Berlin. Anne Will diskutiert mit ihren Gästen über Fehler im Asylsystem. Die Idee der Ankerzentren sorgt für Kopfschütteln – außer bei der AfD.

Die Geschichte, die der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland so gern erzählt, lautet in etwa so: 1,4 Millionen Flüchtlinge sind in den letzten Jahren illegal ins Land gekommen, der Staat habe die Kontrolle verloren – über seine Grenzen, über die Sicherheit und letztlich auch über das Vertrauen in der Bevölkerung.

Diese Geschichte bot Gauland auch am Sonntagabend bei Anne Will an, als es eigentlich um „Die Bremer Asyl-Affäre – Systemfehler oder Einzelfall?“ gehen sollte. Doch der AfD-Politiker war eben mal wieder schnell beim Grundsätzlichen: Letztlich sei die Politik der Bundeskanzlerin verantwortlich für falsche Asylbescheide und verhinderte Abschiebungen.

Tiefergehende Einsichten hatte Gauland nicht zu bieten in einer Debatte, die über weite Strecken einmal mehr zeigte, dass die Migrationsfrage der größte Spaltpilz der deutschen Politik ist – und wohl auch noch für einige Zeit bleiben wird. Es gibt kaum ein Thema, bei dem die Positionen so unversöhnlich aufeinander prallen. Als Aufhänger für Wills Sendung dienten die Vorgänge in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), wo – so der Verdacht – tausende Asylanträge rechtswidrig genehmigt worden sind.

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    Der richtige Mann ist dabei – und weicht aus

    Und mit Stephan Mayer, dem parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium, saß eigentlich der richtige Mann in der Runde, der zur Aufklärung hätte beitragen können. Schließlich versuchten Beamte schon seit längerer Zeit, Minister Horst Seehofer auf Bremen aufmerksam zu machen.

    Anne Will mit Gästen (v.l.) Christine Adelhardt (Recherchekooperation NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung), Alexander Gauland (AfD), Boris Pistorius (SPD), Stephan Mayer (CSU), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen),
    Anne Will mit Gästen (v.l.) Christine Adelhardt (Recherchekooperation NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung), Alexander Gauland (AfD), Boris Pistorius (SPD), Stephan Mayer (CSU), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), © NDR/Wolfgang Borrs | NDR/Wolfgang Borrs

    Und was sagt Mayer dazu? Vorwürfe müssten erst geprüft werden, er könne den Minister nicht „mit jeder Behauptung gleich konfrontieren“. Das klingt zwar sehr staatstragend, passt aber weniger gut zur Linie seiner Partei, der CSU, die in der Flüchtlingsfrage eine harte Linie versprochen hatte.

    Gauland fordert Untersuchungsausschuss

    Doch Meyer legte viel Wert darauf, dass die CSU die Probleme ja quasi übernommen habe. Da half es auch wenig, dass die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt darauf hinwies, dass die Union seit 2005 den Innenminister im Bund stellt „und schon längst alle Alarmglocken hätten schrillen müssen“.

    Doch was folgt nun aus dem Fall Bremen? Mayer sprach von Mitarbeitern, die „hochkriminell“ und in „Bandenmanier“ das Recht gebrochen hätten – und kündigte mehr Personal an. Der AfD-Politiker Gauland forderte einen Untersuchungsausschuss, denn: „Das Systemversagen liegt in der Politik. Es ist jeder reingekommen und dann ist das arme Bamf damit belastet worden“.

    Niedersachsens Innenminister knöpft sich Gauland vor

    Eine Polemik, die Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) auf die Palme brachte: „Ich habe keine Lust, mir ständig von der AfD die Agenda diktieren zu lassen“, sagte er. Niemand habe die Grenzen geöffnet oder etwas unrechtmäßiges getan, so der SPD-Politiker.

    Doch auch die von Mayer immer wieder geforderten und im Koalitionsvertrag beschlossenen Ankerzentren, in denen Asylbewerber bis zur Entscheidung über ihren Antrag bleiben sollen, sieht Pistorius kritisch – zumindest so lange noch nicht klar sei, wie sie konkret umgesetzt werden sollen.

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      Keine breite Unterstützung sogenannter Ankerzentren

      CSU-Staatssekretär Mayer betonte hingegen, dass die

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      vor allem Vorteile böten: Nur wer Anspruch auf Asyl habe, werde im Anschluss dezentral untergebracht. Alle anderen müssten das Land wieder verlassen. Unterstützung erhielt er dafür einzig von Alexander Gauland, der den Elan der CSU aber mit der anstehenden Landtagswahl im Herbst in Verbindung brachte.

      Mit harschen Worten reagierte hingegen die Grüne Göring-Eckhardt auf Mayers Vorschläge. Millionen Menschen seien auf der Flucht – und es könnten noch viel mehr werden. „

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      Auch die Investigativjournalistin Christine Adelhardt warnte davor, vor allem auf Schnelligkeit zu setzen. „Wenn Qualität und Kontrolle nicht stimmen, brauchen wir auch keine Ankerzentren“, sagte sie.

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        Überprüfung staatlicher Handlungen als Majestätsbeleidigung

        Doch die AfD wirkt, und das müsste Alexander Gauland eigentlich Freude bereiten. Denn natürlich verteidigte Stephan Mayer ganz zum Schluss der Sendung auch noch die Aussagen seines Parteifreundes Alexander Dobrindt, der vor einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ warnte.

        Und dabei mal eben so tat, als sei die Überprüfung staatlicher Handlungen kein elementarer Bestandteil eines Rechtsstaats – sondern Majestätsbeleidigung.

        Eine Geschichte, die auch Alexander Gauland ganz sicher so gefallen dürfte.