Berlin. Zoff ums Auto: Im ZDF-Talk von Maybrit Illner kochten die Emotionen hoch. Eine sachliche Debatte zum Thema war so nicht möglich.

Verkehrsminister Andreas Scheuer ist kein Freund der leisen Töne. Als es kürzlich eine Regierungskommission wagte, auch nur über ein Tempolimit auf Autobahnen und höhere Spritpreise nachzudenken, reagierte der CSU-Politiker mächtig ungehalten. „Gegen jeden Menschenverstand“ sei das, zürnte Scheuer damals.

Der Minister sieht sich als Kämpfer für die Interessen von Millionen Autofahrern. Und alles, was nach Belastung klingt – egal, ob Fahrverbote, strengere Schadstoffgrenzwerte oder eben ein Tempolimit – soll tunlichst vermieden werden.

Doch was will Scheuer stattdessen? Wie lassen sich Klimaschutz, Individualmobilität und saubere Luft in den Städten in Einklang bringen – ohne Verzicht? Am Donnerstagabend hatte der Minister die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge einem Millionenpublikum näher zu bringen. „Fahrverbot und Tempolimit – muss Deutschland runter vom Gas?“, fragte ZDF-Talkerin Maybrit Illner ihre Gäste, zu denen auch der CSU-Politiker gehörte.

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    Der Minister schaltete sofort in den Angriffsmodus

    Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, zu sagen, wie die Politik denn nun einen Ausgleich herbeiführen will. Zwischen verunsicherten Autofahrern, die um den Wert ihres (Diesel-)Fahrzeugs besorgt sind, und all jenen, die Angst vor dreckiger Luft in den Städten haben.

    Doch der Minister präsentierte sich bei Maybrit Illner nicht als Mann des Ausgleichs. Im Gegenteil: Scheuer schaltete sofort in den Angriffsmodus.

    ZDF-Talk von Maybrit Illner zum Thema Tempolimit und Fahrverbote.
    ZDF-Talk von Maybrit Illner zum Thema Tempolimit und Fahrverbote. © ZDF/Svea Pietschmann | ZDF/Svea Pietschmann

    Moderatorin Maybrit Illner warf er vor, die Themen Schadstoffgrenzwerte und Schummeleien der Autoindustrie in einen Topf zu werfen. Als die Journalistin Cerstin Gammelin sich darüber beschwerte, dass viel zu viel Güterverkehr auf der Straße sei und nicht über die Schiene abgewickelt werde, schlug Scheuer nur die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf.

    Grünen-Chef Robert Habeck schnauzte er von der Seite an: „Sie haben immer das moralische Narrativ“. Den Grenzwert für Stickoxide nannte Scheuer „politisch-ideologisch“. Damit war der Ton für die Debatte gesetzt.

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    Fairerweise muss man sagen: Auch die anderen Gäste ließen sich von der hitzigen Gesprächsatmosphäre anstecken.

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    tat Habeck so, als wolle der Minister sich über geltendes Recht hinwegsetzen – was Scheuer wiederum empört zurückwies.

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      „Sie scheinen mir nicht ganz fachkundig zu sein“, stichelte Habeck weiter. Und überhaupt: Hätte die Autoindustrie nicht betrogen, müsste man heute nicht über Fahrverbote diskutieren.

      Ein Vorwurf, den Bernhard Matthes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) naturgemäß zurückwies. Man habe mit Software-Updates reagiert, die Autos seien jetzt sauber unterwegs. Habeck redete sich so in Rage, dass er dem VDA-Chef sogar direkt Betrug vorwarf – obwohl es nur einzelne Unternehmen im Verband waren.

      Viele Fragen blieben offen

      Schummeleien der Autobauer, Grenzwerte, Klimaschutz, dann wieder Messstationen, Tempolimit und Ärzte-Streit: Maybrit Illner hatte sichtlich Mühe, ein so komplexes Themenfeld in 60 Minuten abzuarbeiten.

      Zumindest in diesem Punkt hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer recht: Vieles, was nicht direkt zusammengehört, wurde in einen Topf geworfen. Und: Es blieben viele Fragen offen.

      Ob die Luft in Athen etwa wirklich besser ist als in Stuttgart. Wie es sein kann, dass in Büro-Räumen ein deutlich höherer Wert an Stickoxiden zulässig ist als an Straßen. Claudia Traidl-Hoffmann vom Institut für Umweltmedizin (UEM) sagte zwar, dass das Leben auf der Straße stattfinde – aber diese Argumentation ist schwer nachvollziehbar, wenn man an viel befahrene Ausfallstraßen denkt.

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      Und natürlich durfte auch die neu aufgeworfene Debatte um eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen nicht fehlen. Hier immerhin hatte die Sendung einen ehrlichen Moment.

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      Grünen-Chef Habeck fing gar nicht erst an, das Tempolimit als Beitrag zum Klimaschutz zu preisen. Dafür sei die Datenlage zu dünn, gab er zu.

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      Aber die Zahl der Verkehrstoten könne um ein Drittel bis um die Hälfte gesenkt werden.

      Habeck erinnerte CSU-Mann Scheuer an sein eigenes Ziel, dass es keine Verkehrstoten mehr geben solle. Scheuer aber, das hatte er zuvor schon deutlich gemacht, kann mit einem Tempolimit nichts anfangen.

      Verbote, zusätzliche Steuern, „bestrafen und gängeln“ werde es mit ihm nicht geben, sagte er in bester „Basta“-Manier. Es müsse Schluss sein damit, so der Minister, weiter Verunsicherung zu stiften.

      Man kann allerdings auch nicht behaupten, dass Andreas Scheuer am Donnerstagabend mit gutem Beispiel vorangegangen ist.