Berlin. Bei Anne Will nannte Grünen-Politiker Hofreiter ein überraschendes Wunschdatum für einen Kohleausstieg. Doch der liegt in der Ferne.

Hätte Anne Will diesen einen Gast nicht erst nach mehr als der Hälfte der Zeit in die Talkrunde einbezogen, wäre es in der Debatte vielleicht weniger hitzig, weniger persönlich und weniger laut geworden.

Vielleicht wäre sie schon früher lösungsorientiert dahergekommen. Man hätte es ihr jedenfalls gewünscht.

Anne Will hatte am Sonntagabend wortstarke Politiker in ihrer Sendung zusammengebracht:

  • Armin Laschet (CDU)
  • Christian Lindner (FDP)
  • Anton Hofreiter (Bündnis90/Die Grünen)

Alle Drei nicht dafür bekannt, sich zu verstecken.

Anne-Will-Talkrunde konnte nicht miteinander

Das Thema: „Der Streit um den Hambacher Forst“.

Die Sendung war erst wenige Minuten alt, als klar war, wer in dieser Talkrunde so gar nicht miteinander kann. Da war auf der einen Seite NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Und auf der anderen Antje Grothus von der Initiative „Buirer für Buir“, die sich in kohlekritischen Gruppen engagiert.

Beide dürfte seit einigen Wochen kein anderes Thema als der Hambacher Forst umtreiben. Dementsprechend emotional aufgeladen und erhitzt trafen sie aufeinander.

Armin Laschet weist Schuldzuweisung von sich

„Ich kann ja verstehen, dass es Spaß macht zu personalisieren“, stellte Armin Laschet irgendwann ironisch und sichtlich verärgert fest. Dass angebliche Gefahren für die Bewohner die Räumung der Baumhäuser rechtfertigen sollen, hielt sie für eine „absurde Begründung“.

Laschet selbst habe den Weg für eine Rodung frei gemacht und sich zur Kohle bekannt, was nicht im Einklang mit den

stehe. Er als „Landesvater“ habe die Verantwortung, einen solchen Schaden von seinen Bürgern fernzuhalten.

Dem CDU-Politiker gingen die persönlichen Schuldzuweisungen zu weit. Er nutzte daraufhin die Gelegenheit, um den schwarzen Peter an die Vorgängerregierung in NRW, bestehend aus SPD und Grünen, weiterzugeben.

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Die Rodung der größeren Flächen des Waldes hätten sie damals einfach zugelassen. „Dieser plötzliche Meinungswechsel – das ist für mich nicht glaubwürdig.“ An Antje Grothus Meinung änderte das Argument aber wenig. Sie schob die Verantwortung weiter Laschet zu, der irgendwann nur noch genervt entgegnete: „Sie müssen nicht immer mich anschauen.“

Lindner: Bevölkerung soll mitentscheiden

Nein, denn zum Glück waren neben den beiden Streithähnen auch noch andere Gäste im Studio von Anne Will. Zum Beispiel Christian Lindner, Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, der wohl gerne eine grundsätzlichere Debatte zu Gerichtsurteilen hatte führen wollen. „Wir haben von rechts und links eine Infragestellung von Urteilen“, kritisierte er.

Gebe es ein Urteil – wie etwa im Fall Hambach -, müsse die Regierung dieses unverzüglich umsetzen. An der Verlässlichkeit aber mangele es derzeit in Deutschland.

Sein Vorschlag: Bei Großprojekten solle künftig die Bevölkerung entscheiden dürfen und danach müsse es Planungssicherheit geben.

Anton Hofreiter: „Handeln Sie, Herr Laschet!“

Vielleicht hatte sich Christian Lindner von diesem Vorstoß mehr erhofft. Letztlich führte er zu weit weg, als dass in dieser Runde jemand darauf hätte eingehen wollen. Stattdessen aber witterte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, seine Chance, die anderen Gäste auf verbindliche Aussagen festzunageln.

Anlass dafür war, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) versicherte, in der

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einen Kompromiss finden zu wollen und auch an den Klimazielen arbeiten zu wollen.

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    Armin Laschet kündigte zudem an, man müsse „Arbeit und Umwelt versöhnen.“ Hofreiter wurde daraufhin konkret: „Handeln Sie, Herr Laschet! Schlagen Sie gleich ein: Wir steigen aus der Braunkohle aus.“

    Als Laschet noch ein Ausstiegsjahr wissen wollte, wurde es für Hofreiter kurz unangenehm. 2030 nannte der Grünen-Politiker. Laschet konnte darüber nur lachen: „Die Grünen wollen noch zwölf Jahre Braunkohle abbauen. Dann sie sind Sie auch Kohlepartei, Herr Hofreiter.“

    Tausende Menschen demonstrieren in der Nähe des Hambacher Forsts zum Thema „Wald retten! Kohle stoppen!“ gegen die Rodungspläne von RWE für den Wald.
    Tausende Menschen demonstrieren in der Nähe des Hambacher Forsts zum Thema „Wald retten! Kohle stoppen!“ gegen die Rodungspläne von RWE für den Wald. © dpa | Christophe Gateau

    Irgendwann kam dann der Moment, als Anne Will endlich dem letzten Gast in der Runde das Wort erteilte: Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie. Er brachte nicht nur Ruhe in die Diskussion, sondern mahnte auch die Art und Weise an, wie die anderen Talkgäste miteinander sprachen.

    Ihn störe „diese Leichtigkeit, mit der über Zahlen und über die Zukunft von Menschen entschieden“ werde. Komme die Arbeit im Tagebau zum Stillstand, könnten schließlich 4600 Menschen ihren Job verlieren.

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    Erstaunlich aber war, dass sich Michael Vassiliadis bei

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    nicht damit aufhielt, nur die Interessen seiner Bergleute widerzugeben. Stattdessen sprach er die Energiewende an – und tat damit etwas, was die anderen in der Runde traurigerweise versäumt hatten.

    „Wir bauen die Energien aus, ohne die Netze zu haben. Wir bauen ja auch keine Autos ohne Straßen. Hätten wir die Netze, gehe es auch schneller mit dem Kohleausstieg“, betonte Vassiliadis und fuhr eindrucksvoll fort: „Die

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    ist doch ein Megaprojekt. Das ist kein Wahlkampfthema. Das betrifft die Grundlagen unserer Gesellschaft. Das ist doch nicht trivial.“

    Statt um einen einzelnen Fall wie den Hambacher Forst oder um persönliche Schuldzuweisungen ging es danach immerhin etwas grundsätzlicher um die Energiewende. Das Schlusswort hatte nichtsdestotrotz Michael Vassiliadis, der Aufbruchsstimmung verbreitete.

    „Wir dürfen nicht nur vom Abschalten reden. Wir müssen darauf schauen, was Deutschland gut kann. Wir müssen in die Energiewende investieren und wir brauchen Innovationen.“ Mehrfaches Nicken bei Christian Lindner. Da gab es auch vom FDP-Chef nichts mehr hinzuzufügen.

    Die komplette Sendung von Anne Will finden Sie hier in der ARD-Mediathek.