Berlin. Bei „Markus Lanz“ diskutierten Jens Spahn und Virologe Hendrik Streeck über den Karneval. Sind Feiern wirklich ein Corona-Katalysator?

  • Zu Gast bei Markus Lanz waren dieses Mal Lehramtsstudentin Saida Hashemi, Steuerfachwirtin Ajla Kurtovic, Virologe Hendrik Streeck und Gesundheitsminister Jens Spahn
  • Thema waren unter anderem Karnevalsfeiern zur Corona-Zeit – welche Regeln sollten dort gelten? Ist Feiern in geschlossenen Räumen momentan sinnvoll?
  • Auch die Corona-Lage auf Mallorca war Thema der Sendung

„Nicht ich bin der Spaßverderber“, mühte sich Bundesminister Jens Spahn um Klarstellung, als das Gespräch bei „Markus Lanz“ wieder auf Karneval kam. „Es ist das Virus.“

Natürlich wisse er, wie wichtig die Tradition in vielen Regionen sei. Für ihn aber sei es vor allem eine Frage der Priorität: „Kita auf? Oder feiern?“ Wichtig sei ihm auch, die Debatte jetzt schon zu führen, was in der Karnevalszeit gehen kann und was nicht. Damit die Veranstalter sich frühzeitig auf die Regeln einstellen könnten. Das klang doch wieder fast akzeptabel.

Als Hauptgast des Lanz-Talks an diesem Donnerstag gab sich Jens Spahn ziemlich entspannt und geduldig gegenüber allen Corona-Fragen. Und plädierte ebenso für mehr Gelassenheit im Umgang mit den täglich wieder ansteigenden Infektionsraten: „Es ist nicht nur die eine Zahl, die entscheidet“, begründete er. Lesen Sie auch: Gegen zweite Welle: Kommen bald strengere Regeln?

Dass „enges Feiern in geschlossenen Räumen“ nur dem Virus ein ideales Umfeld biete, konnte auch Prof. Hendrik Streeck bestätigen. Vor einem Jahr hatte eine solche Karnevalsfeier in Heinsberg zu einem Superspread-Event geführt, und den HIV-Experten Streeck zu seiner ersten, viel beachteten Corona-Studie gebracht. „Wir müssen da differenzierter rangehen“, erklärte der Virologe aus dem rheinischen Bonn, von Hause aber Niedersachse, und schlug einen Wechsel von einer Verbots- zur Gebotskultur vor: Feiern in kleinen Gruppen könnte eventuell möglich sein.

Politiker Jens Spahn, Virologe Hendrik Streeck, Lehramtsstudentin Saida Hashemi und Steuerfachwirtin Ajla Kurtovic diskutierten am Donnerstagabend bei Markus Lanz.
Politiker Jens Spahn, Virologe Hendrik Streeck, Lehramtsstudentin Saida Hashemi und Steuerfachwirtin Ajla Kurtovic diskutierten am Donnerstagabend bei Markus Lanz. © Screenshot ZDF Mediathek | SCreenshot ZDF Mediathek

„Markus Lanz“: Im Umgang mit Corona braucht es bessere Balance

Über die aktuelle Corona-Lage in Mallorca berichtete der Internist Dr. Andreas Leonhard per kurzer Video-Schalte: Noch seien relativ viele Reisende da, aber die meisten seien auch relativ verunsichert, was sie nun tun sollten, nachdem Deutschland Anfang der Woche ganz Spanien zum Reiserisikogebiet erklärt habe. „Wir haben eine extreme Zweiteilung“, habe er beobachtet. „Während ein Teil der Menschen verstört reagiert und sogar alleine im Wald mit Maske joggt, feiern andere leichtfertig, als wenn nichts wäre.“ Lesen Sie hier: Mallorca: Rauchverbot in der Öffentlichkeit beschlossen

Im Umgang mit der Pandemie brauche es tagtägliche eine neue Balance, da waren sich alle geladenen Gäste einig. Trotzdem wirkte dieser „Lanz“ nicht gerade als bester Abend des Moderators. Ab und an konnte man sich als Zuschauer gar wünschen, Markus Lanz würde sich einmal selbst zuhören, was er so sagt. Oder was er eigentlich als Antwort hören wollte, wenn er in passiv-aggressiver Manier seine butterweichen Fragen losließ.

Hat die Bundesregierung bei der Versorgung mit Masken versagt?

