Berlin. Während Deutschland über Chemnitz debattiert, versuchen sich Plaßbergs Gäste mit Kritik am Billig-Tourismus. Mit mäßigem Erfolg.

Sie wollen sich Ihren Sommerurlaub im Nachhinein nicht vermiesen lassen? Dann lesen Sie am besten nicht weiter. Es sei denn, Sie haben sich in den Zug statt ins Flugzeug gesetzt und sind in ein Naherholungsgebiet gereist statt nach Venedig, Mallorca oder Amsterdam.

Nicht? Nun denn, Sie waren gewarnt. Also: Während alle Talkshows des Landes sich dieser Tage

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an ein hohes Gut der Deutschen: an ihren Urlaub.

Und gleich zu Beginn präsentierte Plaßberg Fotos von übervölkerten Stränden in Bulgarien oder auf Mallorca. Bilder, die sich in das schlechte Gewissen der Zuschauer einbrennen sollten.

Die Gäste:

• Dirk Schümer (Europakorrespondent „Die Welt“, lebt in Venedig)

• Manuel Andrack (Autor und Journalist)

• Sweelin Heuss (Sprecherin von Greenpeace e.V.)

• Matthias Distel alias „Ikke Hüftgold“ (Party-Schlagersänger)

• Karl Born (ehem. Vorstandsmitglied von TUI; Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz)

• Matthias Morr (Journalist; Gründer des YouTube-Kanals „Schiffstester“)

Feindbild Tourist

Dieses Jahr gar keinen Urlaub am Strand gemacht? Dafür hat „Welt“-Europakorrespondent und Wahl-Venezianer Dirk Schümer eindrucksvolle Beschreibungen von Venedigs Fischmarkt im Koffer: Vor 8 Uhr können dort er und seine Frau mit dem Verkäufer noch über den Preis für einen Schwertfisch feilschen. Ab neun tippen ihm schon die ersten Touristen auf die Schulter – sie wollen ein Selfie mit dem Fisch machen. Dann steht er im Weg.

Auch im Winter bleibt ihm das Gedränge nicht erspart: „Es gibt keine Nebensaison mehr.“ Der letzte Mohikaner Venedigs hat die Nase voll von „2000, 3000 Chinesen“ die jetzt durch die Innenstadt strömen: „Es ist über das Maß, wie man es gut aushalten kann.“ Er findet, dass sich Städte endlich gegen Massentourismus wehren sollten. Sonst ist bald Schluss mit den Eindrücken vom authentischen Leben der Einheimischen. Feindbild Tourist.

Kein Freibier, keine Medien

Schlagersänger „Ikke Hüftgold“, im bürgerlichen Leben Matthias Distel, hat jahrelang vom Massentourismus profitiert. Eigentlich sollte man meinen, dass der Künstler, bekannt für Hits wie „Dicke Titten Kartoffelsalat“, ein Herz für Touristenmassen haben müsste. Dem „Bierkönig“ auf

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haben Gäste seinetwegen „die Bude eingerannt“. Doch der gibt sich überraschend kritisch.

Hat die „Hart aber fair“-Redaktion mit dem Sinneswandel vor der Sendung gerechnet? Eine Konfliktlinie zwischen ihm und Schümer sucht man vergeblich: „Vor neun Jahren auf dem Ballermann, da haben die Leute auch gefeiert, aber die Massen waren nicht da. Jetzt haben wir über zehn Millionen Touristen. Das hält die Infrastruktur nicht aus.“

Denn jetzt schlafen die Touristen schon auf den Stränden, um Geld zu sparen. Der Hin- und Rückflug von Deutschland nach Mallorca für 58 Euro macht’s möglich, erklärt Plaßbergs Einspieler.

Seine Töchter schämen sich, erklärt Sänger Distel. Ja, auch für die Lieder des Vaters, die er tatsächlich nüchtern komponiert, aber auch für sein früheres Leben als Gallionsfigur des billigen Massentourismus. Die Zeiten sind allerdings vorbei. Jetzt arbeitet Distel in Bulgarien als Partysänger mit Verantwortung. Das heißt: „Kein Freibier mehr und kaum Kontakt mit Medien“, damit der Partysektor nur langsam wachse. Schümer nickt dem Reumütigen wohlwollend zu.

