Berlin. Plasberg fragte, was die EU nach dem Austritts-Chaos besser machen muss. Und er dreht bei einem anderen Thema an der Empörungsschraube.

Die Briten haben alles richtig gemacht. Schon in 20 Jahren wird man sich in London ins Fäustchen lachen. Eine eigene Währung, eine eigene Finanzpolitik, niemand, der von außen reinquatscht. „Die Engländer haben nur Vorteile, wenn sie gehen“, findet der Ökonom Daniel Stelter. Der „Brexit“ also als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg? Es gibt nicht viele Wirtschaftswissenschaftler, die das so sehen. Stelter aber schon. Damit gehört er einer Minderheit an – auch bei „Hart aber fair“.

Zu weich zu Griechenland, zu hart bei den Briten?

„Briten weg, wir noch da: Wie muss Europa dann besser werden?“, fragte Moderator Frank Plasberg seine Gäste. Doch die Runde schaute zunächst auf das, was falsch lief. Daniel Stelter, der als Ökonom und Unternehmensberater vorgestellt wurde, ärgerte sich darüber, dass Deutschland etwa bei Griechenland alles getan habe, damit das Land im Euro bleiben könne.

Den Briten sei man aber nicht entgegen gekommen.

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– in diesem Punkt hätte man auf sie zugehen müssen, so Stelter.

Dass damit eine der Grundfreiheiten der EU, nämlich das Recht, sich auszusuchen, wo man arbeitet, aus den Angeln gehoben worden wäre, wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) anmerkte, interessierte Stelter nicht. Seine These: Europa funktioniert nicht. Nur die EZB halte mit ihrer Niedrigzins-Politik den Währungsraum zusammen. Die Briten hätten das erkannt.

Deutschland und Frankreich rücken enger zusammen

Auch diese Analyse blieb nicht unwidersprochen. Der ehemalige Leiter des Brüsseler ARD-Studios Rolf Dieter-Krause machte darauf aufmerksam,

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Es gebe immer Regionen, die sich besser, andere dafür schlechter entwickelten. Und Evelyne Gebhardt, die Vizepräsidentin des Europaparlaments von der SPD, sieht im Brexit „eine Katastrophe für viele Menschen“.

Wo Stelter Gefahren beschwor, lobten die anderen Gäste die Vorzüge der Union. Stelter malte das Bild eines Europas im Niedergang. Italien sei der nächste EU-Austrittskandidat. Und auch der französische Präsident Emmanuel Macron, mit dem die Bundeskanzlerin wieder verstärkt den Schulterschluss sucht, steht innenpolitisch unter Druck. Die EU, so die unterschwellige Botschaft, sei nicht reformierbar.

Aber stimmt das? Deutschland und Frankreich haben erst kürzlich in Aachen vereinbart, enger zusammen arbeiten zu wollen. Der Journalist Rolf-Dieter Krause lobte die Bemühungen, da – so seine Rechnung – ein Drittel der EU-Staaten nicht mehr als uneingeschränkte Rechtsstaaten zu bezeichnen seien. Heißt also: Es müsse Länder geben, die vormarschieren. Krause: „Spanien, Deutschland, die Benelux-Staaten, Frankreich, Slowenien und noch einige andere könnten ein Kern-Europa bilden“.

Frank Plasberg dreht an der Empörungsschraube – und scheitert

Was das ganz konkret bedeutet, wurde leider nicht besprochen. Dabei hätte Krauses Vorschlag eine gute Grundlage für die weitere Diskussion sein können. Doch Moderator Plasberg hastete weiter zum nächsten Punkt. Denn: Es sollte noch etwas an der Empörungsschraube gedreht werden.

Dafür wählte die Redaktion von „Hart aber fair“ das Thema Kindergeld. Rund 250.000 Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, bekommen Kindergeld vom deutschen Staat, hieß es im Einspieler. Ein Skandal? Eher nicht. Plasbergs Gäste ließen das Thema abtropfen. Der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper merkte an, dass es – so lange ein Elternteil in Deutschland arbeite und Steuern zahle – egal sei, wohin das Kindergeld überwiesen werde.

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    Auch CDU-Ministerpräsident Laschet verwies auf geltendes Recht. Und: Es sei gerichtlich entschieden, dass Freizügigkeit nicht bedeute, dass man einfach in ein anderes Land ziehen dürfe, um dort Sozialleistungen zu kassieren.

    Moderator Frank Plasberg ließ sich davon nicht entmutigen, er legte nach: In Österreich sei die Höhe des Kindergeldes an die Herkunft gekoppelt. Heißt: Wer aus einem armen Land zum Arbeiten einwandert, bekommt dorthin weniger Kindergeld überwiesen. Die EU-Kommission will das unterbinden. Ein Beispiel für Brüsseler Bürokraten-Wahnsinn?

    Zum „Brexit“ schon viel gesagt

    Auch hier winkte die Runde ab. „Dann muss man für jedes Land eine eigene Regelung finden. Das ist ein großer bürokratischer Aufwand“, senkte Laschet den Daumen. Und OB Trümper sagte: „Es wird nur noch teurer, wenn ausländische Arbeitnehmer ihre Kinder mitbringen“.

    Egal, wie man zu den Kindergeld-Zahlungen steht. Daran wird sich ganz sicher nicht das Schicksal der Europäischen Union entscheiden. Zumal es sich – verglichen mit Steuerbetrug – eher um Peanuts handeln dürfte. Zur Aufregung taugt all das nicht.

    Was bleibt also von dieser „Hart aber fair“-Ausgabe? Vielleicht am ehesten die Erkenntnis, dass zum „Brexit“ schon viel gesagt und geschrieben wurde in letzter Zeit. Die Runde lieferte wenig Neues. Wie es aber weiter geht mit Europa und der Union in politisch stürmischen Zeiten, wäre eine Debatte, die es sich zu führen lohnt – diese Chance aber hat Frank Plasberg am Montagabend verpasst.