München. Schauspieler Friedrich von Thun (77) über seine Reihe „Zimmer mit Stall“, starke Frauen und digitale Kommunikation in der Corona-Krise.

Gemütliche Gelassenheit – so ist der erste Eindruck von Friedrich von Thun, der sich bei diesem Gespräch einstellt. Da ist nichts zu erkennen von dem exzentrischen Grantler, den der 77-Jährige in seiner erfolgreichen Film-Reihe „Zimmer mit Stall“ spielt (neue Folgen am 15. und 22. Mai um 20.15 Uhr in der ARD). Doch hinter dieser entspannten Haltung verbirgt sich eine gehörige Portion Lebenserfahrung und Altersweisheit.

Ein Thema der neuen Folgen von „Zimmer mit Stall“ ist die Konfrontation zwischen modernen Frauen und chauvinistischen Männern. Wie ist es in der Filmbranche? Gibt es da mehr starke Frauen als früher?

Friedrich von Thun: Als ich „Die Verbrechen des Professor Capellari“ drehte, hatte ich zum ersten Mal mit Beleuchterinnen zu tun. Und als Mann, der so erzogen wurde wie ich, wollte ich denen helfen, die schweren Scheinwerfer zu tragen. Was die ganz empört abgelehnt haben. Inzwischen hat der Frauenanteil sehr zugenommen. Auch bei „Zimmer mit Stall“ hatten wir eine Regisseurin. Und mir ist das sehr angenehm. Entscheidend ist, ob jemand seinen Job kann. Wer unprofessionell arbeitet, ist eine Pfeife, unabhängig ob Frau oder Mann.

Können Sie die eindrucksvollste Frau nennen, die Ihnen begegnet ist?

von Thun: Wenn man so alt ist und so viele Filme gemacht hat wie ich, dann hatte man sehr viele Partnerinnen. Die Anouk Aimée war erstaunlich in ihrer Zickigkeit. Das hatte eine gewisse Stärke. Ich habe die Konsequenz bewundert, mit der sie das durchgesetzt hat. Stark sind beispielsweise auch die Senta Berger und meine „Zimmer im Stall“-Partnerin Aglaia Szyszkowitz.

Wie war es bei Ihren Eltern? Wer war stärker?

von Thun: Meine Mutter war eine sehr starke Frau. Mein Vater hat die Linien bestimmt, aber er hat sie stark sein lassen. Beide sind durch die Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre so geworden wie sie waren. Sie hatten vorher ein gutes Leben, aber sie haben nie gejammert. Meine Mutter hat immer gesagt: „So ist es und so ist es, und da muss man durch.“ – Mein Vater hat das nicht gesagt, aber er hat es gelebt.

Momentan sind Sie ja mit einer anderen Krise konfrontiert. Wie ist Ihre Stimmungslage?

von Thun: Man wünscht sich, dass dieser jetzige Zustand möglichst bald vorbeigeht, wobei er ja ein bis eineinhalb Jahre dauern kann. Und diese Vorstellung ist natürlich schon nicht sehr angenehm.

Inwieweit macht Ihnen die Entwicklung jetzt Sorgen?

von Thun: Ich mache mir akut keine Sorgen, dass das Grundgesetz verändert wird und wir in einer Art Diktatur landen. Ich glaube auch daran, dass die Einschränkungen nach der Krise wieder aufgehoben werden.

Sie haben auch keine existenziellen Ängste?

von Thun: Mein Vater hat zu mir gesagt ‚Du bist für dein Leben selbst verantwortlich.’ So habe ich das immer gemacht. So habe ich Gott sei Dank nicht den finanziellen Druck. Aber ich weiß, dass es vielen Kollegen nicht gut geht und Künstler momentan sehr benachteiligt sind. Ich hoffe, dass die alle das gut überstehen.

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    In „Zimmer mit Stall“ führen Sie ein zurückgezogenes Leben auf dem Land. Wäre das für Sie interessant?

    von Thun: Ich liebe das Land. Vor kurzem habe ich mit meinen Kindern und Enkelkindern vier Wochen am Tegernsee gewissermaßen in Quarantäne verbracht. Aber ich brauche die Stadt, weil es da eben auch Begegnungen gibt. Selbst wenn man jetzt auf Distanz gehen muss, kennt man die Leute in den Geschäften und nickt sich gegenseitig zu.

    In der aktuellen Situation spielt ja die digitale Kommunikationstechnik eine enorm hilfreiche Rolle. Wie stehen Sie dazu?

    von Thun: Das ist das ‚privilegium senilis’, dass ich sagen kann: Ich möchte das Handy verwenden, um zu telefonieren und zu skypen, und ich möchte auch ins Internet gehen. Bei Wikipedia recherchieren finde ich wunderbar. Aber mehr muss nicht sein. Ich brauche keine Videokonferenzen und auch kein Instagram, wo ich zeige, was ich für einen Hund habe oder was ich gerade frühstücke.

    Was haben Sie zuletzt bei Wikipedia nachgeschlagen?

    von Thun: Das sind alle möglichen Themen. Nur ein Beispiel: Als die nationale Akademie Leopoldina in den Medien aufgetaucht ist, habe ich nachgeschaut, ob die von Leopold I. gegründet wurde, weil ich sehr viele Dokumentationen über die Habsburger gemacht habe. Oder beim Spazierengehen kamen wir an einem Teich vorbei, in dem die Frösche getobt haben. Ich habe den Enkeln erklärt, dass das deren Liebesspiel ist, und später haben wir nachgeschaut, wie das eigentlich bei den Fröschen funktioniert.

    Sind Sie ein neugieriger Mensch?

    von Thun: Klar. Man will eben wissen.

    Was wollen Sie noch wissen oder erleben?

    von Thun: Dadurch dass ich viele Dokumentationen gedreht habe, habe ich viele meiner Wünsche erfüllt. Früher sagte ich mir ‚Ich muss Timbuktu sehen oder Machu Picchu oder Ayers Rock’. Und das habe ich alles gesehen. Jetzt bin ich auf das Buch „Deutschland entdecken“ gestoßen, und in der aktuellen Situation würde es mich reizen, hierzulande auf Reisen zu gehen. Aber große Abenteuer will ich nicht mehr.

    Momentan sind Sie ohnehin auf das Umfeld Ihrer Münchner Wohnung festgelegt. Wie kommen Sie damit klar, dass Sie jetzt alleine ohne Ihre Kinder und Enkel leben?

    von Thun: Wir waren ja eben vier Wochen zusammen, auch wenn ich nicht weiß, wann wir uns wieder sehen. Dafür gibt es eben Telefon und Skype. Machen wir das Beste draus. Zum Beispiel habe ich mehrere Kisten mit alten Fotos und Kritiken in einem Möbeldepot aufbewahrt. Die schaue ich jetzt alle durch, um sie aufzulösen. Das ist eine richtige Reise in die Vergangenheit, bei der ich viele schöne Entdeckungen mache. Da gibt es so viele Film- und Fernsehauftritte, die ich längst vergessen hatte. Aber die Einschränkungen sind meiner Ansicht nach nötig. So ist es und so ist es, und da muss man durch.

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