Hamburg. Kinder lieben mobile digitale Geräte. Sender wie Super RTL und KiKa bieten ihnen nun immer mehr Apps mit interaktiven Angeboten an.

Vor ein paar Jahren erzählte Edmund Stoiber, der ja nicht nur bayerischer Ministerpräsident war, sondern auch Vorsitzender des Beirats von ProSiebenSat.1 Media ist, eine Anekdote, um die Dramatik des digitalen Wandels zu veranschaulichen: In deren Mittelpunkt stand seine damals zwei Jahre alte Enkelin. Sie entdeckte eines Tages eine Zeitung, in der auf einem Foto ihr Großvater abgebildet war. Sie nahm die Zeitung und drückte auf dem Foto mit ihren kleinen Fingern herum. Doch nichts passierte. Kurze Zeit später ließ sie enttäuscht von der Zeitung ab und sagte: „Opa kaputt.“

Seine Enkelin hatte Fotos des einstigen Politikers bisher vor allem auf Displays von Smartphones und Tablets gesehen. Die lassen sich nach Belieben klein- und großziehen. Zeitungen waren ihr dagegen weitgehend unbekannt.

23 Prozent der Sechsjährigen besitzen ein Handy

Die heutige Generation der Kinder und Jugendlichen ist die erste, die digitale Geräte quasi von Geburt an kennt.

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Schon 23 Prozent der Sechsjährigen besitzen ein Handy. Bei den 13-Jährigen liegt dieser Wert bereits bei 93 Prozent. Das geht aus der am Dienstag vorgestellten „Kinder-Medien-Studie“ von 2018 hervor.

Von der Bedeutung des Smartphones für seine Zielgruppe ist auch der Geschäftsführer des Kindersenders Super RTL, Claude Schmit, überzeugt. Er hat deshalb seinem TV-Kanal eine neue Strategie verordnet. Super RTL versteht sich nicht mehr als Kindersender, sondern als Plattform, die Inhalte für Kinder in unterschiedlichen Kanälen ausspielt. Unter ihnen ist das traditionelle Fernsehen nur einer, wenn auch kein unwichtiger.

Bewegtbild-Inhalte auf Videoportalen beliebt

Allerdings liegt der Fokus von Super RTL im Rahmen der neuen Strategie derzeit auf mobilen Inhalten für das Smartphone. Allein sechs Apps hat Super RTL in Planung oder erst vor Kurzem freigeschaltet. Das Angebot reicht von „WoodieHoo“, einer Spiele-App für Vorschulkinder, über Apps zu TV-Formaten – wie der „Super Toy Club“ oder das Wissensmagazin „Woozle Goozle“ – bis hin zu Pop Shake, einem am ehesten mit Insta­gram vergleichbaren sozialen Netzwerk für Kinder. Letzteres, versichert Schmit, soll sich vor allem „durch maximale Sicherheit und Datenschutz“ auszeichnen.

Zudem hat Super RTL ein sogenanntes Web-Content-Studio geschaffen, in dem ausschließlich Inhalte für digitale Kanäle produziert werden. Bereits 2015 hatte der Sender die Video-Online-Plattform Kividoo gegründet, eine Art

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für Kinder zum Preis von 7,99 Euro im Monat. Sehr wichtig ist Schmit, dass die Super-RTL-Angebote auch bei der Videoplattform YouTube vertreten sind. Laut der „Kinder-Medien-Studie“ schauen 35 Prozent der 13-Jährigen sich mehrmals pro Woche auf Videoportalen Bewegtbild-Inhalte an.

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    Digitale Inhalte sind „der Normalfall“

    Von einer speziellen Digital-Strategie seines Hauses möchte Schmit dennoch nicht sprechen. Ihm ist der Begriff „Unternehmensstrategie“ lieber, denn das Digitale sei bei Super RTL nichts Besonderes mehr, sondern „der Normalfall“. Insofern wäre es ihm ganz recht, sollte sein Digital-Chef Boris Bolz, den er vor nicht mal einem Jahr vom Multi-Channel-Netzwerk Mediakraft losgeeist hatte, seinen eigenen Job eines Tages abschaffen. Bolz sei ja auch noch Marketing-Chef.

    Ähnliche Wege beschreiten die Wettbewerber von Super RTL. Nickelodeons Programmdirektor Steffen Kottkamp versteht seinen Kanal als „spielerischen Ort – im TV und überall sonst“. Auch er verweist auf die Apps seines Senders. Der Chef des Disney Channels, Thorsten Braun, freut sich, dass seine „Disney Channel“-App „schon mehr als 3,5 Millionen mal“ heruntergeladen wurde. Dort seien „schon jetzt vermehrt exklusive“ Inhalte zu sehen.

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      Neue Mediathek-App von Kika

      Der öffentlich-rechtliche KiKa schließlich stellt am 20. August seine neue Mediathek-App vor, die ab Herbst in den App-Stores verfügbar sein wird. Die kürzlich gestartete „KiKaninchen“-App für Vorschulkinder sei schon jetzt ein „Erfolg“, sagt eine Sprecherin. Selbstverständlich erwarteten auch „die etwas Älteren, die Preteens, auf ihren mobilen Geräten die Verfügbarkeit von Inhalten“. Ob sich ihr Haus „als Medienanbieter für Kinder, als Plattform oder Sender“ bezeichne, sei letztlich egal, da es um Inhalte gehe.

      Obwohl laut der „Kinder-Medien-Studie“ von 2018 „das digitale Spielen auf Tablet, Smartphone oder Computer mit zunehmendem Alter wichtiger wird“, wollen die Sender aber auch die ganz jungen Digital-User nicht vernachlässigen. Bei der Entwicklung von Apps für Kinder, die noch nicht zur

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      gehen, sehen sie sich aber mit einem besonderen Problem konfrontiert: Sie müssen eine Benutzerführung entwickeln, die ganz ohne Schriftsprache auskommt, weil ihre Nutzer in der Regel ja noch nicht lesen können. Diese Herausforderung ist zugleich eine Chance: Super RTL gelang es, seine App „WoodieHoo“ für Vorschulkinder auch nach Großbritannien zu verkaufen, da es in diesem Fall keine Sprachbarriere gibt.