Berlin. Die zweite Staffel der Erfolgsserie „4 Blocks“ geht an den Start. Sie dreht sich um arabische Clans in Berlin. Wie realistisch ist das?

Ein schwarzer Jeep rast eine sandige Piste durch die Beeka-Ebene im Libanon entlang. Vor einer Ansammlung im Krieg zerschossener Baracken kommt das Auto zum Stehen. Ali „Toni“ Hamady, der Chef eines berüchtigten Berliner Clans, steigt aus und betet. Er ist in sein Heimatland zurückgekehrt, um mit einem einflussreichen Paten Geschäfte zu machen. Es dauert nicht lange bis zum ersten Mord.

Wenn an diesem Donnerstag die zweite Staffel der deutschen

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startet, stellt sich für den Zuschauer unweigerlich die Frage: Was ist realistisch an der Geschichte über arabische Clans im Berliner Stadtteil Neukölln – und wo beginnt die Fiktion?

Fakt ist: In Berlin gibt es derzeit etwa 20 Großfamilien mit jeweils bis zu 500 Mitgliedern. Etwa die Hälfte der Familien ist im Visier der Polizei. Allein im Stadtteil Neukölln leben zehn Clans.

Bereits in den ersten Szenen zeigt sich: In dem Bildschirm-Epos steckt viel Wahres über kriminelle arabische Clans, die in Berlin das organisierte Verbrechen in ihrer Hand haben.

• Was ist der historische Hintergrund?

Als Folge des Bürgerkriegs, der 1975 im Libanon ausbrach, kamen von dort auch nach Deutschland viele Flüchtlinge. Unter ihnen auch Mhallamiye-Kurden, die ursprünglich aus der Türkei stammen, sich aber noch vor dem Krieg im Libanon niedergelassen hatten.

Jahrelang lebten Familien der Mhallamiye als sogenannte Geduldete in Asylheimen, ihren Zugang zum Arbeitsmarkt schränkten die Behörden ein, kürzten die Sozialhilfe. Auch Kinder der Flüchtlinge waren damals nicht schulpflichtig. Und wo sich der Staat zurückzieht, bleibt die Familie. Der Clan hilft, ist soziale Absicherung.

• Der Fall der berüchtigten Familie R.

Auch die berüchtigte Berliner Familie R. gehört zur Gruppe der Mhallamiye-Kurden. Mitglieder der Familie werden unter anderem für den Einbruch ins Bode-Museum 2017 verantwortlich gemacht – Beute: eine 100 Kilo schwere Goldmünze.

Im Moment kämpfen die R.s in Berlin um die Vorherrschaft im kriminellen Milieu mit anderen arabischen Großfamilien. Es geht um Immobilien, Glücksspiel, Drogen, Prostitution. Und dabei schrecken beide Seiten auch nicht vor Körperverletzung und Mord zurück.

Jüngstes Beispiel: Im September wurde Nidal R., polizeibekannter Intensivtäter und Clanmitglied, auf offener Straße am Tempelhofer Feld mit acht Schüssen getötet. Die Polizei vermutet Streitigkeiten rivalisierender Clans als Hintergrund.

• Übergänge von Realität und Fiktion sind fließend

„Berlin gehört jetzt uns, und das ist erst der Anfang“, verkündet Ali in der TV-Serie großspurig. Schon die erste Staffel von „4 Blocks“ hatte viel Aufmerksamkeit erregt. Die fließenden Übergänge zwischen Fiktion und Realität faszinierten Zuschauer wie Kritiker gleichermaßen. Die Serie wurde geradezu überhäuft mit Auszeichnungen, darunter der Grimme-Preis und die Goldene Kamera.

Düster, brutal und melancholisch kommen da die ersten Folgen daher. Ein ums andere Mal schluckt Ali Antidepressiva und nippt am Alkohol. Es droht ein Krieg auszubrechen, Killer werden auf den Patriarchen Ali angesetzt. Und so rutscht Ali immer tiefer ab in einen Sumpf aus Drogen, Erpressung, Mord. Und das, obwohl er eigentlich von einem Leben in der Legalität als Immobilien-Mogul träumt.

• „4 Blocks“ ist sehr nah an der Wirklichkeit

Hier treffen Fiktion und Wirklichkeit ein weiteres Mal aufeinander: Erst im Juli hatten Staatsanwaltschaft und Polizei in Berlin in einer großangelegten Aktion gegen die organisierte Kriminalität Immobilien beschlagnahmt. Wieder einmal stehen also arabischstämmige Großfamilien, die vor allem in Neukölln aktiv sind, im Mittelpunkt der Ermittlungen.

Martin Hikel (SPD), Bezirksbürgermeister von Neukölln, sagt: „4 Blocks ist offensichtlich sehr nah an der Realität des kriminellen Clanlebens in Berlin. In diesem Jahr wurden 77 Immobilien durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Kriminelle Clans versuchen, ihr illegales Geld zu legalisieren. Aber der Staat macht deutlich, dass der illegale Weg steinig ist und wir stärker sind.“

Fazit: „4 Blocks” ist eben gut ausgedacht – aber beileibe keine reine Fantasie.

„4 Blocks“, donnerstags um 21 Uhr bei TNT Serie, abrufbar über Sky Ticket. DVD und Blu-ray erscheinen am 3. Dezember. Anfang 2019 läuft die Serie bei ZDFneo. (nku/W.B.)