Berlin. Markus Lanz war am Donnerstag auf Krawall gebürstet. Immer wieder fiel er seinen Gästen ins Wort. Ziel der Angriffe: Hubertus Heil.

  • Bei „Markus Lanz“ wurde am Donnerstag das Thema Rassismus diskutiert
  • Vor dem Hintergrund der Unruhen in den USA wurde auch rassistisch motivierte Polizeigewalt in Deutschland thematisiert
  • Moderator Markus Lanz war auf Krawall gebürstet – und griff vor allem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil immer wieder an

„Ich glaube, dass im Deutschen Bundestag mehr Rassisten sitzen, wenn ich auf die AFD-Bank gucke, als es je in der Polizei geben wird.“ Der Satz, den Hubertus Heil bei „Markus Lanz“ am Donnerstag betreten aussprach, war nicht bloß als Seitenhieb auf die AfD-Fraktion gemeint.

Es war vor allem ein flammendes Plädoyer für die deutsche Polizei, die „die zivilste und demokratischste überhaupt“ sei. Und somit mit der Polizei in den USA in keiner Weise zu vergleichen.

„Ja, aber es gibt auch in Deutschland Fälle von rassistisch motivierter Polizeigewalt. Die NGOs zählen 159“, widersprach Jana Pareigis dem Minister. „Es geht mir auch nicht um einen Generalverdacht“, beeilte sich die Hamburgerin mit afrodeutschen Wurzeln und bekanntes Gesicht des „ZDF-Mittagsmagazin“ richtigzustellen. Wenn es diese Fälle gibt, „müssen wir das Problem auch klar benennen.“

Jana Pareigis bei „Markus Lanz“: „Rassismus ist ein strukturelles Problem“

Selbstredend sei auch sie schon oft mit dem „N-Wort“ beschimpft worden, berichtete sie in dem Lanz-Talk. „Weil viele Deutsche immer noch irgendwie glauben, deutsch sein heißt weiß und blond zu sein.“ Trotzdem wollte sie über persönliche Erfahrungen mit Alltagsrassismus nicht sprechen: „Rassismus ist ein strukturelles und institutionelles Problem.“ Er umfasse alle Bereiche der Gesellschaft.

Und nannte dann Beispiele: Wenn Schüler mit schwarzer Hautfarbe oder Migrationshintergrund bei gleichen Noten weniger häufig fürs Gymnasium empfohlen werden als ihre weißen Mitschüler. Oder wenn sie deswegen nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden. Oder die Wohnung nicht bekommen. Dennis Aogo hatte wenige Tage zuvor bei „Lanz“ über seine Erfahrungen mit Rassismus berichtet.

„Das ist einfach nicht gerecht.“ Und ein strukturelles Problem, eben. „Wir brauchen eine unabhängige Beschwerdestelle, wo rassistische Übergriffe gemeldet werden können. Und vor allem brauchen wir eine offene Diskussion darüber“, forderte sie.

Da waren sich alle wieder einig. Doch das war auch schon kurz vor Schluss der Sendung und die Gelegenheit für Markus Lanz, sich bestens gelaunt bei allen vier Gästen zu bedanken: „Es hat Spaß gemacht.“

