Berlin. Die harten Corona-Maßnahmen werden schrittweise wieder gelockert. Das könnte jedoch auch nach hinten losgehen, meint ein Gast bei Lanz.
Etwas weniger als vier Wochen gilt in Deutschland ein Kontaktverbot, vielerorts auch weitere Ausgangsbeschränkungen, um die Corona-Epidemie einzudämmen. Geschäfte, Schulen und Kitas bleiben geschlossen.
Nun haben sich Bund und Länder auf eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen geeinigt. Deutschland steht statistisch gesehen gut da und anscheinend haben die letzten Wochen gezeigt, dass viele Bürger verantwortungsbewusst mit der Situation umgehen. Doch die Lockerungen könnten zum falschen Zeitpunkt kommen, erklärt Mai Thi Nguyen-Kim bei Markus Lanz.
Markus Lanz – das waren die Gäste
- Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen und Linken-Politiker
- Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (CDU)
- Robin Alexander, stellvertretender „Welt“-Chefredakteur
- Mai Thi Nguyen-Kim, Wissenschaftsjournalistin
- Elmar Theveßen, Washington-Korrespondent des ZDF
Lanz zur Lockerung der Corona-Maßnahmen: Epidemie ist noch nicht überstanden
„Es ist ein absolutes Missverständnis, dass wir es jetzt schon geschafft hätten“, sagt die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow schlägt in dieselbe Kerbe: „Wir haben in Thüringen sehr geringe Infektionszahlen. So niedrig, dass ein Teil meiner Bürger denkt, es sei gar nicht so schlimm.“
Doch dieser Eindruck trübe. Schließlich könne sich die Ausbreitung des Virus rapide beschleunigen: „Es ist ja die tückische Eigenschaft des Virus, dass man wahrscheinlich bereits infektiös ist, bevor man es ahnt“, erklärt Nguyen-Kim. Zudem käme der wichtige Faktor der Reproduktionszahl in der Berechnung hinzu. Dieser Wert gibt an, wie viele Menschen ein mit dem Coronavirus Infizierter im Durchschnitt ansteckt.
Journalistin bei Lanz: Noch kann Epidemie eingedämmt werden
„Aktuell könnten wir es noch schaffen, die Epidemie einzudämmen“, meint Nguyen-Kim, „die Reproduktionszahl pendelt sich in Deutschland gerade bei etwa eins ein.“ Wichtig sei es aber, dass im Durchschnitt weniger als ein weiterer Mensch infiziert werde. Um diese sogenannte „Containment“-Phase zu erreichen, müsste der Alltag aber weiterhin eingeschränkt bleiben, findet die „Quarks“-Moderatorin.
Nguyen-Kim sieht die teilweise Öffnung von Schulen oder Geschäften, die nun geplant wird, höchstkritisch „Das Risiko, dass wir mehrere Schritte zurückfallen, ist groß. Wenn man die Schulen öffnet, werden die Fallzahlen wieder steigen und so weiter.“ Vielleicht hätte man besser noch etwas länger ausgeharrt, um das Infektionsrisiko weiter zu senken. Die Wissenschaftsjournalistin rechnet damit, dass keine Normalität einkehren wird, bis ein Impfstoff gefunden ist.
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Mai Thi Nguyen-Kim: Lockerungen kommen zu früh
Das sieht Bodo Ramelow ähnlich: „Lockerung ist das falsche Wort. Denn es weckt die Erwartung, dass die Situation wieder dahin zurückgeht, wo wir hergekommen sind.“ Der Linken-Politiker erklärt, dass der harte Lockdown der letzten Wochen einen Lerneffekt erzielen sollte, damit nun verantwortungsbewusst mit den wiedergewonnen Freiheiten umgegangen wird.
Das Ziel sei derzeit, eine Reproduktionszahl von eins oder darunter zu erreichen, meint Ramelow. Wenn die Bundesregierung allerdings alles daran setzt, diesen R-Wert zu erreichen und zu halten, warum gibt es dann jetzt schon Lockerungen, wundert sich Nguyen-Kim.
Robert Koch-Institut: Reproduktionszahl des Coronavirus auf 0,7 gesunken
Sie fürchtet, dass der stufenweise Abbau der Einschränkungen zu früh einsetzt: „Wir haben den Überblick verloren. Erstmal muss das Infektionsgeschehen wieder verfolgbar werden.“ Bewegen sich die Bürger nun also wieder sorgloser, weil die Lockerungen ihnen suggerieren, dass das Leben weitergeht, steht man ganz schnell wieder am Anfang der Epidemie. Bisher habe man sich durch das Vorgehen nur Zeit für das Gesundheitssystem erkauft, so die Journalistin.
Einen Lichtblick gibt es jedoch am Donnerstagabend: Das Robert Koch-Institut meldete eine Reproduktionszahl von 0,7. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob diese nach der Osterwoche und den anstehenden Änderungen der Corona-Maßnahmen so niedrig bleibt.
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