Berlin. Erst Reportage, dann Expertenrunde: „Hart aber fair“ widmete dem Coronavirus eine zweistündige Extra-Ausgabe. Eine gute Entscheidung.

Bestimmt gab es Menschen, die gestern Abend ein klein wenig beruhigter ins Bett gehen konnten. Das lag auch an dieser „Hart aber fair“-Ausgabe, die kein gewöhnlicher Polit-Talk war, sondern eher einer medizinischen Informationsveranstaltung glich.

„Zwischen Hysterie und begründeter Angst: Wie gefährlich ist das Coronavirus?“, lautete das Thema, zu dem die Zuschauer ihre Fragen stellen konnten. Experten und Politiker antworteten.

Corona: Infizierte übertragen Virus nur bei jedem zehnten Kontakt

Der Virologe Alexander Kekulé war der wohl wichtigste Gast der Sendung. Für beinahe jede Frage hatte er die passende, besonnene Antwort. Ohne die Gefahren der vom neuartigen Coronavirus ausgelösten Atemwegserkrankung Covid-19 zu verharmlosen – gerade für alte und chronisch kranke Menschen – sagte der Experte auch: Die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung ist sehr gering.

„Ein Infizierter übertragt bei etwa jedem zehnten Kontakt das Virus weiter. Im Vergleich zu Millionen Grippekranken ist es sehr unwahrscheinlich, einer Person in dieser Konstellation zu begegnen“, so der Mediziner.

Dass viele Menschen trotzdem regelrecht Panik vor dem Virus haben, es in Supermärkten bereits zu Hamsterkäufen kam, Mundschutze und Desinfektionsmittel in Apotheken ausverkauft sind, erklärte der Angstforscher Borwin Bandelow mit der Psyche des Menschen. „Wir haben übergroße Angst vor neuen Gefahren. Das führt zu Panikreaktionen“.

Videografik- So wird das Coronavirus übertragen

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    Doku zeigt: Ein Land zwischen Panik und Gelassenheit

    Wie Corona das Land in Atem hält, zeigte auch die halbstündige Dokumentation, die als Einstieg in diese Extra-Ausgabe diente. Das TV-Team war unterwegs im Landkreis Heinsberg (NRW), der deutschen Virus-Hochburg. Im Uni-Klinikum Essen warnte Oberärztin Randi Manegold dringend davor, unbegründet ins Krankenhaus zu kommen, etwa um sich nur vorsorglich testen zu lassen.

    Auf der anderen Seite zeigten die Autoren eine Fußballkneipe und die ausgelassene Stimmung beim Heimspiel des 1. FC Köln, wo die Besucher sich die Laune von der Corona-Epidemie nicht verderben lassen wollten. Ein Land zwischen Panik und Gelassenheit.

    Corona: Müssen Großveranstaltungen abgesagt werden?

    Der Mediziner Alexander Kékule, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schlug vor, in Schulen und Kitas eine zweiwöchige Pause einzulegen, um Infektionsketten zu unterbrechen.
    Der Mediziner Alexander Kékule, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schlug vor, in Schulen und Kitas eine zweiwöchige Pause einzulegen, um Infektionsketten zu unterbrechen. © imago images | Müller-Stauffenberg

    Doch um die Ausbreitung des Virus noch zu stoppen, müssten Großveranstaltungen untersagt werden – eigentlich. Diesen Vorschlag machte Virologe Kekulé. Nicht um Panik zu schüren. Sondern um Infektionsketten zu unterbrechen. Auch für Schulen und Kindergärten müsste es eine Art zweiwöchige Corona-Pause geben. „So haben wir die Möglichkeit herauszubekommen, wie viele Herde es gibt. Die könnten dann isoliert werden“, sagte der Mediziner. Dies sei eine etablierte Maßnahme, um die Verbreitung im Frühstadium zu stoppen. „Wenn wir es machen, dann jetzt. In sechs Wochen ist es dafür zu spät“, sagte Kekulé.

