 8. Mai 2020 ist ein guter Anlass, darüber nachzudenken, wie man sich in schwierigen Zeiten gemeinsamer Werte besinnt – statt zuzulassen, dass die Gräben immer tiefer werden.

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