Tod von George Floyd – Fotos der Unruhen

Es sind erschreckende Bilder aus den USA, die derzeit um die Welt gehen: ausgebrannte Autowracks, Tränengas, zerstörte Gebäude. Das ganze Land ist in Aufruhr, seit der unbewaffnete Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten in Minneapolis minutenlang zu Boden gedrückt wurde und starb.
Es sind erschreckende Bilder aus den USA, die derzeit um die Welt gehen: ausgebrannte Autowracks, Tränengas, zerstörte Gebäude. Das ganze Land ist in Aufruhr, seit der unbewaffnete Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten in Minneapolis minutenlang zu Boden gedrückt wurde und starb. © AFP | Stephen Maturen
Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd starb am 25. Mai nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis. Der 44-jährige Polizist Derek Chauvin drückt Floyd minutenlang sein Knie in den Nacken und ignoriert dabei Bitten von Floyd, ihn atmen zu lassen. Die vier beteiligten Beamten wurden mittlerweile entlassen. Polizist Chauvin wurde wegen Mordes angeklagt.
Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd starb am 25. Mai nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis. Der 44-jährige Polizist Derek Chauvin drückt Floyd minutenlang sein Knie in den Nacken und ignoriert dabei Bitten von Floyd, ihn atmen zu lassen. Die vier beteiligten Beamten wurden mittlerweile entlassen. Polizist Chauvin wurde wegen Mordes angeklagt. © AFP | DARNELLA FRAZIER
Nach dem Tod von George Floyd legten Menschen in Minneapolis Blumen nieder. In den darauffolgenden Tagen kam es zu immer größeren Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt.
Nach dem Tod von George Floyd legten Menschen in Minneapolis Blumen nieder. In den darauffolgenden Tagen kam es zu immer größeren Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. © AFP | KEREM YUCEL
Am 26. Mai protestierten Demonstranten auf der Hiawatha Avenue in Minneapolis. Die Proteste eskalierten zunehmend.
Am 26. Mai protestierten Demonstranten auf der Hiawatha Avenue in Minneapolis. Die Proteste eskalierten zunehmend. © AFP | Stephen Maturen
Am 27. Mai versammelten sich Demonstranten zu einer zweiten Nacht der Proteste in der US-Stadt Minneapolis. Am Abend bildet die Polizei eine menschliche Barrikade um den Dritten Bezirk. Dort hatten die Beamten gearbeitet, die beschuldigt werden, George Floyd getötet zu haben.
Am 27. Mai versammelten sich Demonstranten zu einer zweiten Nacht der Proteste in der US-Stadt Minneapolis. Am Abend bildet die Polizei eine menschliche Barrikade um den Dritten Bezirk. Dort hatten die Beamten gearbeitet, die beschuldigt werden, George Floyd getötet zu haben. © AFP | KEREM YUCEL
Die Proteste in Minneapolis schlugen in Gewalt um. Autos und Mülltonnen brannten, Geschäfte wurden geplündert, Häuser beschädigt.
Die Proteste in Minneapolis schlugen in Gewalt um. Autos und Mülltonnen brannten, Geschäfte wurden geplündert, Häuser beschädigt. © AFP | Jose Luis Magana
Auch in anderen US-Städten wie hier in Los Angeles protestierten Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt.
Auch in anderen US-Städten wie hier in Los Angeles protestierten Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. © AFP | AGUSTIN PAULLIER
