Essen. ZDF-Zweiteiler „Der Mordanschlag“ verquickt die deutsche Geschichte mit Krimi-Elementen. Ehrgeiziges Projekt, zweifelhaft umgesetzt.

Drei Jahre war nichts geschehen. Schon gab es erste Stimmen in der Republik, von der Hoffnung diktiert, das Gespenst des RAF-Terrors habe sich endlich aufgelöst. Sei verweht im Nebel in die Jahre gekommener ideologischer Grabenkämpfe. Und dann kommt der Tag, an dem Alfred Herrhausen stirbt. Eine Bombe tötet den Chef der Deutschen Bank.

Es ist der 30. November 1989. Mit diesem Ereignis beginnt ein Film, der viel wagt. Einerseits erkämpft sich André Georgis Drehbuch zu „Der Mordanschlag“ minutiös alle Details dieser bewegten 1990er-Jahre. Sein Buch wird – etwa beim Zeitsprung zur Ermordung Detlev Karsten Rohwedders 1991 – in aller Präzision die drei Schüsse geschehen lassen, von denen der erste den Treuhand-Manager traf, der zweite seine Frau verletzte, der dritte (vorsätzlich unpräzis) dem Mobiliar galt.

Gegenentwurf zum Doku-Drama

All das ist nahezu nachrichtlich genau wiedergegeben. Zugleich aber distanziert sich der Doppelabend, der Zuschauern stramme 180 Minuten Wachsamkeit abverlangt, von einem „So war es“, wie etwa Heinrich Breloer mit der Affäre Barschel oder dem Schreckensflug nach

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verfuhr. Nein, dies ist kein Doku-Drama, es gibt keine Zeitzeugen, keine Fußnoten renommierter Historiker. Einen „Politthriller“ nennt das ZDF das Werk. Der

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-Terror ein Thriller? Ein heikler Name, wenn nicht gar eine Beleidigung für die Familien der Opfer, die man so leicht erkennt und erkennen soll, auch wenn Herrhausen Wegner und Rohwedder Dahlmann heißt.

In der Wendezeit ist der Treuhand-Chef (Ulrich Tukur) ein wichtiger, aber auch verhasster Mann. Seine neue Assistentin Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller) soll ihn für die RAF heimlich bespitzeln.
In der Wendezeit ist der Treuhand-Chef (Ulrich Tukur) ein wichtiger, aber auch verhasster Mann. Seine neue Assistentin Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller) soll ihn für die RAF heimlich bespitzeln. © ZDF und Gordon Muehle | Gordon Muehle/ZDF

Die Personen seien „frei erfunden“, beteuert der Vorspann, die Erzählung orientiere sich an „historischen Ereignissen“, „berufliche und private Konflikte“ seien die reine Fiktion. Das Unbehagen darüber, wie hier Fakten mit dramaturgischen Clous vermengt werden, es verlässt einen bis zuletzt nicht. Zugegeben: Der Plot ist – trotz erheblicher Durchhänger – für Spannungsmomente gut. Die dritte Generation der Roten Armee Fraktion, von denen nicht wenige eine ganze Weile von der Stasi geschützt wurden, schleust eine junge Frau in die Macht-Etagen der Republik.

Zu viele Zeit- und Spielebenen

Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller in einer schönen Studie aus Fragilität und dem Mut der Verzweiflung) wird Assistentin des obersten Kopfes der Treuhand. Der ist gewaschen mit allen Wassern, zugleich von Nattern umgeben: Wie ekelhaft die Wiedervereinigungsgewinnler für eine Mark pro Unternehmen zulangen, das verschlägt selbst Dahlmann die Sprache. Ulrich Tukur spielt den Charakter mit schönem Abstand zur erwartbaren Manager-Karikatur als ironiegesättigten Haudegen, der neben dem Macher tatsächlich Mensch geblieben ist.

Doch immer sind es nur Momente, Szenen, Stationen, die in „Der Mordanschlag“ gelingen. Mit zu vielen Zeit- und Spielebenen verhebt sich das Projekt auf Kosten erzählerischer Stringenz. Und nicht jede prominente Besetzung geht auf: Maximilian Brückner sah man selten so farblos wie als BKA-Mann Kawert. Apropos BKA: Die haben wenigstens Nachtsichtgeräte. Der Zuschauer könnte sie brauchen, es wird oft im Dämmerlicht agiert.

Fazit: Ehrgeiziges Projekt, zweifelhaft umgesetzt.

Montag, 5. November, ZDF, 20.15 Uhr, Teil 2 am Mittwoch