Berlin. Charly Hübner spricht über den Dreiteiler „Unterleuten“, Kompromisse bei der Romanverfilmung und über die Vorbilder seine neue Figur.

Es gilt schon jetzt als eines der Fernsehereignisse des Jahres: Die dreiteilige Verfilmung von Juli Zehs preisgekröntem Bestseller „Unterleuten“. Das Buch wird als das große Gesellschaftspanorama unserer Zeit gehandelt. Die ZDF-Verfilmung „Unterleuten – Das zerrissene Dorf“ läuft am 9., 11. und 12. März. Bekannte Schauspieler wie Thomas Thieme oder Dagmar Manzel spielen die Hauptrollen, Krimistar Charly Hübner verkörpert den finsteren Werkstattbesitzer Schaller.

Herr Hübner, Sie spielen eine Hauptrolle in der Verfilmung des Romans „Unterleuten“. Kannten Sie das Buch schon vorher?

Charly Hübner: Ja. Alle wollten damals „Unterleuten“ lesen, es war ja die reinste Epidemie (lacht). Ich hab es dann auch gelesen und schon nach 15 Seiten gedacht: Das wird verfilmt.

Wussten Sie gleich, dass die Figur des finsteren Dorfbewohners Schaller die richtige für Sie ist?

Ich habe mich erst mal in gar keiner Rolle gesehen. Bei Schaller fiel mir jemand aus meinem Heimatdorf ein, der so wie er in der Opferrolle des geheimnisvollen Brutalos war. Einer dieser Menschen, die unter die Räder kommen, durch Bildungsmangel oder soziale Faktoren einen unwürdigen Platz in der Gesellschaft kriegen, in ihrer mentalen Schwäche ein Leben lang missbraucht werden. Als ich mich dann mit Regisseur Matti Geschonneck traf, hatten wir beide wenig Zeit, und er meinte nur: „Schaller?“ Und ich: „Okay“.

Schaller ist Kfz-Mechaniker. Können Sie ein Auto reparieren?

Ich bin kein leidenschaftlicher Handwerker, aber wenn niemand anderes da ist, der das erledigt, bin ich in der Lage, mir solche Dinge anzueignen. Als junge Kerle haben wir im Unterricht gelernt, was ein Vergaser ist oder ein Benzinschlauch, und bei einem alten Auto weiß ich, wo ich welchen Schlüssel ansetzen muss, da kann man sich reinfuchsen. Bei einem modernen Auto nicht.

Haben Sie mit der Autorin Juli Zeh darüber gesprochen, ob ihr Ihre Darstellung gefällt?

Bei den Dreharbeiten habe ich sie nicht getroffen, aber wir hatten später eine Begegnung. Sie sagte, die Phantasie, die sie von Schaller hatte, ist nicht mehr da, sondern sie ist ersetzt durch das, was jetzt im Film ist. Ich glaube, das heißt, dass sie es ganz gut fand (lacht). Im Buch wird die Figur Schaller ja unheimlicher, tierischer gezeichnet als im Film. Aber weil wir nicht alle Rückblenden des Buchs reinnehmen konnten, die zu 25 Jahre alten Ereignissen reichen und die Figur erklären, mussten wir seine Unheimlichkeit und Härte aufweichen.

GOLDENE KAMERA 2018- Interview mit Charlie Hübner

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    „Unterleuten“ gilt als großer Gesellschaftsroman unserer Zeit. Spiegelt das zerrissene Unterleuten die deutsche Zerrissenheit wider?

    Ich weiß gar nicht, ob Deutschland zerrissen ist. Deutschland ist einfach Deutschland. Ein großes Land in Mitteleuropa mit einer vielfältigen Geschichte und sehr unterschiedlichen Mentalitäten. Wenn man Flensburg und Oberstdorf nebeneinander stellt, da liegt ganz viel dazwischen. Ich bin dafür, den Film nicht so sehr aus dem Ost-West-Aspekt zu gucken, sondern wie der Titel sagt: Wir sind da unter Leuten.

    Das idyllische Unterleuten wird zum Anziehungsort für gestresste Großstädter, die alte Häuser schick sanieren. Der alte Dorfbewohner Kron klagt an einer Stelle melancholisch: „Meine Welt gibt es nicht mehr“. Kennen Sie dieses Gefühl?

    Ich bin da nicht so sentimental, es gehört ja zum Leben dazu, dass die Dinge sich permanent verändern. Man kann den Moment nicht festhalten, das Leben treibt einen voran, ob man will oder nicht. Aber ich selber kann die Gegend meiner Kindheit schon noch wiedererkennen. Ich komme ja aus einem Landschaftsschutzgebiet, dem Müritzer Nationalpark, da sind wenige Eingriffe passiert, man hat die Natur seit dem Mauerfall laufen lassen.

    Das Buch von Juli Zeh hat viele Facetten, welches ist in Ihren Augen die zentrale?

    Ich finde es toll, dass im Buch und im Film die jungen Frauen eine größere Dynamik ausstrahlen als die alten Herren, die ihre ewigen Kämpfe miteinander austragen. Ansonsten liegt die Stärke des Buchs ja gerade darin, dass es wie im wahren Leben ist: Es gibt nicht das eine zentrale Ding, alles ist eine Aneinanderreihung von Ereignissen. Es ist ein Staffellauf von Themen: Die Rückkehr von Schaller, der für alle im Ort als Mörder gilt, die Neuen aus der Stadt, und dann auch noch der Heuschreckenalarm mit den Windmühlen...

    Es geht um Investoren, die in Unterleuten einen Windpark planen, und damit bei Alteingesessenen und Zugezogenen die ganz große Gier wecken, denn jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben. Wie stehen Sie zur Windenergie?

    Es ist kompliziert. Alle wollen alternative Energien, aber der Eingriff in die Natur durch Windkraftanlagen ist gigantisch. Vögel oder Dorsche werden vertrieben. Es ist total ambivalent und deshalb für die Grünen so ein schwieriges Thema. Meines Wissens werden wir unseren Energieverbrauch selbst dann nicht decken, wenn wir ganz Deutschland zupflastern mit Windmühlen und Solaranlagen. Das bedeutet, dass Atomstrom und Kohlekraftwerke nicht ersetzbar sind, solange wir unseren Stromverbrauch nicht drastisch reduzieren. Und in meinem weiteren Umfeld macht ehrlich gesagt keiner ernsthafte Anstalten dazu.