In Las Vegas gingen die Menschen in den vergangenen Tagen auch auf die Straße. Truppen der Nationalgarde patrouillierten nach mehreren Nächten voller Proteste, in denen es auch zu Brandstiftung und Plünderungen kam. In Las Vegas schwebte ein Beamter in Lebensgefahr, nachdem ein Angreifer ihm in den Kopf geschossen hatte.
In Las Vegas gingen die Menschen in den vergangenen Tagen auch auf die Straße. Truppen der Nationalgarde patrouillierten nach mehreren Nächten voller Proteste, in denen es auch zu Brandstiftung und Plünderungen kam. In Las Vegas schwebte ein Beamter in Lebensgefahr, nachdem ein Angreifer ihm in den Kopf geschossen hatte. © AFP | BRIDGET BENNETT
Wasser und Milch half Demonstranten, die während eines Protestes am 1. Juni in der Innenstadt von Washington DC, Pfefferspray in die Augen bekommen hatten.
Wasser und Milch half Demonstranten, die während eines Protestes am 1. Juni in der Innenstadt von Washington DC, Pfefferspray in die Augen bekommen hatten. © AFP | Drew Angerer
Auch Anfang Juni gingen die Proteste weiter – während es mancherorts zu weiteren Ausschreitungen kam, blieben viele Demonstrationen friedlich. So auch direkt vor dem Amtssitz des US-Präsidenten Donald Trump. Doch dies hinderte Trump nicht daran, bei einem öffentlichen Auftritt Tränengas gegen die Demonstranten einsetzen zu lassen.
Auch Anfang Juni gingen die Proteste weiter – während es mancherorts zu weiteren Ausschreitungen kam, blieben viele Demonstrationen friedlich. So auch direkt vor dem Amtssitz des US-Präsidenten Donald Trump. Doch dies hinderte Trump nicht daran, bei einem öffentlichen Auftritt Tränengas gegen die Demonstranten einsetzen zu lassen. © AFP | ROBERTO SCHMIDT
Auf dem Weg zu einem Fototermin setzten vor ihm gehende Sicherheitskräfte Tränengas gegen friedlich Demonstrierende ein – um ihm dem Weg zum Fototermin freizuräumen.
Auf dem Weg zu einem Fototermin setzten vor ihm gehende Sicherheitskräfte Tränengas gegen friedlich Demonstrierende ein – um ihm dem Weg zum Fototermin freizuräumen. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI
Danach ließ sich Trump medienwirksam – mit einer Bibel in der Hand – vor einer von Protestierenden mit Graffiti beschmierten Kapelle ablichten.
Danach ließ sich Trump medienwirksam – mit einer Bibel in der Hand – vor einer von Protestierenden mit Graffiti beschmierten Kapelle ablichten. © dpa | Patrick Semansky
Auch außerhalb der USA wurde mittlerweile protestiert. Vor der US-Botschaft in Paris zeigen Demonstranten Plakate mit der Aufschrift „Wir sind alle George Floyd“.
Auch außerhalb der USA wurde mittlerweile protestiert. Vor der US-Botschaft in Paris zeigen Demonstranten Plakate mit der Aufschrift „Wir sind alle George Floyd“. © AFP | BERTRAND GUAY
Undauch junge Mitglieder der griechischen Kommunistischen Partei protestierten in Athen vor der US-Botschaft nach dem Tod von George Floyd.
Undauch junge Mitglieder der griechischen Kommunistischen Partei protestierten in Athen vor der US-Botschaft nach dem Tod von George Floyd. © AFP | ARIS MESSINIS
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Markus Lanz fällt seinen Gästen ins Wort

