Berlin. “Wo endet die Toleranz gegenüber dem Islam?“, fragte Maischberger. Es ist so, als würden die Talkshows kein anderes Thema mehr kennen.

Talkshows haben es derzeit mehr denn je auf die Themen Flüchtlinge und Islam abgesehen. Nachdem sich

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der Kriminalität von Migranten gewidmet hat, zog Sandra Maischberger am Donnerstagabend nach.

„Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?“, lautete das Thema ihrer Runde, die sich in der ARD an die Verfilmung von Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ anschloss. Zu Beginn ging es dabei um die Frage, wie realistisch das Szenario ist, bei dem ein moderater Muslim zum französischen Präsidenten gewählt wird.

Droht die Islamisierung von Deutschland?

Die Antwort von

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Gästen fiel beinahe einhellig aus. „Ich habe keine Angst vor einer Islamisierung in Deutschland“, sagte exemplarisch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Anders positionierte sich nur Necla Kelek. „Wer hätte gedacht, dass mal jemand wie Erdogan in der Türkei regiert – und viele Menschen hierzulande ihm zujubeln“, sagte die Soziologin. Sie halte daher auch die Fiktion von Unterwerfung nicht für abwegig.

Haluk Yildiz zeigte Verständnis für die Ängste. Diese seien größtenteils mit Kommunikationsproblemen zu erklären, sagte der Chef der Migrantenpartei BIG. Allerdings habe sich die Gesellschaft bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001 nicht sonderlich für Muslime interessiert. „Heute werden die Muslime stigmatisiert.“

Ein starker Glaube irritiert

Doch woher rührt diese Haltung? Der „Spiegel“-Autor Jan Fleischhauer erklärte sie mit dem schwierigen Verhältnis der Deutschen zur Religion. „Ein Teil des Unbehagens ist, dass die Muslime noch an etwas glauben“, sagte er. „Wir haben ein homöopathisches Christentum: Ein bisschen Greenpeace und Kreuz.“

Ein Problem mit dem Christentum sieht Fleischhauer insbesondere bei der AfD – also ausgerechnet bei jener Partei, die in Teilen vorgibt, für das „christlich-jüdische Abendland“ zu streiten. „Die AfD hat große Schwierigkeiten mit dem Christentum“, sagte Fleischhauer. Das gelte erst Recht für Pegida, dessen Anhänger keine Ahnung von der Religion hätten. „Man war ja froh, dass die die Kreuze nicht falschrum gehalten haben“, lachte Fleischhauer.

Falsche und richtige Symbole

Intensiv diskutiert wurde auch, wie viel Toleranz gut ist. Yildiz etwa argumentierte, dass es doch ok sei, in

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zu verzichten oder Alternativen anzubieten – wenn alle einverstanden seien. Klöckner wiederum kritisierte, dass manche männliche Muslime Frauen nicht die Hand schütteln wollen und sah einen Hinweis auf eine frauenverachtende Haltung.

Erhellend war dazu die Sicht der taz-Journalistin Bettina Gaus, die dafür warb, klar zu differenzieren. Muslimische Väter die nicht mit Lehrerinnen sprechen wollen? Geht gar nicht! Ein verweigerter Handschlag? „Das Bedürfnis nach Handschlag ist erst dann hochgekocht, als es plötzlich zum Symbol wurde“, befand Gaus. Überhaupt gebe es eine Tendenz, über sinnlose Symbole das Misstrauen gegen Muslime zu schüren, warnte sie.

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    Die alte These vom politischen Islam

    Necla Kelek wertete das Beispiel des Handschlags dagegen als Indiz für die insbesondere in rechten Kreise verbreitete These, wonach der Islam eigentlich keine Religion, sondern ein politisches Instrument ist. „Die Frau ist eigentlich Eigentum des Mannes“, sagte Kelek. Daher solle es auch keinen Handschlag mit anderen und am besten auch keine Begegnungen im öffentlichen Raum geben.

    Dem widersprach der Politiker Yildiz. Fundamentalistische Auslegungen würden im weitverbreiteten Islam nur einen Bruchteil ausmachen, argumentierte er. Zwangsverheiratungen etwa seien verboten. „Sie verbreiten Lügenpropaganda“, attackierte er Kelek.

    Der Spruch des Abends...

    ...kam von der Gastgeberin selbst. Als Gaus ausrief, dass einiges durcheinandergehe, antwortete Maischberger trocken: „Wie immer.“

    Das Fazit

    Die ARD musste für die Taktung von Unterwerfung und „Maischberger“ einige Kritik einstecken. Diese hat sich nach der Ausstrahlung bestätigt: Während beide Beiträge für sich genommen völlig unproblematisch waren, wirkten sie im Zusammenspiel wie eine reißerische Einladung: „Was eben gezeigt wurde, könnte tatsächlich passieren – also lasst uns diskutieren!“

    Die programmplanerische Konstruktion war allerdings auch abseits davon schief. Denn wo Houellebecq seine rechte Angstvision immerhin mit einiger Satire vermengt, fehlten diese Elemente in der „Maischberger“-Debatte natürlich. Themenabende, das zeigt dieses Beispiel, sind nicht per se eine kluge inhaltliche Strategie.

    Zur Ausgabe von „Maischberger“ in der ARD-Mediathek.