Berlin. SPD-Minister, Moderator, Journalistin: Bei Anne Will analysierte eine bunte Runde das TV-Duell. Ein CSU-Politiker feierte TV-Comeback.
Dieser Bundestagswahlkampf steht in dem Ruf, der langweiligste seit langem zu sein. Die Kanzlerin liegt in Umfragen klar vorne, ihr Widersacher Martin Schulz fand bisher nicht den richtigen Hebel, um Druck auszuüben. Kein Wunder also, dass das
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als letzte große Chance für den Sozialdemokraten galt. Hat er sie genutzt?
Anne Will ließ die Auftritte der beiden Kandidaten gleich im Anschluss an das TV-Duell analysieren. Wer war überzeugender? Und wie wird sich das TV-Duell auswirken? So lauteten die zentralen Fragen der Sendung, die sich auch auf die Zahlen einer Blitzumfrage der ARD stützte, wonach Merkel die Debatte überraschend deutlich für sich entschieden hat.
Der demütige Wahlkämpfer
Auch für Karl-Theodor zu Guttenberg war die Sache klar: „Meine Erwartungen an Merkel wurden erfüllt“, sagte der vor sechs Jahren geschasste Ex-Verteidigungsminister, der sich zuletzt für ein Comeback in Stellung gebracht hat. Merkel habe mit ihrer Erfahrung gepunktet, während Schulz an ihr abgeprallt sei. Allerdings habe der Sozialdemokrat auch keine leichte Aufgabe gehabt, auch weil er oft gegen Politik argumentieren musste, die seine Partei in der Regierung mitgetragen hat.
Abseits davon gab sich Guttenberg wie zuvor auffällig demütig. „Ich stehe nicht zur Wahl und da werden viele in diesem Land sagen: Gott sei Dank“, sagte das CSU-Mitglied. Er sei nur nach Deutschland gekommen, um Merkel zu unterstützen. „In zwei Wochen sehen Sie mich wieder in den USA.“
Der Entertainer
Thomas Gottschalk nahm konsequent die Sicht des normalen Zuschauers ein. „Ich bin noch unentschieden und bin nach dem Duell nicht schlauer“, kritisierte der TV-Moderator. Dass ihm keine Idee vermittelt wurde, machte Gottschalk mitunter daran fest, dass zu viel Harmonie zwischen Merkel und Schulz herrschte. Insbesondere Schulz habe zu passiv agiert. „Den Knochen, den Merkel seit Jahren verteidigt, kriegt er so nicht aus ihrem Mund.“
Ansonsten sorgte Gottschalk in der Sendung für das, was seiner Ansicht nach im TV-Duell fehlte: Pepp. „Vielleicht war ich so aufgeregt, dass ich im Fernsehen bin, dass ich nicht mehr aufgepasst habe“, erklärte er etwa an einer Stelle seine Vergesslichkeit. An anderer fragte er, wen man wählen müsse, wenn man für die Rente mit 70 sei – um schließlich resigniert festzustellen: „Eigentlich ist wurscht, wer es macht.“
Die Journalistin
Bei aller Sympathie für Gottschalks vermeintliche Sicht „des kleinen Mannes“ auf das TV-Duell: Einen kleinen Hammer hielt es ja doch bereit. „Wir werden eine völlig neue Türkei-Politik bekommen: Beide haben gesagt, sie seien dafür, die Beitrittsverhandlungen zu beenden“, merkte die Spiegel-Journalistin Christiane Hoffmann an. Dass Schulz Merkel in der Debatte auf diesen Weg zwang, deutete Hoffmann allerdings als schlechtes Zeichen für die SPD: „Das war für mich ein Zeichen der Verzweiflung, dass die SPD auf dieses populistische Thema draufgeht.“
Der SPD-Haudegen
„Es ist doch nicht alles Verzweiflung was wir machen“, antwortete darauf Franz Müntefering. Dem SPD-Haudegen kam die etwas undankbare Aufgabe zu, Schulz‘ passablen aber eben längst nicht bahnbrechenden Auftritt zu verteidigen. „Martin Schulz hat der SPD geholfen“, lobte der frühere Arbeitsminister artig.
Zugleich kritisierte er, dass das Thema soziale Gerechtigkeit in der Debatte zu kurz gekommen sei. Und prognostizierte mit Blick auf Horst Seehofer, dass für die Kanzlerin unruhige Zeiten aufziehen: „Frau Merkel wird die Dominanz in der Union nach der Wahl verlieren.“
Merkel und Schulz im Fernsehduell
Das Fazit
Politikern und Journalisten wird gerne vorgeworfen, politische Inhalte durch Oberflächlichkeiten zu verwässern. Dafür war nicht nur das TV-Duell, sondern auch die Ausgabe von „Anne Will“ ein Paradebeispiel: Um Ideen und Pläne ging es hier weniger, dafür standen Debattenstrategien und Fragen wie „wer nahm wem den Wind aus den Segeln?“ im Vordergrund.
Allerdings war die Runde zur Einordnung des Schauspiels gut geeignet. Mit verschiedenen Perspektiven erfüllte sie jedenfalls ihren Zweck. Am Ende machte sich allerdings auch hier das Gefühl breit, dass die Sache gegessen ist. Ist das wirklich so? Immerhin soll gut ein Drittel der Wähler unentschieden sein. Vielleicht erleben wir am Ende ja doch eine Überraschung.
Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek.