Essen. Arte geht dem „Feindbild Polizei“ nach. Die Doku über echte und „gefühlte“ Übergriffe von Beamten entstand vor dem Fall George Floyd.

Einen Fall wie den von George Floyd gab es offenbar auch in Frankreich, Anfang 2020: Da kam Cédric Chouviat in eine Polizeikontrolle, weil das Nummernschild seines Motorrads angeblich nicht lesbar war. Er starb „unglücklicherweise an einem Herzstillstand“, gab die Polizeipräfektur bekannt.

Handy-Videos auf Facebook zeigen ein anderes Bild der Situation: Der 42-jährige Motorradkurier liegt bäuchlings auf der Straße, den Helm noch auf dem Kopf, während vier französische Polizisten auf ihm hocken. Er erleidet einen Kehlkopfbruch und erstickt.

Werden Polizisten immer mehr zu Robocops?

Bis in die internationale Presse hat es der Vorfall aus einem Pariser Vorort nicht geschafft, wohl aber in die sozialen Medien. Wer dort sucht, findet viele Beispiele für repressive Polizeiaktionen, nicht nur in den USA, auch in Europa. Natürlich sind es immer nur Ausschnitte, die nie die ganze Geschichte zeigen.

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Aber „gefühlt“ scheint es bei der Masse solcher Einsatz-Bilder gar nicht mehr um die Frage zu gehen, ob Polizeibrutalität zugenommen hat. Sondern nur noch, warum: Weil die Beamten immer mehr zu Robocops werden? Oder solche Bilder einfach viel häufiger zu sehen sind als früher?

NDR-Doku zeigt: Die Ursachen für Polizeigewalt sind komplex

Die NDR-Dokumentation „Feindbild Polizei – Gewalt und Gegengewalt ohne Ende?“, die Arte heute Abend um 20.15 Uhr zeigt, versucht herauszufiltern, wodurch speziell deutsche und französische Polizeibeamte so unter Druck geraten, dass sie im Einsatz unrechtmäßig zuschlagen. Lesen Sie hier: Diese Menschen starben in Deutschland nach Polizeieinsätzen

Der Film von Sebastian Bellwinkel kommt punktgenau mitten in die deutsche Debatte um rassistisch motivierte Polizeigewalt, entstanden ist er aber schon vorher, weshalb die Rassismus-Vorwürfe nur ein Aspekt unter mehreren sind. In Interviews, etwa mit Polizei-Wissenschaftlern, Gewerkschaftern und kritischen Kriminalbeamten, fächert er stattdessen ein komplexes Bündel möglicher Ursachen auf.

Polizisten werden mit belastenden Erlebnissen allein gelassen

Es geht auch um die außerordentlichen Belastungen der Polizei, verursacht durch massiven Stellenabbau, beklagen französische Polizeigewerkschaften. Bei Großeinsätzen wie den Gelb-Westen-Demos sind Polizisten, die aus der ganzen Republik nach Paris beordert und dort mit Pflastersteinen und Molotowcocktails empfangen werden, bis zu sechs Wochen im Dauereinsatz.

Kommentar: Vorsicht vor Pauschalurteilen – Polizisten sind keine Cops!

Ähnliche Klagen kommen auch aus Deutschland, wo neuerdings bis zu 32 Gewaltattacken gegen die Polizei gezählt werden – täglich. Mit den belastenden Erlebnissen werden die Beamten meistens allein gelassen, denn psychologische Hilfe wie politische Fortbildung gelten als Privatsache.

Polizeigewalt: In Großbritannien ermittelt eine unabhängige Behörde

Vor allem fehlt aber, neben einer konsequenten juristischen Verfolgung von Dienstvergehen, eine wissenschaftliche Aufarbeitung: Es gibt keine Zahlen, die belegen, wie groß das Gewaltpotential innerhalb der Polizei tatsächlich ist – was auch in dem Film spürbar wird, der so oft und ungenau von „immer öfter“, „immer häufiger“ oder „meistens, selten, kaum“ spricht, dass es einem auf die Nerven geht.

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Es brauchte, so die die Hauptforderung der Polizei-Experten, unabhängige Ermittler wie in Großbritannien, wo das Independent Office for Police Conduct (IOPC) bei Verdacht von Polizeigewalt mit 150 Mitarbeitern selbstständig ermittelt und Zugang zu sämtlichen Beweismitteln hat. Nur das schaffe bei Bürgern wieder Vertrauen. Dienstag, 16. Juni, 2015 Uhr, Arte

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