Berlin. Bei „Maybrit Illner“ wurde am Donnerstag der Anschlag in Hanau diskutiert. Im Fokus stand auch das Motiv des mutmaßlichen Täters.

Der Schock sitzt tief. Der mutmaßlich rassistisch motivierte Anschlag von Hanau mit insgesamt elf Toten ist eines der schlimmsten Terrorattentate in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei „Maybrit Illner“ wurde am Donnerstagabend darüber diskutiert, was den Weg für eine solche Tat bereitet. Es ist zu befürchten: Allein die AfD als geistige Brandstifterin zu markieren, greift zu kurz.

Unumstritten, so ließ sich der Runde entnehmen, ist allerdings, dass sich durch die AfD etwas nach rechts verschoben habe. Nämlich: Die Wortwahl, das Sagbare und der gesellschaftliche Diskurs. Die Erkenntnis daraus: Erst kommt das Sagbare, dann kommt das Machbare.

„Anschlag in Hanau: Rechter Terror außer Kontrolle?“, lautete die Leitfrage. Die Gäste:

  • Claudia Roth (Grüne), Bundestagsvizepräsidentin
  • Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen
  • Kübra Gümüşay, Journalistin und Autorin
  • Matthias Quent, Soziologe und Rechtsextremismus-Forscher
  • Janine Wissler (Die Linke), Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag

Die Gäste bei „Maybrit Illner“: Kübra Gümüşay, Armin Laschet, Maybrit Illner, Claudia Roth, Matthias Quent und Janine Wissler (v.l.).
Die Gäste bei „Maybrit Illner“: Kübra Gümüşay, Armin Laschet, Maybrit Illner, Claudia Roth, Matthias Quent und Janine Wissler (v.l.). © ZDF / Claudius Pflug | Claudius Pflug

Doch man kann es sich nicht zu leicht machen, einfach der AfD die Schuld in die Schuhe zu schieben, wie es vor allem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet versuchte. „Die AfD ist zentraler Teil des Rassismus, aber das Feld ist viel größer“, entgegnete ihm der Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent und verwies auf antisemitische Stereotype in bürgerlichen Zeitungen, rassistische Zuschreibungen in Schulbüchern oder Verschwörungstheorien auf YouTube.

Linken-Politikerin kritisiert Seehofer

Die Linken-Politikerin Janine Wissler betonte, dass es auch die bürgerlichen Politiker sind, die mit der Sprache zündeln und verwies auf Horst Seehofers einstiger Formulierung, dass Migration die „Mutter aller Probleme“ sei.

Das wollte dessen Unionskollege Armin Laschet natürlich nicht stehen lassen und verhedderte sich in einer verschwurbelten Argumentation, dass Sprache dann doch nicht alles sei – nur um einige Minuten – bei einem anderen Beispiel – doch wieder das Gegenteil zu behaupten.

Gümüşay: „Rassismus ist in Deutschland die Norm“

Klarer formulierte Kübra Gümüşay ihren Standpunkt: „Rassismus ist in Deutschland die Norm.“ Sie berichtet, dass es eine große Menge von Menschen gebe, die nach der Tat nicht einfach nur schockiert war: „Viele Menschen in Deutschland waren davon überhaupt nicht überrascht“, sagte Gümüşay und meinte damit ebenjene, die in den Augen des Mörders ebenso vernichtet werden sollen. Für Migranten sei die rassistische Gefahr alltäglich.

Die wichtigste Erkenntnis zum Anschlag in Hanau

Ein Aspekt, der seit der Tat schon viel diskutiert wurde, wurde durch den Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent in einem Satz zu den Akten gelegt: Der Täter war offenbar psychisch krank. Sein Pamphlet, das er vor der Tat niederschrieb, war neben rassistischen Äußerungen voll von kruden Verschwörungstheorien.

Matthias Quent, Soziologe und Rechtsextremismus-Forscher, erklärte, dass die Erkrankung des Täters keine relevante Rolle spiele.
Matthias Quent, Soziologe und Rechtsextremismus-Forscher, erklärte, dass die Erkrankung des Täters keine relevante Rolle spiele. © ZDF / Claudius Pflug | Claudius Pflug

Eine mögliche psychische Erkrankung sei aber völlig irrelevant, so der Forscher: „Zentral ist: Der Täter hat seiner Opfer rassistisch ausgewählt“, fasste Quent das Tatmotiv zusammen. Eben genau das war es wiederum, was Alexander Gauland (AfD) kurz nach der Tat bestritt, als er dem Täter eine politische Gesinnung absprach – und lediglich auf dessen Geisteszustand verwies.

Das Fazit bei „Maybrit Illner“

Kübra Gümüşay ließ es sich nicht nehmen, Moderatorin Maybrit Illner dafür zu kritisieren, dass sich der Diskurs in Deutschland auch deswegen so falsch bewege, weil Talkshows schon allein durch ihre wenig diverse Gästeauswahl den Blick verengen würde. Damit mag sie insgesamt recht haben. Was man aber der Sendung zugutehalten muss: Auch der Blick auf die Opfer kam nicht zu kurz.

Anschlag von Hanau – mehr zum Thema:

Der Anschlag am 19. Februar hat für großes Entsetzen gesorgt. Unser Reporter fand in Hanau am Tag danach eine Stadt unter Schock vor. Was kann man tun? Ein Terror-Experte empfiehlt den Behörden, im Internet wachsamer zu sein. Die Justizministerin hat noch eine andere Idee: Christine Lambrecht will Rechtsextremisten konsequent entwaffnen. Lesen Sie alle Entwicklungen zu Hanau in unserem Newsblog.

Zur Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek.