Essen. Die Arte-Doku „Die Gier nach Lachs“ weiß nicht, was sie will: Schöne Bilder mischen sich zu unappetitlichen Fakten zur Fisch-Industrie.

Wer isst nicht gerne Lachs? Der „König der Fische“ ist der beliebteste Speisefisch überhaupt: 20,3 Kilo pro Kopf landen jährlich als Räucherfisch, Sushi oder Filet auf den Tellern rund um den Globus. In Deutschland sind es vergleichsweise „nur“ 13,7, in Frankreich dagegen 34 Kilo pro Kopf. So viel freilebenden Wildlachs kann es gar nicht geben.

Um den Bedarf zu decken, wird er gezüchtet. 2,6 Millionen Tonnen pro Jahr produziert Norwegen als Nummer Eins der Lachsindustrie in Aquakultur. Das sind gigantische Unterwasserfarmen, in denen der Fisch, der eigentlich lieber wandert, dicht an dicht in Netzgehegen gehalten wird. Gefüttert werden muss der gebürtige Raubfisch auch: Mit Pellets aus Fischmehl, 30 Prozent Soja und Fischöl. Das führt dazu, dass am Amazonas noch mehr Regenwald abgeholzt wird, um mehr Flächen für den Sojaanbau zu gewinnen…

Arte-Doku über Lachs liefert unappetitliche Fakten

Keine Frage, Lachszucht ist „Massentierhaltung, krasser noch als Schweinezucht, nur sieht man das unter Wasser nicht“, urteilt ein Kenner in dem Film, den Arte jetzt im Rahmen seines Schwerpunkts „Gaumenfreuden“ zeigt. Na, danke: Allein 2018 starben 50 Millionen Lachse wegen schlechter Bedingungen in den Zuchtbetrieben, rund 20 Prozent. Eine Million ist schlicht ausgebüxt.

Die Doku „Die Gier nach Lachs“ von Albert Knechtel ist aber aus anderen Gründen etwas anstrengend. Der 90-Minüter kann sich nicht entscheiden, was er erzählen will. Also versucht er, zu knallharten und unappetitlichen Fakten alles hineinzupacken, was der Lachs hergibt. Atemberaubende Landschaftsaufnahmen. Müßige Plaudereien mit Gourmets wie Michel Troisgras, den „Besten Koch der Welt“, der genau weiß, was die Qualität des Fisches ausmacht. Das Credo norwegischer Enthusiasten wie Kenneth Bruvik, der alles richtig macht – nur zwei Lachse pro Jahr, selbst geangelt und mit Demut genossen.

Dazu die Sorgen von Umweltschützern und Fischforschern, Gewerkschaftlern ebenso wie von Jung-Managern mit hochfliegenden Visionen: Sie wollen den Lachs an Land bringen und dort in geschlossenen Kreisläufen züchten, damit die Fjorde nicht mehr durch den Fischkot der Farmen versauern.

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Lachs-Industrie in Norwegen will noch deutlich wachsen

Dabei hätte schon eine Dokumentation über die kruden Auswüchse einer Industrie gereicht, die vor allem ihr eigenes Wachstum im Sinn hat: Bis 2050 wollen die Norweger ihre Zuchtergebnisse verfünffachen und die Erträge auf 50 Milliarden Euro pro Jahr steigern.

Dafür braucht es neue Absatzmärkte. Japan, wo der Lachs für Sushi noch bis zu Beginn der 90er Jahre völlig unbekannt war, haben die Norweger schon überzeugt. Es ist der perfekte Ersatz für den traditionellen Thunfisch, der rar geworden ist.

Jetzt kommt der Rest der Welt dran, allen voran Südamerika. In Chile, das am Pazifik liegt, wird selbstverständlich Atlantik-Lachs gezüchtet – zu 98 Prozent für den Export. Und kontrolliert nach Kolonialherren-Art von der norwegischen Fischindustrie, die fern der Heimat alles macht, was zu Hause verboten ist: Weiterbildung, Arbeitsschutz – alles fehlt. 50 Arbeiter sind in sieben Jahren sogar tödlich bei der Arbeit verunglückt.

Dass die globale „Gier nach Lachs“ nichts Gutes bringt – nicht für den Wildlachs, für die Natur, das Weltklima und letztendlich auch für den Menschen – haben wir schon zu Beginn der Doku vermutet, spätestens nach Zweidritteln aber vollends verstanden.

• Dienstag, 9. Juni, 20.15 Uhr, Arte: „Die Gier nach Lachs“