Essen. In der Reihe „Junges Kino im Zweiten“ geht es in „Liebesfilm“ um einen völlig planlosen Berliner, dessen Leben sich rasant verändert.

Lenz (Eric Klotzsch), die unverzichtbare coole Sonnenbrille auf der Nase, erholt sich vom Wochen-end-Stress durch zielloses Schlendern durch Kreuzberg. Der Dreißigjährige guckt mal hier, quatscht mal da, zwischendurch kommt der obligatorische Montags-Anruf von Vadder. „Brauchste Kohle?“ „Nee“. „Ich dachte“, erinnert sich Lenz, „das könnte ewig so weitergehen. Ich kann machen, was ich will, also nix, gar nix.“

Es ist nicht nur dieses „Nix“, das dem Zuschauer zu schaffen macht. Denn dieser Lenz hat keinerlei Biografie. Ist er Altstudent, jobbt er, wovon lebt er? Davon erfährt man: nix. Der Tagträumer ist einfach nur charmant und fantasievoll, unreif, entscheidungsunfähig und verantwortungsscheu. Eine wie auch immer geartete identifikationsstiftende Einordnung in die Gesellschaft findet nicht statt. Weshalb es auch schwierig ist, Lenz‘ letztlichen Wandel vom Saulus zum Paulus nachzuvollziehen.

„Liebesfilm“ im ZDF: Reizvolle Idee krankt an bemühter Originalität

Dabei ist die Idee, die das Filmemacher-Ehepaar Emma Rosa Simon und Robert Bohrer (Buch, Regie, Kamera) ihrem „Liebesfilm“ zugrunde legt, durchaus reizvoll, wenngleich nicht neu. Ein junger Mann verknallt sich in eine Zufallsbekanntschaft, erkennt erst spät, dass es sich diesmal um die wahre Liebe handelt, wird endlich erwachsen. Über diese potenziell romantische Komödie legen sich leider immer wieder die Schatten einer krampfhaft bemühten Originalität.

Nach einer durchfeierten Nacht wacht Lenz neben Ira (Lana Cooper) auf. Die beiden sehen sich in die Augen – mehr braucht es nicht. Lenz und Ira starten durch in den Sommer der Liebe, streifen durch Berlin und Brandenburg; alles ist toll und so herrlich unbeschwert.

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Bis Ira, über deren Background man ebenfalls herzlich wenig erfährt, die aber offenbar auch keinerlei Verpflichtungen hat, eines Tages unvermittelt die Gretchenfrage stellt: „Willst Du eigentlich Kinder?“ In Lenz schrillen die Alarmglocken, und er macht, was er am besten kann, wenn es kompliziert wird, er macht sich vom Acker.

Lenz – ein zielloser Tagträumer mit befremdlichen Vorbildern

Fortan stolpert er durch den Sommer und begegnet dabei den sich gelegentlich manifestierenden Helden seiner Tagträume, mit denen er schon in der Vor-Ira-Zeit eifrig kommuniziert hat. Die befremdliche Auswahl dieser Vorbilder, mit denen er sich identifiziert, macht diesen Lenz endgültig zur Kunstfigur.

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    Da ist etwa der „Trailblazer“ (David McEnully), ein Mitglied jener Navy-Seals-Einheit, die 2011 Osama Bin Laden eliminierte. Kapitän Schettino (Roberto Guerra), der 2012 die Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia verursachte, gibt ihm Ratschläge im Umgang mit Frauen.

    Und dem Piloten des 2014 verschollenen Malaysia-Airline-Fluges MH370 fühlt er sich seelenverbunden, weil dieser „vielleicht einfach keine Lust mehr hatte“. „MH370 oder Wie ich versuchte, zu verschwinden“ lautet denn auch eine der Episoden-Überschriften. Später, Ira ist wieder aufgetaucht, dann „Herbst oder Wie ich wirklich immer aufgepasst habe.“ Schließlich schieben beide den Kinderwagen. Aber wohin?

    , ZDF, 23.55 Uhr

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