Berlin. Bei Frank Plasberg ging’s ums Geld. Beim Thema Steuern zeigen die Volksparteien, dass sie sich doch noch unterscheiden – gut so!

Der Bierdeckel lebt. Und sein Erfinder hat in der Union tatsächlich noch Fans. 2003, auf dem Leipziger Parteitag, überzeugte der Finanzexperte Friedrich Merz (CDU) seine Partei von einem Steuersystem, das so einfach sein sollte, dass jeder Bürger seine Steuerlast auf einem Bierdeckel hätte ausrechnen können. Carsten Linnemann, der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, ist noch heute von den Merz’schen Reformvorschlägen begeistert und zeigte das bei „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg im Ersten.

Marktwirtschaft pur, ein schlanker Staat, endlich runter mit den Steuern – das ist es, was Linnemann gefällt. Der 41-jährige Politiker trat am Montagabend als das ordnungspolitische Gewissen seiner Partei im ARD-Talk auf.

„Der Staat schwimmt im Geld – aber warum haben die Bürger so wenig davon?“, fragte Moderator Frank Plasberg seine klug ausgewählte Runde, in der neben Linnemann noch der ehemalige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch, Reiner Holznagel vom Bund der Steuerzahler und die Steuerberaterin Reina Becker saßen. Die Diskussion bot einige Erkenntnisse – vor allem für all jene, die sich beklagen, dass die Unterschiede zwischen den Volksparteien immer mehr verwaschen, dass Union und SPD quasi eins sind.

Leidenschaft, die in der Union oft fehlt

Besonders Linnemann macht den Unterschied. Auch wenn er in seiner Partei oft auf verlorenem Posten steht („Vielleicht habe ich manchmal zu wenig Mitkämpfer, aber ich kämpfe“), argumentierte er doch mit einer Leidenschaft für seine Positionen, die man sich auch von anderen Unionsabgeordneten wünschen würde. Linnemann erklärte die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für eine Frage der Glaubwürdigkeit („Der Soli muss endlich abgeschafft werden“), ärgerte sich darüber, dass Politiker noch immer nicht in die Rentenkassen einzahlen und forderte eine breite Entlastung für die Steuerzahler – und zwar für alle.

Den Gegenpart in der Runde übernahm der SPD-Politiker Norbert Walter-Borjans, der in seinem aktuellen Buch mit der Steuermoral des Landes abrechnet. Unter Walter-Borjans kaufte NRW sogenannte Steuer-CDs im großen Stil, die viel Geld in die öffentlichen Kassen spühlten. Der Sozialdemokrat hält wenig davon, Gutverdiener zu entlasten. Auch die „schwarze Null“, also ein ausgeglichener Bundeshaushalt, scheint für Walter-Borjans ein weniger wichtiges Ziel zu sein – zumindest dann nicht, wenn die Zinsen wieder steigen und die Konjunktur sich eintrübt.

Der eine für mehr Markt, der andere für mehr Staat

Wo Linnemann für Entlastung warb, wollte Walter-Borjans die Überschüsse lieber verwenden, um zu investieren. Der eine plädierte für mehr Markt, der andere für mehr Staat. Zumindest in Ansätzen lieferten Sozial- und Christdemokraten in Frank Plasbergs Runde wieder unterschiedliche Modelle, wie das Land in Zukunft regiert werden soll. Das tat der Debatte nur gut.

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    Da ist es auch verzeihlich, dass Frank Plasberg das Thema Staatsfinanzen doch etwas weit fasste. Von vergammelten Schultoiletten und bröckelnder Infrastruktur über technokratische Ausführungen zum Ehegattensplitting bis hin zur Steuerverschwendung einzelner Kommunen presste die Redaktion alles in 75 Minuten Sendezeit. Ein so breiter Abriss gelingt selten.

    Frank Plasberg kann sich bei seinen Gästen, allen voran bei Carsten Linnemann und Norbert Walter-Borjans, bedanken, dass die Diskussion nicht chaotisch wurde, ein ansprechendes Niveau hielt. Vielleicht sollte in Zukunft wieder öfter über Steuerpolitik auf dem Bierdeckel gesprochen werden.