Die Sache mit den Masken, zum Beispiel. Kann es sein, dass wir die Masken hätten früher kaufen sollen und nicht erst, als die ganze Welt sie wollte, fragte er zunächst scheinheilig den Bundesgesundheitsminister. Um dann, nachdem Jens Spahn den Stand der Wissenschaft Ende Februar in Erinnerung rief, knallig nachzukarten: „Und jetzt haben Sie eine 400-Millionen-Euro-Klage an den Hacken.“

Es ging dabei um die vereinfachte Auftragsvergabe an „jedermann, der bis 31. März eine bestimmte Mindestanzahl an FFP2-Masken nach Deutschland liefern kann.“ Nur so konnten schnell und ausreichend Masken aus aller Welt besorgt werden, um das Personal „an der Front – Ärzte und Pfleger in Krankenhäusern – zu schützen“, erklärte Jens Spahn das unkonventionelle Vorgehen der Bundesregierung. Auch interessant: Visier oder Maske: Welcher Corona-Schutz ist besser?

Nun aber wollten Zwischenhändler, die laut dem Minister minderwertige Ware geliefert hätten, ausstehende Zahlungen einklagen. „Für Schrott bin ich nicht bereit zu zahlen“, erklärte Jens Spahn entschieden und brachte konkrete Beispiele: Die eine Maskenlieferung „zerbröselte schon in der Hand.“ Eine andere war chemisch behandelt und „stank so stark, dass man darunter nicht atmen konnte.“

„Stand in der Vergabe aber explizit drin, welchen Standard die Masken haben müssen?“, intervenierte der Moderator gleich mehrmals. Der Minister bejahte jedes Mal. „Als Dekra oder TÜV-Standard?“

Will Spahn insgeheim den CDU-Parteivorsitz übernehmen?

Das hatte schon etwas von einem Wadenbeißer, der sich um nichts mehr als um möglicherweise vergeudete Steuergelder sorgte. Nur leider war die Methode wenig zielführend: Weder der Minister noch die Lanz-Redaktion hatte ein Dokument zur Hand, das den tatsächlichen Inhalt der Vereinbarung belegen konnte. Und damit auch eine bessere Einschätzung, welche Chancen eine solche Klage vor Gericht haben würde.

Oder die Sache mit Jens Spahns insgeheimer CDU-Parteikandidatur: Nur weil Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, in einer Sendung von letzter Woche dem Bundesgesundheitsminister ein „Riesentalent“ attestierte, sollte der nun an gleicher Stelle öffentlich bekunden, ob er der Partei zur Verfügung stünde, wenn er denn gefragt würde, den Vorsitz zu übernehmen.

Jens Spahn schien erst einmal perplex, was von ihm als Antwort erwartet wurde. Dann gab er etwas betreten zu, nicht jede Sendung von „Lanz“ zu gucken und schließlich auch, dass ihn das – für ihn angeblich neue – Kompliment freue. Aber: Nein, er habe schon im Februar entschieden, zusammen mit Armin Laschet als Team zu kandidieren. Dabei blieb er auch, da mochte Markus Lanz seinen Gast noch so sehr mit Umwegfragen locken. Lesen Sie hier: Ein kleines Lob von Merkel für Laschet

Sechs Monate nach dem Anschlag in Hanau: Wie geht es den Angehörigen?

Aber der Moderator kann auch anders. Er kann betroffen wirken, ohne tatsächlich ein Gefühl dafür aufzubringen, in welche Lage er medienunerfahrene und dazu trauernde Gäste mit seinen ungenierten Fragen bringt. Zu besichtigen war dies in den etwa letzten zehn Minuten der Sendung, als auch Lanz‘ schöner, aber unsinniger Satz von dem „sinnlosesten Tod, der passieren kann“ fiel.

Auf den Tag genau vor einem halben Jahr hatte ein rechtsextremer Täter in Hanau binnen weniger Minuten zehn Menschen und sich selbst erschossen. Nun sollten die Schwestern von zwei der Opfer berichten, wie sie die Terror-Nacht erinnerten. Sie antworteten tapfer, aber den Tränen nah. Mehr zum Thema: Tobias R.: Die Wahn-Welt des Terroristen von Hanau

„Für die Familie steht die Welt seitdem still, draußen geht sie weiter“, erzählte Saida Hashemi, die bei dem Attentat ihren 22jährigen Bruder verlor. Ein anderer Bruder wurde gefährlich angeschossen und leide heute noch an den Folgen. Er könne über die schreckliche Nacht nicht sprechen.

„Was heißt überhaupt ,fremd’“, fragte sie befremdet und bezogen auf das Motiv Fremdenfeindlichkeit. „Es waren Menschen wie Sie und ich. Meine Brüder sind in Hessen geboren und in Hanau aufgewachsen.“ Lesen Sie hier: Terror in Hanau – Die Verzweiflung der Angehörigen

Auch Ajla Kurtovic riss sich sichtbar zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie frage sich immer noch, wie es zu dem Attentat überhaupt kommen konnte – wo doch bei der Staatsanwaltschaft mehrere Anzeigen gegen den Täter liefen. Und sein rassistisches Hass-Manifest zwei Wochen vorher auf seiner Website zu lesen war. „Wie konnte so ein Mensch seinen Waffenschein behalten?“