    Bei NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), dem einzigen Politiker in der Runde, stieß dieser Vorschlag auf wenig Gegenliebe. „Das öffentliche Leben muss weitergehen“, sagte er. Und: „Wir wollen keine Hysterie in der Bevölkerung“.

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    Ärztin über Corona: Wir müssen die Situation jeden Tag neu bewerten

    Dass es auch anders geht, zeigt die Schweiz. Dort wurden alle Profi-Spiele im Fußball in der nächsten Zeit abgesagt. „In Deutschland feiert man weiter und lässt die Sache einfach auf sich zukommen“, ärgerte sich Kekulé.

    Auch die Internistin und Krankenhaushygienikerin Dr. Susanne Johna warb für mehr Wachsamkeit. Zum jetzigen Zeitpunkt brauche man sich zwar keine Sorgen machen, aber: „Wir müssen die Situation jeden Tag ein Stück weit neu bewerten.“

    Coronavirus: Ein Impfstoff ist nicht in Sicht – es gibt trotzdem Hoffnung

    Dass es Risikogruppen für Coronavirus-Infektionen gibt, etwa Lungen- und Herzkranke oder Patienten mit schwachem Immunsystem nach einer Organtransplantation, ist bekannt. Das Coronavirus kann aber auch junge, gesunde Menschen treffen – und schlimmstenfalls tödlich enden.

    Einen Impfstoff gibt es nicht. Und wahrscheinlich bleibt das noch eine ganze Weile so. „Der Virus ändert sich genetisch so schnell, dass es schwierig ist, einen Impfstoff zu entwickeln“, so Virologe Kekulé. Es gebe aber zwei Wirkstoffe, die aktuell getestet würden und die Hoffnung machten: ein Aids-Medikament und ein Wirkstoff, der ursprünglich gegen Ebola entwickelt wurde. „Die Nebenwirkungen sind bei beiden nicht extrem“, so Kekulé.

    Ratgeber- So schütze ich mich vor Viren

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      Verkraftet unser Gesundheitssystem einen Corona-Ausbruch?

      Doch unabhängig vom Impfstoff stellt sich die Frage, ob das deutsche Gesundheitssystem mit einer Massen-Ausbreitung des Virus überhaupt klarkäme? Ärztin Susanne Johna versuchte die Frage etwas zu umschiffen. Sie wünsche sich mehr Personal, gerade im Pflegebereich, und zusätzliche Isolierbetten auf den Intensivstationen. Noch sei die Lage aber entspannt.

      Blitz-Krankenhäuser, die wie in China innerhalb weniger Tage aufgezogen werden, kann sich NRW-Gesundheitsminister Laumann in Deutschland nicht vorstellen. Es gebe genug Krankenhausbetten und Kliniken könnten zu reinen Corona-Zentren umgerüstet werden, wenn Patienten dann in andere Häuser verlegt werden.

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      Für Panik, darin war sich die Runde einig, bestehe kein Grund. Ein Eindruck, der wohl auch bei vielen Zuschauern hängen geblieben sein dürfte. Schließlich wurde das Thema Coronavirus in den zwei Stunden Sendezeit sachlich und verantwortungsvoll von verschiedenen Seiten beleuchtet – inklusive mehrmaliger Hinweise, Ansteckungsgefahr und tödliche Verläufe nicht nur in absoluten Zahlen, sondern als Wahrscheinlichkeiten zu betrachten. Und damit als Ereignisse, die selten eintreten.

      Und klar ist auch, dass jeder Einzelne etwas tun kann: Sich mehrmals täglich die Hände waschen zum Beispiel, mindestens 30 Sekunden lang und auch die Handzwischenräume gründlich säubern. Dann kann man es auch wie Angstforscher Bandelow halten. „Ich gehe mit gesundem Fatalismus an die Sache“, sagte der in der Schlussrunde.

      In der Hoffnung, dass nichts passiert.