Frankfurt. Der neue “Tatort“ aus Frankfurt bietet eine wendungsreiche Erzählung mit vielen Seiten – aber fesselt er auch an den Bildschirm?

Dieser "Tatort" kommt eigentlich ein bis zwei Wochen zu spät. Er wäre das ideale Begleitprogramm zur Frankfurter Buchmesse gewesen. Denn er spielt in Frankfurt. Und handelt von Lesungen und in Verlagen.

Und wenn es auch sonst das Markenzeichen von Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) ist, alles mit der Kamera abzufotografieren, um sich über ihre Bilder in die Tat und die darin Verstrickten hineinzudenken und zu fühlen, muss sie diesmal immer wieder ein Buch aufschlagen. Und ihr Kollege Paul Brix (Wolfram Koch) ebenso. Anfangs mokiert sich Kollege Jonas (Isaac Dentler) noch, über ihre Lesestunden im Büro. Aber bald sitzt auch er mit dem Buch da. Und liest.

Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch).
Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). © © HR/Bettina Müller

"Tatort": Drama um Tod einer Jugendautorin

Die erst 19-jährige Luise Nathan (Jana McKinnon) hat ein Buch geschrieben, das gerade erst erschienen ist und das sie noch auf einer Lesung vorgestellt hat. In krasser Jugendsprache erzählt sie aus dem harten Leben eines benachteiligten Teenies und erhebt damit kämpferisch ihre Stimme gegen die Chancenungleichheit in der Gesellschaft. "Wenn ich es so schwer hätte wie Luna", sinniert die Autorin in einem Videofilm, "vielleicht würde ich dann auch am Abgrund stehen und mir die Frage stellen, ob ich springe."

Hat sie damit ihren eigenen Abgang moderiert, fragt sich Kommissarin Janneke. Jetzt jedenfalls liegt die Jungautorin tot unter einer Brücke. Doch Indizien lassen einen Selbstmord bald ausschließen. Aber wer hätte Interesse daran, ein so begabtes junges Talent zu töten?

Bestürzt ist die Mutter (Nicole Marischka), eine Stadträtin für Jugend und Soziales, die sich für genau solche benachteiligten Jugendliche engagiert, von denen das Buch ihrer Tochter handelt. Bestürzt ist auch der der Verleger (Clemens Schick). Das Buch sollte seinen defizitären Verlag retten. Aber eine Auswertung des Handys der Toten ergibt, dass sie sich noch kurz vor ihrem Tod mit dem Verleger gestritten hat. Der plante eine Fortsetzung, die Luise aber nicht schreiben wollte.

Dann gab es auch mal einen Drohbrief, dass man Luise entführen wolle. Und was hat Luises ehemalige Freundin Nelly (Lena Urzendowsky) damit zu tun, die in einer Jugendeinrichtung arbeitet, die Luises Mutter gerade eingeweiht hat? Die Antworten erhoffen sich die Kommissare aus dem Buch mit dem reißerischen Titel "Luna frisst oder stirbt". Denn da steht schwarz auf weiß, was Luise fühlte und dachte. Autofiktion nennt man das. Da müssen sich doch Fährten suchen. Lesen Sie auch: ARD-Reihe meldet sich zurück: Die neuen Rentnercops sind da

ARD-Krimi: Autorinnen schießen übers Ziel hinaus

Vielleicht war es doch ganz gut, dass die Folge nun erst nach der Buchmesse ausgestrahlt wird. Denn zu schwarzweiß ist hier die Küchenphilosophie. Klar lassen sich Autoren von ihrem eigenen Leben inspirieren. Aber es eins zu eins in den Alltag zu übersetzen, unterschätzt wohl doch sträflich die Fantasie von Autoren. Zumal die Protagonistin des Buchs ziemlich krasse Sachen erlebt, die wenig mit dem Alltag von auch noch so problematischen Jugendlichen zu tun hat.

Nein, da sind die Drehbuchautorinnen Johanna Thalmann und Katharina Bischof, die die Folge auch inszeniert hat, etwas weit übers Ziel geschossen. Und den Schauspielern hat man dabei auch nicht viel Spielraum gelassen. Weil die tatsächlich überwiegend über dem Buch brüten. Aber wohl nur Menschen beim Puzzeln zuschauen, ist noch langweiliger, als ihnen beim Lesen zuzuschauen. Darüber täuschen auch einige konstruierte Wendungen nicht hinweg. So papieren knistert der "Tatort" selten.

"Tatort: Luna frisst oder stirbt": ARD, 31.10., 20.15 Uhr