Berlin. Die Doku „Angela Merkel: ‚Wir schaffen das!’“ beschreibt den Riss zwischen Regierung und Teilen des Volkes. Ursachen benennt sie nicht.

  • Am Montag um 22.45 Uhr läuft im Ersten die Dokumentation „Angela Merkel: ,Wir schaffen das!’“ von Regisseur Helmar Büchel
  • In der Doku geht der zwei Mal mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Regisseur der Frage auf den Grund, warum die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei vielen Unbehagen auslöst
  • Zu Wort kommen unter anderem der stellvertretende „Welt“-Chefredakteur Robin Alexander, Grünen-Politikerin Claudia Roth und Autorin Ferda Ataman

Der Patient ist nicht gesund – selbst ein Laie sieht das auf den ersten Blick. Der Patient heißt Deutschland, und er leidet an Morbus Merkel, wie der Titel der ARD-Dokumentation „Angela Merkel: ‚Wir schaffen das!’“ (Montag, 22.45 Uhr, Das Erste) suggeriert. Aber die Bundeskanzlerin ist nur ein Symptom und nicht die Ursache der Krankheit.

Mit den wahren Gründen des Unbehagens vieler Deutscher setzt sich Helmar Büchel in der Dokumentation nicht auseinander; das ist eine klare inhaltliche Schwachstelle. Die zweite ist formaler Natur: Themen und Zeitebenen wechseln ständig. Das sorgt zwar für eine gewisse Dynamik, lässt den Film jedoch unstrukturiert wirken und verhindert, dass die verschiedenen Aspekte wirklich vertieft werden.

Merkel-Doku: Ein Bogen von der Flüchtlings- zur Corona-Krise

Dabei ist der Ansatz nicht verkehrt. Büchel, unter anderem zweimal mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, schlägt den Bogen von der sogenannten Flüchtlingskrise zur Corona-Krise. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, und doch sind die Verläufe ähnlich.

Zunächst hat die Bundesregierung große Zustimmung zu ihren Maßnahmen erlebt – damals der Verzicht auf eine Schließung der Grenzen, in diesem Frühjahr die Einschränkungen der persönlichen Freiheit – aber dann verwandelte sich die Befürwortung zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend in Ablehnung.

Rechtspopulisten machen Stimmung gegen die Kanzlerin

Beide Male haben sich Rechtspopulisten das Thema angeeignet, um Stimmung gegen die Kanzlerin und die angeblich willfährigen „Systemmedien“ zu machen. Bei den Flüchtlingen hat das bestens geklappt und letztlich dazu geführt, dass die AfD in den Bundestag eingezogen ist. Beim Coronavirus ist der Plan (noch) nicht aufgegangen.

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Büchel hat fleißig viele Facetten zusammengetragen und eine Menge Gespräche geführt, aber sein Film ist letztlich nicht mehr als eine Sammlung von Schlaglichtern und Momentaufnahmen. Um im medizinischen Bild zu bleiben: Er schildert den Verlauf der Krankheit, lässt aber offen, woran der Patient tatsächlich leidet, zumal dieser paradoxerweise ja im Grunde gesund ist.

Für oder gegen Merkel: Der Riss zieht sich auch quer durch Familien

Deutschland ist bislang besser als die meisten anderen Ländern durch die Corona-Krise gekommen, und die Flüchtlinge haben das Land auch nicht vor unlösbare Herausforderungen gestellt. Warum gibt es trotzdem Leute, die überzeugt sind, Angela Merkel sei mit bösen Mächten im Bunde und Teil einer Weltverschwörung?

Der Autor konstatiert gleich zu Beginn seines Films, ein Riss gehe durch Deutschland, und er zeigt in einem etwas überflüssigen Streitgespräch zwischen Vater und Sohn, dass sich dieser Riss auch quer durch Familien zieht.

Rechtspopulismus und Verschwörungen: Eine fundierte Ursachenforschung fehlt

Die Frage, wo und wann der Riss begonnen hat, stellt er nicht, auch nicht seinen Gesprächspartnern (unter anderem der stellvertretende „Welt“-Chefredakteur Robin Alexander, Autorin Ferda Ataman, Grünen-Politikerin Claudia Roth und Politikwissenschaftler Herfried Münkler).

Dafür liefert er mit seiner Chronik der „Flüchtlingskrise“ eine indirekte Antwort, die jedoch zu kurz greift; das Misstrauen, von dem er spricht, dürfte deutlich älter sein. Für eine fundierte Ursachenforschung genügt es nicht, bloß die letzten fünf Jahre zu betrachten.

• „Angela Merkel: ,Wir schaffen das!’“, Montag, 22.45 Uhr, Das Erste

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