Berlin. Der Moderator Markus Lanz spricht über seine Erfahrungen mit dem schwedischen Corona-Weg und wie das Virus sein Leben verändert hat.

Er gehört zu den Gewinnern der Corona-Krise: Seit Markus Lanz in seiner ZDF-Talkshow regelmäßig die Schwierigkeiten der Pandemiebekämpfung diskutiert, explodieren die Quoten – der einst als zu glatt und eitel kritisierte Südtiroler hat sich zu einem anerkannten Journalisten gemausert. Zuletzt durfte er sein Hamburger Studio mal verlassen. Für seine Reportage „Markus Lanz – Schweden ungeschminkt“ (11. März, 23.15 Uhr, ZDF) hat der dreifache Vater in diesem Winter mehrfach Schweden bereist, um zu erfahren, was die Skandinavier anders machen.

Herr Lanz, Ihre Reportage beleuchtet den vielzitierten schwedischen Sonderweg in der Corona-Bekämpfung…

Markus Lanz: Ich war im Lauf des Winters immer wieder dort und habe die Erfahrung gemacht: Sobald man zu Hause erzählt, dass man nach Schweden reist, sind die Leute regelrecht elektrisiert. Während die einen Schweden gerne als leuchtendes Beispiel dafür heranziehen, dass es eben auch anders geht, zeigen die anderen mit dem Finger auf Schweden und erklärten den Sonderweg für gescheitert, als im Herbst die Sterblichkeit anstieg. Aber so einfach ist es nicht.

Was ist Ihre Meinung?

Lanz: Ich möchte mir aus heutiger Sicht kein Urteil anmaßen, dafür ist es zu früh. Aber der schwedische Weg ist ganz sicher etwas, worüber man diskutieren muss. Es ist eine Frage der Perspektive. Einerseits haben die Schweden einen hohen Preis bezahlt. Sie haben viele Opfer zu beklagen, und es gibt mittlerweile einen Untersuchungsausschuss, der sich mit der Rolle der Regierung beschäftigt, mit der Frage: Wer ist verantwortlich für die Toten? Wenn man aber fragt „Wie zerrissen ist das Land?“ – dann haben die Schweden vieles besser gemacht. Die schwedische Gesellschaft ist bei Weitem nicht so gespalten wie unsere und bei Weitem nicht so zermürbt.

Woran machen Sie das fest?

Lanz: Es gibt ein interessantes Foto: Da stehen ungefähr zehn schwedische Restaurantbesitzer im Schnee und protestieren dagegen, dass ihre Lokale um 20 Uhr statt um 22 Uhr schließen mussten. Das war so ungefähr der härteste Querdenker-Protest, den Schweden gesehen hat. Das liegt daran, dass das Leben dort in vielerlei Hinsicht weiterging. Es war aber keineswegs so, dass die Schweden einfach alles haben laufen lassen, wie viele glauben.

Sondern?

Lanz: Sie hatten zum Teil einen ähnlichen, aber freiwilligen Lockdown wie wir auch. Viele Leute waren im Homeoffice, ältere Schüler im Fernunterricht. Aber Kitas, Schulen, Restaurants, Geschäfte waren immer offen. Vor ein paar Wochen kam ich nach Stockholm, es hatte geschneit, ein herrlicher Wintertag, im Park Kinder mit ihren Schlitten, die Cafés voller Menschen. Eigentlich ein wunderschönes Bild – für jemanden, der aus Deutschland kommt aber auf seltsame Art verstörend. Es war der Moment, in dem mir klar wurde, was dieses Virus mit uns gemacht hat: etwas so Romantisches wie dieser Wintertag in Stockholm erschien plötzlich leichtsinnig und gefährlich. Und andere Menschen waren plötzlich potenziell gefährlich. Dabei war es einfach nur das Leben, das ich da sah. Und ich merkte, wie sehr auch ich mich nach Normalität sehne.

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Was glauben Sie: Wie wird die Krise unser Land verändern?

Lanz: Ich bin mir gar nicht so sicher, ob all das unsere Art zu leben wirklich dauerhaft verändern wird. Und ich frage mich eines: Wenn es stimmt, dass mehr als 60 Prozent aller wirklich gefährlichen Viren aus den Regenwäldern dieser Erde kommen, während wir gleichzeitig immer tiefer in diese Urwälder vordringen, was bedeutet das dann? Ich fürchte, wir werden in Zukunft öfter mit solchen Krisen zu tun haben, aber wir werden nicht jedes Mal ganze Volkswirtschaften in den Lockdown schicken können. Wir werden bessere Antworten finden müssen. Und wir werden ein paar Dinge radikal ändern müssen.

Wie hat sich Ihr eigenes Leben verändert?

Lanz: Unser aller Leben hat sich stark verändert, aber ich gehöre zu denen, die dankbar sein müssen, dass sie noch arbeiten dürfen. Auch das zeigt übrigens, wie sehr die Welt auf den Kopf gestellt wurde: Privilegiert ist plötzlich, wer seinem Beruf nachgehen darf. Die Sprache verrät es: Da ist unglaublich viel verrutscht. Denn die Frage ist doch: Darf Arbeit wirklich zum Privileg werden? Nein, jeder sollte arbeiten dürfen und nicht nur Privilegierte.

„Markus Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen

Sie behandeln das Thema Corona regelmäßig in Ihrer Talkshow und fragen gerne hartnäckig nach. Werden Sie nach der Sendung schonmal von Politikern angeraunzt, weil die sich allzu scharf kritisiert fühlen?

Lanz: Nein, eigentlich nicht. Das würden die mir im Zweifelsfall aber auch nicht sagen (lacht). Ich bin ja auch keiner, der sagt: Politiker sind per se inkompetent – im Gegenteil. Ich finde, dass wir gerade in der ersten Reihe ein paar sehr gute Leute haben. Und ich habe auch Respekt vor dem spürbaren Ringen der Politik, insbesondere der Kanzlerin, Schaden vom Land abzuwenden. Aber wenn wir plötzlich hören: 35 ist die neue 50 – dann muss man auch mal hartnäckig nachfragen, ob das Leben vielleicht doch mehr ist als ein Inzidenzwert.