Berlin. Der Besuch des türkischen Präsidenten in Deutschland erregt die Gemüter. Auch Maybrit Illners Runde fragte: Was will Erdogan?

Aus der Opposition heraus, das ist das Schöne, lässt sich vieles fordern. Das weiß auch Christian Lindner. Der FDP-Chef meint, dass es an der Zeit sei, andere Seiten gegenüber der Türkei aufzuziehen. Endlich mal auf den Tisch hauen, klare Kante zeigen. „Es muss Schluss sein mit den EU-Beitrittsgesprächen“, sagte Lindner am Donnerstagabend bei Maybrit Illner.

Das waren Gäste von Maybritt Illner:

  • Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag
  • Sevim Dagdelen, Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag
  • Christian Lindner, FDP-Chef
  • Cigdem Akyol, Autorin u.a. „Erdogan: Die Biografie“
  • Kemal Capaci, deutsch-türkischer Mediendesigner
  • Erdal Yalcin, Professor für Internationale Beziehungen

Anlässlich des Staatsbesuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayip Erdogan in Deutschland fragte die ZDF-Moderatorin: „Gekaufte Freundschaft – müssen wir der Türkei helfen?“.

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Die Krise beim Nato-Partner ist nicht zu leugnen: Die türkische Wirtschaft taumelt einer Rezession entgegen. Die Inflation erreicht immer neue Höchststände. Ankara ist auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen.

Erdogan schlägt milde Töne an

Kein Wunder also, dass Erdogan im Vorfeld via FAZ versöhnliche Töne gegenüber Deutschland anschlägt (den gesamten Beitrag in der FAZ finden Sie hier). Kein Wort mehr von „Nazi-Methoden“, die er der Bundesrepublik noch im vergangenen Jahr vorhielt. Doch muss man dem türkischen Präsidenten gleich den roten Teppich ausrollen?

Christian Lindner und Sevim Dagdelen (Linke) haben jedenfalls keine Lust, am Staatsbankett mit Erdogan teilzunehmen. „Ich will kein Statist dabei sein“, sagte Dagdelen, die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag ist.

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. „Es ist ein Dinner und kein Dialog“, sagte sie.

Die Linke-Politikerin Sevim Dagdelen (l.) und Norbert Röttgen (CDU) über ihre Erwartungen an Präsident Erdogan.
Die Linke-Politikerin Sevim Dagdelen (l.) und Norbert Röttgen (CDU) über ihre Erwartungen an Präsident Erdogan. © ZDF/Jule Roehr | ZDF

Auch Lindner hält das Bankett für übertrieben, ein formaler Arbeitsbesuch hätte gereicht. „Ich will Herrn Erdogan nicht mit Champagner zuprosten“, so der FDP-Chef. Da die Türkei auf dem Weg in eine Präsidial-Diktatur sei, dürfe der türkische Staatschef nicht auch noch hofiert werden.

Doch was folgt politisch aus dem Besuch des Präsidenten? CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte, dass Erdogan nur dann mit Zugeständnissen rechnen könne, wenn er von seinem autoritären Kurs abrücke. FDP-Chef Lindner warnte davor, die eigenen europäischen Werte zu verraten.

Falsche Zugeständnisse seien „ein Schlag ins Gesicht der demokratischen Opposition in der Türkei“. Für Lindner ist klar, dass diese Türkei keinen Platz in der EU hat. Die

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sind faktisch ohnehin ausgesetzt. Doch ob ein formales Aus den demokratischen Kräften in der Türkei wirklich helfen würde, ist zweifelhaft.

Dass Erdogan mildere Töne in einem FAZ-Beitrag gegenüber Deutschland anschlug, hielt die Journalistin Cigdem Akyol für wenig glaubwürdig. „Er kommt hierher, um Stimmen für die Kommunalwahl im nächsten Jahr einzufangen“, sagte sie. Mit dem FAZ-Artikel wollte er seinen Landsleuten zeigen: Seht her, ich bin hier.

Journalistin Cigdem Akyol: Erdogan kommt, um Stimmen für die Kommunalwahl im nächsten Jahr einzufangen.
Journalistin Cigdem Akyol: Erdogan kommt, um Stimmen für die Kommunalwahl im nächsten Jahr einzufangen. © ZDF/Jule Roehr | ZDF

Erdogan-Versteher kommt zu Wort

Ein Erdogan-Fürsprecher fehlte diesmal in Illners Runde, dafür sprach die Moderatorin am Stehtisch mit dem deutsch-türkischen Mediendesigner Kemal Capaci, der in Köln lebt. Auch dort wird Erdogan erwartet, um die umstrittene Ditib-Moschee zu eröffnen.

„Ich freue mich auf seinen Besuch“, sagte Capaci, der sich selbst nicht als „Fürsprecher“ des Präsidenten bezeichnete. Das kurze Gespräch mit Capaci zeigte aber einmal mehr, wie weit sich Erdogan-Kritiker und Versteher voneinander entfernt haben.

Erdogan repräsentiere das türkische Volk, das einen starken Mann wolle. Wo da das Problem sei, fragte Capaci. Habe Deutschland nicht genug eigene Probleme, um die es sich kümmern könne? Er jedenfalls habe zwei Präsidenten: Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Erdogan. Eine Abstufung zwischen dem Demokraten Steinmeier und Autokrat Erdogan nahm er nicht vor.

Erdogan beginnt heftig kritisierten Staatsbesuch in Deutschland

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    Deutschland kein tolerantes Land?

    So wie Capaci dürften viele Deutsch-Türken denken. Als eine mögliche Erklärung dafür nannte FDP-Chef Lindner Kränkungen, die Deutsch-Türken erfahren haben. „Viele türkische Mitbürger werden nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie zu viele ‚ü‘ im Namen haben“, so Lindner. Deutschland sei vielleicht doch nicht so tolerant, wie man es immer glaube.

    Schade, dass dieser Gedanke nicht vertieft wurde. Doch weil Illner noch den Wirtschaftswissenschaftler Erdal Yalcin in die Sendung bat, blieb keine Zeit mehr, tiefer nach den Ursachen für Erdogans Popularität bei vielen Deutsch-Türken zu suchen.

    Der Ökonom Yalcin nannte die Situation in der Türkei „dramatisch“ und sagte, dem Land müsse geholfen werden. Allein schon deshalb, damit der Flüchtlingsdeal weiter bestehe.

    Hilfe, darin war sich Illners Runde einig, könne es geben. Aber eben nicht um jeden Preis.

    Die komplette Sendung gibt es hier in der ZDF-Mediathek zu sehen.