Berlin. Wenn Markus Söder der „Kanzlerkandidat der Herzen“ war, wie CSU-General Markus Blume bei der Rückzieher-Pressekonferenz am Dienstag behauptete – was war dann Armin Laschet?
Der inoffizielle Titel, der sofort an Lady Di als „Königin der Herzen“ denken ließ, irritierte nicht nur Markus Lanz. Aber seine zugespitzte Frage brachte Paul Ziemiak am Donnerstag immerhin dazu, doch noch ein wenig aus seiner Deckung zu kommen: „Er ist der Kanzler des großen Herzens“, erwiderte er schlagfertig.
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Laschet auf lange Sicht im Vorteil?
Beflügelt von seiner Herzensbotschaft, setzte Ziemiak dann gleich noch die ungekürzte Werbebotschaft für seinen Vorsitzenden ab: Trotz des aktuellen CDU-Umfragetiefs von 21 Prozent (-6) in einer Umfrage, glaube er, dass Armin Laschet der richtige Kanzlerkandidat für die Union sei. Oft unterschätzt, aber ein großer Teamplayer und seinen Themen treu, sei er „auf lange Sicht sehr glaubwürdig.“
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Ansonsten hielt sich der Generalsekretär der großen Unions-Schwester reichlich bedeckt. Versuchte gar „möglichst ahnungslos zu gucken“ (Lanz), als der Moderator genau wissen wollte, wie und wann letztlich die Entscheidung für den CDU-Vorsitzenden gefallen war.
Tagelang hatte das Auswahlverfallen der Kanzlerkandidaten Partei und Haupstadtmedien in Atem gehalten. Ziemiak behaupte bei „Markus Lanz“ indes, dass das Auswahlverfahren der Kanzlerkandidaten ein „ganz normaler Prozess“ gewesen sei, und „mehr als transparent“.
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Söders Kandidatur als Untergang der CDU
Auch sei „die Nacht der Entscheidung“ – am letzten Sonntag zur späten Stunde und in kleiner Berlin-Runde mit den beiden Kandidaten und Generalsekretären sowie mit Wolfgang Schäuble (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) – durch ein respektvolles Miteinander geprägt gewesen, bei dem in großer Ernsthaftigkeit unterschiedliche Positionen sehr deutlich ausgetauscht wurden.
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Bei soviel Harmoniehudelei hätte Eva Quadbeck fast aufgelacht, immerhin widersprach sie heftig. Obwohl sie nicht dabei gewesen sei, hätte sie als politische Korrespondentin des „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ aus zuverlässiger Quelle etwas ganz anderes gehört: „Die CDU hat am Sonntag die Folterinstrumente auf den Tisch gelegt“, berichtete sie unbeirrt. Vor allem ein Satz habe im Raum gestanden: „Dass es der Untergang der CDU wäre, wenn Markus Söder übernimmt.“
Damit stand die Heftigkeit der Auseinandersetzung, ihrer Ansicht nach, in einer Reihe mit dem Trennungsbeschluss von 1976 in Kreuth. Damals hatte CSU-Chef Franz-Josef Strauß die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufkündigen wollen. Auch der Streit um die Flüchtlings-„Obergrenze“ von 2018 zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel, kam Quadbeck in den Sinn.
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Merkels Abgang „ist eine kulturelle Zäsur“
Überhaupt hätte sich in der Kandidaten-Diskussion ein „drastisches Führungsversagen auf beiden Seiten“ offenbart, befand sie: ein Entscheidungsprozess ohne Spielregeln, Lösungsplan und Vorbereitung, dafür beendet mit größtmöglicher Brutalität. „Die Union ist blank“, konstatierte Quadbeck.
Parteienforscher Karl-Rudolf Korte stimmte ihr teilweise zu: „Nach 16 Jahren Regierungsführung ist jede Partei blank.“ Dazu käme diesmal die Besonderheit, dass eine „Titelverteidigerin“ fehlte. „Das ist eine kulturelle Zäsur“, so der Politologe.
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„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:
- Paul Ziemiak (CDU), Politiker
- Peter Ramsauer (CSU), Politiker
- Eva Quadbeck, Journalistin
- Prof. Karl-Rudolf Korte, Politologe
- Prof. Thorsten Lehr, Pharmazeut
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Bundes-Notbremse bremst „Lanz“ aus
Mit der Rückschau auf den Unionskrach fand „Markus Lanz“ mal wieder zu seinem ursprünglichen Format zurück: ein politischer Boulevard-Talk, der genüsslich kursierende Gerüchte aufgriff. Und durch palaverndes „Hineinhorchen“ zu ergründen versuchte, was an den Annahmen tatsächlich daran war.
Doch zuvor war bei „Lanz" natürlich die Corona-Pandemie Thema der Runde. Die Diskussion zum neuen Infektionsschutzgesetz, das am gleichen Tag endgültig beschlossen worden war, gestaltete sich holprig.
Auch die Frage – inwieweit die „Bundes-Notbremse“ richtig war oder doch zu spät kam – lieferte einen hohen Anteil an Meinungs- und Glaubenssätzen und wenig konkrete Erkenntnisse. War zu der Wirksamkeit der Lockdown-Verschärfung aber nicht ohnehin schon alles gesagt?
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Ramsauer erklärt seine Ablehnung des Infektionsschutzgesetzes
Einer der noch etwas zu sagen hatte, war CDU-Politiker Peter Ramsauer. Er hatte am Mittwoch im Bundestag gegen das neue Infektionsschutzgesetz gestimmt. Mit ihm hatten 21 weitere CDU/CSU-Abgeordnete eben nicht dem inoffiziellen Fraktionsdruck gebeugt, „Ja zum Leben“ zu sagen.
„So ein Unfug“, schimpfte Ramsauer bei „Lanz“ über die moralischen Vorhaltungen der „Drücker“ in den offiziellen Ämtern der Fraktion. Mit „Nein“ habe er aber nicht aus Trotzreaktion, sondern wegen begründeter Zweifel gestimmt: „Irgendwann ist die Pandemie vorbei. Aber die Tendenz, die föderale Bundesstaatlichkeit zugunsten einer zentralistischen Struktur zu verändern, wird bleiben.“
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Thorsten Lehr, der als Pharmazeut an der Universität des Saarlandes Vorhersagesysteme für die Ausbreitung von Epidemien entwickelt, war so froh wie die übrigen Gäste, dass das Gesetz jetzt endlich da war. „Als zusätzliches Instrument bringt eine Ausgangsbeschränkung 13 bis 20 Prozent an Kontaktreduzierungen“, bestätigte er zahlreiche Studien. Jetzt liege es an der Bevölkerung, die Maßnahmen entsprechend umzusetzen.
Die Einschätzungen von Intensivmedizinern, wie ernst die Lage in den Krankenhäusern tatsächlich sei, wäre je nach Perspektive unterschiedlich. „In Deutschland sind wir noch lange nicht am Rand der Kapazitäten“, schätzte Lehr ein. „Aber je jünger die Patienten sind, desto länger bleiben sie auf den Intensivstationen liegen.“
Die neu entdeckte, indische Doppelmutante beunruhige ihn hingegen noch nicht: „In Großbritannien liegt ihr Infektionsanteil bei einem Prozent, in Deutschland gibt es bisher nur acht nachgewiesene Fälle.“
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