Essen. „Tage des letzten Schnees“ trifft exakt die Vorlage von Jan Costin Wagners Roman. Das Filmdrama ist ein vielschichtige Charakterstudie.

Schneetreiben. Die Straßenverhältnisse in den Hamburger Randbezirken sind schlecht, die Sicht ist miserabel, als Lars Eckert (Barnaby Metschurat) seine elfjährige Tochter vom Eishockeytraining abholt. War Eckert für einen Moment unkonzentriert? Oder hat ihn, wie er beteuert, ein entgegenkommender Wagen geblendet, von der Fahrbahn gedrängt? Den schrecklichen Unfall überlebt die kleine Anna nicht.

Kommissar Johannes Fischer (Henry Hübchen), der die Eckerts vor Jahren über seine inzwischen an den Krebs verlorene Frau kennengelernt hat, kümmert sich hingebungsvoll um den aus kriminalistischer Sicht bedeutungslosen Fall. Er will, weniger Polizist als empathischer Seelsorger, dem verzweifelten Ehepaar zu etwas Ruhe und Seelenfrieden verhelfen – und so vielleicht selbst Erlösung finden.

„Tage des letzten Schnees“: Geist der Romanvorlage wird exakt getroffen

Auf den ersten Blick ist kaum zu erkennen, dass Jan Costin Wagners gleichnamiger Roman die Grundlage für den Fernsehfilm „Tage des letzten Schnees“ geliefert hat. Aus dem finnischen Ermittler Kimmo Joentaa ist der deutlich ältere Hamburger Johannes Fischer (mit Henry Hübchen ideal besetzt) geworden, die Handlungsorte haben gewechselt, der Seriencharakter der Joentaa-Geschichten ist aufgebrochen.

Doch die freie Adaption von Lars-Gunnar Lotz (Regie) und Nils-Morten Osburg (Drehbuch) trifft exakt den Geist der Vorlage, die ohnehin weniger Krimi als vielschichtige Charakterstudie ist.

Verlust, Trauer, Sehnsüchte und Schuld, jene schicksalhaften Sekunden, in denen aus einem geregelten, einem glücklichen Alltag ein kaum zu bewältigender Ausnahmezustand wird und zwischenmenschliche Beziehungen auf den Prüfstand kommen: Das sind die großen Themen des beklemmenden, großartig besetzten Filmdramas, das – mit Fischer als Bindeglied – in Rückblenden zwei anscheinend unabhängige Erzählstränge wie in einem Mahlstrom unaufhaltsam zusammenführt.

Tanja (Christina Große, links) und Markus Sellin (Bjarne Mädel) mit ihrem Sohn Titus (Moritz Thiel) in „Tage des letzten Schnees
Tanja (Christina Große, links) und Markus Sellin (Bjarne Mädel) mit ihrem Sohn Titus (Moritz Thiel) in „Tage des letzten Schnees". © dpa | Marion von der Mehden

Verhängnisvolle Beziehung zwischen Banker und Studentin

Nach einem Geschäftstermin in Frankfurt hatte der Hamburger Banker Markus Sellin (Bjarne Mädel) mit Kollegen in einem Club gefeiert und war mit der jungen Lisa (Mercedes Müller) ins Gespräch gekommen. Irgendwie stimmte die Chemie zwischen ihm und der Studentin der Kunstgeschichte sofort. Kurz drauf richtete er Lisa ein Appartement in Hamburg ein, unterstützt sie seither nach Kräften.

• Interview: Wie Bjarne Mädel für seine neue Rolle rapide abnahm

Dabei ist der doppelt so alte Mann alles andere als ein geiler „Sugar Daddy“: Der liebevolle Vater leidet unter der Alkoholsucht seiner depressiven Frau; bei der verständnisvollen, offenherzigen Lisa findet der Harmoniebedürftige jene Aufmerksamkeit und Zuwendung, die er so lange vermisst hat. Dann erweist sich die angebliche Studentin als professionelle Manipulatorin, die seit Jahren betuchte Männer umgarnt und ausnimmt.

Zwischen dem Banker und Lisa kommt es zum folgenschweren Streit. Es war, findet Fischer heraus, der enttäuschte und verzweifelte Sellin, der mit dem Wagen durch die Nacht raste und Eckerts Auto abdrängte. Aber hat er auch Lisa ermordet, die erschossen vor der Appartement-Anlage gefunden wurde?

  • Montag, 3. Februar um 20.15 Uhr im ZDF: „Tage des letzten Schnees“