Greenpeace-Sprecherin fordert Kerosin-Steuer

Spätestens jetzt reicht es dem ehemaligen Vorstandsmitglied von Reiseveranstalter TUI, Karl Born. Die Pauschalisierung des Pauschalurlaubs werfe ein falsches Licht, auch auf sehr beliebte Reiseziele: „Auf Mallorca gibt es kilometerweite Strände, die frei sind.“

Aber ja, sogar Born hat Verständnis für genervte Anwohner, ein bisschen: „Touristen haben Stress, genau wie Einheimische. Die Hotspots sind begrenzt. Soll man aber jetzt den Leuten Vorschriften machen?“ Für alle Sehenswürdigkeiten gebe es städtische Genehmigungen für die Reiseveranstalter, die Touren für hunderte Reisende planen: „Man kann nicht beides wollen, das Geld der Touristen und leere Städte.“.

Greenpeace-Sprecherin Sweelin Heuss weiß dagegen genau, was sie will: Ein Ende der Billig-Fliegerei, eine Steuer für Kerosin und eine bewusstere Wahl des Reiseziels: „Müssen so viele Menschen einmal in der Antarktis gewesen sein?“ Politik sollte da eingreifen, um umweltgerechteren Urlaub zu gestalten.

„Wir haben jährlich 1,3 Milliarden Touristen, die Urlaub machen“, die Völkerwanderung erscheine da wie ein kleiner, süßer Ausflug. Aber auch Heuss ist keine Spielverderberin: „Jeder hat das Recht auf Urlaub“.

Obergrenze für Touristen gefordert

Die Greenpeace-Sprecherin selbst hat Urlaub in den Alpen gemacht. Die sind mit dem Zug erreichbar und auch schön. Aber sogar österreichische und deutsche Städte leiden unter Massentourismus.

Plaßbergs Video liefert den Beweis: Das bayrische Passau ist nicht wiederzuerkennen. Menschen, die jahrelang in der Innenstadt gelebt haben, weichen an den Rand der Gemeinde aus. Die unerschwinglichen Mieten, gepusht vom anhaltenden Tourismus, zwingen viele Bürger dazu. Da wo früher einmal ein Metzger stand, verkauft ein Touristenshop heute aufblasbare Gummi-Brezeln.

Im Plaßberg-Kabinett sprechen die Gäste derweil über eine Touristen-Obergrenze. So wie zum Beispiel in Thailand: Dort dürfen manche Buchten für Monate nicht besucht werden, damit sich die lokale Flora und Fauna erholen kann. Auch Mallorca will die Zahl der Gästebetten um 100.000 reduzieren und in Italien gibt es feste Startzeiten für bestimmte Wanderwege. Zu viele Urlauber für zu wenige Sehenswürdigkeiten.

Fazit

Kaum Kontroversen und keine richtige Debatte. Die meisten Diskutanten sind sich einig, dass Urlaub wichtig ist, aber jeder auch bewusster reisen sollte. Eine schwache Erkenntnis nach über 75 Minuten Talk. Der Zuschauer bleibt zurück, mit dem Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.

Wie der Pauschalurlauber seine Reisen zukünftig umweltfreundlicher gestalten soll, ohne dabei Einheimische und andere Touristen zu stören, bleibt somit auch am Ende ungeklärt. Das liegt auch daran, dass die kurzen Diskussionen bei „Hart aber fair“ zahm blieben.

Da hilft es nicht einmal, dass Frank Plaßberg gegen Ende der Sendung Matthias Morr in die Gruppe mit aufnimmt. Der YouTuber und Influencer hat 200.000 Follower und wird von Kreuzfahrt-Veranstaltern regelmäßig eingeladen, um über ihre Schiffe zu berichten. Für den Urlaub zahlt er keinen Cent.

Aber außer Greenpeace-Aktivistin Heuss lässt sich niemand so richtig mit dem Neuen ein. Warum er die Reedereien nicht mit dem giftigen Ausstoß der Schiffe konfrontiere, will sie wissen: „Sie können sich das trauen und fragen.“ Doch Morr traut sich nicht und verweist auf die AIDA Nova. Ein neues Schiff, das mit Flüssiggas betrieben wird. Kritische Fragen gelobt Morr dann zu fragen, wenn es die Leute irgendwann auch wirklich interessiert, was so ein Schiff für Abgase absondert.