Dabei hatte sich der Moderator in seiner 1404 Sendung überraschend angriffslustig gegeben, um nicht zu sagen: auf Krawall gebürstet. Immer wieder fiel er seinen Gästen ins Wort oder suchte spitzfindig nach Widersprüchen, wo nicht unbedingt welche zu erkennen waren.

Besonders gerne forderte er Bundesarbeitsminister Hubertus Heil als Sparringspartner heraus. Vielleicht, weil dieser dafür bekannt ist, wie es schon in der Anmoderation hieß, selbst noch im größten Stress vollkommen ruhig zu bleiben.

Über weite Strecken ging es bei „Markus Lanz“ aber diesmal auch um Themen, für die der SPD-Niedersachse steht: Autos, Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Eigentlich war Hubertus Heil in den Lanz-Talk am Donnerstag eingeladen worden, um das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket zu erläutern, mit dem die Bundesregierung die Wirtschaft wieder ankurbeln will, und das am heutigen Freitag auf den Weg gebracht wird. Weiter, als ein paar Stichworte – sozial, digital, ökologisch – zu nennen, kam er aber nicht.

Hubertus Heil verteidigt Milliarden-Konjunkturpaket

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    Der sonst meist charmierende Markus Lanz ließ ihn gar nicht ausreden. Damit verfolgte er eine Fragetaktik, die er in seinen Talks gerne nutzt, wenn er besonders kritisch erscheinen möchte: Erst baut er ein Schreckensszenario auf – wie in diesem Fall, dass 7,3 Million Arbeitnehmer, die momentan in Kurzarbeit sind, am Ende alle ihre Jobs verlieren könnten. Um dann fordernd zu fragen, was die Bundesregierung zu tun gedenke, um die Katastrophe abzuwenden.

    Die detaillierte Antwort aber schien ihn nicht wirklich zu interessieren, vor allem befriedigte sie ihn nicht. „Wer soll das bezahlen, woher kommt das ganze Geld?“, insistierte er ein ums andere Mal, als befürchtete er, es aus seiner eigenen Tasche zahlen zu müssen. Da schien die Frage nach der Sicherung der bedrohten Arbeitsplätze nur noch zweitrangig.

    Die Summen, die man nun ausgegeben wollte, seien doch ein Wahnsinn. Ob der Minister dabei überhaupt noch schlafen könnte? Kann er, bestätigte Hubertus Heil, wenn auch kürzer als noch vor Corona: „Es ist eine Investition in die Zukunft“, erklärte er seelenruhig, fast stoisch. „Wenn wir das nicht machen, wird alles noch viel teurer.“

    IfW-Präsident: „Corona ist wie eine Naturkatastrophe“

    Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, blieb bei der künstlichen Kontroverse ebenfalls gelassen. Natürlich könne es keine Garantie geben, dass das Konjunkturprogramm helfen wird.

    Und selbstverständlich müsse bei solchen Ausgaben auch die Einnahmesituation des Staates betrachtet, ein gerechter Lastenausgleich gefunden werden: „Der Spitzensteuersatz wird nicht sinken können“, setzte er lakonisch hinzu. Die momentane Wirtschaftskrise sei jedoch nicht mit der Bankenkrise von 2009 vergleichbar, war der Volkswirtschaftler sicher: „Corona ist eher vergleichbar mit einer Naturkatastrophe. Danach werden die Unternehmen wieder funktionieren.“

    Das Stichwort „Corona“ gab dem gebürtigen Österreicher gleichzeitig die Gelegenheit, zu berichten, was eine Modellrechnung des IfW mit Daten des RKI ergeben hatte: Ohne den Party-Tourismus von Ischgl hätte es in Deutschland 35 bis 45 Prozent weniger Infektionen gegeben. Indirekt bestätigte er damit das Verbot von Großveranstaltungen, für das sich die Politik schon früh entschieden hatte.

    Soziologe bei „Lanz“: Nach Corona-Pandemie kein Zurück zum „Vorher-Zustand“

    Auch dem Soziologen Harald Welzer leuchteten viele der geplanten Maßnahmen ein, sagte er. Allerdings glaubte er nicht, dass die traditionellen Rezepte greifen werden, um zu einem „Vorher-Zustand“ zurückzukehren.

    Der Strukturwandel, den die Gesellschaft noch vollziehen müsse, sei schon vorher erkennbar gewesen, der Lockdown habe ihn nur deutlicher gemacht. „Diese Form der Wirtschaft, die immer nur auf Wachstum ausgerichtet ist, bringt die Gesellschaft immer weiter unter Druck“, erläuterte er und verwies auf die Generationenproteste, die eine „direkte Sprengkraft“ hätten: „Die jungen Leute protestieren für Gerechtigkeit, weil sie in ihrer Realerfahrung gelebte Ungerechtigkeit erleben.“

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    Hinweis: In einer älteren Version dieses Artikels haben wir Minister Heil nicht ganz korrekt zitiert. Statt „Im Bundestag sitzen mehr Rassisten als bei der ganzen Polizei“, wie wir ursprünglich geschrieben hatten, sagte Hubertus Heil: „Ich glaube, dass im Deutschen Bundestag mehr Rassisten sitzen, wenn ich auf die AFD-Bank gucke, als es je in der Polizei geben wird.“ Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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