Der Kölner „Tatort“ will die Not von Obdachlosen in den Fokus nehmen, verhebt sich dabei allerdings – und beutet sie sogar noch aus.

  • Am Sonntag läuft der neue "Tatort" aus Köln im Ersten
  • Der Sonntagskrimi beschäftigt sich mit der Not von Obdachlosen
  • Wir haben den Film schon vorab gesehen

Gleich zu Beginn ein schlimmer Akt von häuslicher Gewalt. Eine Frau wird zu Boden gerissen, geschlagen und durch die Wohnung geschleift. Doch die Frau schlägt zurück. Am Ende liegen beide halb tot in der verwüsteten Wohnung. Ella (Ricard Seifried) rappelt sich auf, packt eilig ein paar Sachen und haut ab. Ob ihr Mann noch lebt, ist ihr egal.

Sie mag sich aber auch niemandem anvertraut. Und versteckt sich lieber auf der Straße. Dort nimmt sie die ältere Monika (Rike Eckermann) unter ihre Fittiche, die immer ein Herz hat für Menschen, die noch nicht lange obdachlos sind. Doch dann wird Moni in ihrem Schlafsack verbrannt. Gleich hinterm Dom.

"Tatort" aus Köln: Fehlende Solidarität und Gewalt gegen Frauen

Es ist viel Leid und Elend, das uns der neue Kölner „Tatort“ da erzählt. Die Folge von Nina Wolfrum (Regie) und Jürgen Werner (Buch) lenkt den Blick auf jene Menschen, bei denen die meisten so gern wegschauen: Obdachlose, die alles verloren haben und auf der Straße leben müssen. Dabei werden auch viele weitere unangenehme Themen angerissen: die oft fehlende Solidarität untereinander, Gewalt und auch Vergewaltigungen von obdachlosen Frauen.

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Es wird auch eine Frau gezeigt, die tagsüber als Altenpflegerin arbeitet und nachts in ihrem Auto schlafen muss, weil sie die Miete in Köln nicht mehr zahlen kann. Mitten in den Ermittlungen ruft Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) mitten einmal erbost: „Eine Billion Euro steckt unser Staat jedes Jahr in unser Sozialsystem und trotzdem müssen manche Rentner im Müll nach einer Flasche suchen.“

Obdachlose verkaufen Zeitungen am Dom: Eine Szene aus dem Kölner
Obdachlose verkaufen Zeitungen am Dom: Eine Szene aus dem Kölner "Tatort: Wie alle anderen auch". © Martin Valentin Menke/WDR/dpa | Martin Valentin Menke/WDR/dpa

Damit auch wirklich ist klar, für wessen Seite sein Herz schlägt.Aber genau das nimmt man diesem „Tatort“ nicht ab: weil er sich des Dilemmas doch nur halbherzig annimmt. Und als Kulisse missbraucht.

"Tatort": Das sind fünf spannende Fakten

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    In diesem Krimi sind es mal keine gelangweilten Jugendlichen, die „Penner klatschen“ oder im Schlaf anzünden. Das tun die schon selber untereinander. Auch der arme Tellerwäscher, der selbst in prekären Verhältnissen lebt, nimmt Ella nicht aus Mitleid auf, sondern um ihre Not sexuell auszunutzen.

    Selbst die Sozialarbeiterin Regine Weigand (Hildegard Schroedter), die sich aufopferungsvoll und für wenig Gehalt um Menschen ohne Dach überm Kopf kümmert, hat am Ende Dreck am Stecken. Als Ballauf und sein Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) eine gebeutelte Obdachlose, die unter Verdacht steht, zur Sicherheit erst mal einsperren wollen, entfährt dem gutmütigen Assistenten Jütte (Roland Riebeling) ein konsterniertes „Echt jetzt?“.Echt jetzt?

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    Blick streift das Elend nur

    Das mag man auch den Machern dieser „Tatort“-Folge zurufen. Es ist wichtig und begrüßenswert, die Verlierer unserer Ellbogengesellschaft einmal in den Fokus zu nehmen, die doch nur sein wollen, der Titel der Folge sagt es schon, „Wie alle anderen auch“. Doch der Blick bleibt oberflächlich, streift das Elend nur, um daraus eine Dramaturgie zu spinnen.

    Das ist eigentlich zynisch, damit beuten die Fernsehmacher die Betroffenen gleich noch einmal aus und bringen sie um das Letzte, was sie noch zu verlieren haben: um ihre Würde. Ganz am Ende hält die Kamera auf echte Obdachlose in Köln. Um ihnen ein Gesicht zu geben. Doch diese Geste kommt zu spät und wirkt nur noch berechnend und ebenfalls zynisch. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

    • „Tatort: Wie alle anderen auch“: ARD, Heute, 21. März, 20.15 Uhr