Köln. Ein Familiendrama treibt die Kommissare Schenk und Ballauf auseinander. „Mitgehangen“ ist der beste Kölner „Tatort“ seit Jahren.

Die Currywurst muss Freddy Schenk diesmal allein vom Pappteller aufpieken. Gibt es ein stärkeres Bild für die Krise mit seinem alten Buddy Max Ballauf? Das allein macht freilich noch keinen guten Kölner „Tatort“, denn bei so einem alten (Ermittler-)Paar hat es natürlich immer wieder mal geknallt.

Aber „Mitgehangen“ gibt dem Konflikt eine neue Tiefenschärfe, es sind nicht mehr die abgehangenen Kabbeleien zwischen dem bürgerlichen Schenk und dem bindungslosen Ballauf. Eine Ermittlung treibt sie auseinander und stellt ihre Lebensentwürfe infrage.

„Tatort“-Regisseur fächert das Drama vor dem Drama auf

Die erste Leiche im Film ist der Tatverdächtige, der Mann hat sich in der Zelle erhängt. Aber war er wirklich ein Mörder? Regisseur Sebastian Ko wählt die Rückblende und fächert das Drama vor dem Drama auf.

Der Reifenhändler Grevel (Moritz Grove) soll seinen Kompagnon umgebracht haben, der Bursche hatte Lolita-Fotos von Grevels Teenie-Tochter geknipst, Porno-Collagen von Grevels Frau Katrin (Lavinia Wilson) gebastelt und immer wieder Geld aus dem Familienunternehmen abgezweigt.

Familiendrama im neuen „Tatort“ aus Köln

Ein neuer Fall für die Kölner „Tatort“-Ermittler Freddy Schenk (Dietmar Bär, l.) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.). Bei einer Feuerwehrübung stoßen Taucher in einem Baggersee auf ein Auto.
Ein neuer Fall für die Kölner „Tatort“-Ermittler Freddy Schenk (Dietmar Bär, l.) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.). Bei einer Feuerwehrübung stoßen Taucher in einem Baggersee auf ein Auto. © WDR | Thomas Kost
Am Fundort beobachten die Kommissare die Bergung des Wagens. Der Grund für ihre Anwesenheit: Ein Feuerwehrtaucher hatte nicht nur den versenkten Wagen, sondern auch ein Stück von einem Kiefer entdeckt.
Am Fundort beobachten die Kommissare die Bergung des Wagens. Der Grund für ihre Anwesenheit: Ein Feuerwehrtaucher hatte nicht nur den versenkten Wagen, sondern auch ein Stück von einem Kiefer entdeckt. © WDR | Thomas Kost
Im Kofferraum des absichtlich versenkten Wagens entdecken die Ermittler eine Leiche. Bei dem Mann handelt es sich um Florin Baciu.
Im Kofferraum des absichtlich versenkten Wagens entdecken die Ermittler eine Leiche. Bei dem Mann handelt es sich um Florin Baciu. © WDR | Thomas Kost
Woran starb der Tote aus dem Kofferraum? Bei der Obduktion wird schnell klar: Er wurde erschossen.
Woran starb der Tote aus dem Kofferraum? Bei der Obduktion wird schnell klar: Er wurde erschossen. © WDR | Martin Valentin Menke
Die Ermittlungen führen Schenk und Ballauf auch zu einer Firma für Baustellenfahrzeuge.
Die Ermittlungen führen Schenk und Ballauf auch zu einer Firma für Baustellenfahrzeuge. © WDR | Martin Valentin Menke
Das Baumaschinen-Unternehmen gehört Astrid Seibert (Lana Cooper), die sich den Fragen der Kommissare stellen muss. Sie hatte einst eine intime Beziehung zu Florin Baciu.
Das Baumaschinen-Unternehmen gehört Astrid Seibert (Lana Cooper), die sich den Fragen der Kommissare stellen muss. Sie hatte einst eine intime Beziehung zu Florin Baciu. © WDR | Martin Valentin Menke
Durch die Aussagen Seiberts stoßen die Kommissare auf eine Reifenhandlung. Dort war Baciu Teilhaber.
Durch die Aussagen Seiberts stoßen die Kommissare auf eine Reifenhandlung. Dort war Baciu Teilhaber. © WDR | Thomas Kost
Schnell wird klar: Bei den Mitarbeitern und dem Geschäftspartner war der Ermordete nicht sehr beliebt.
Schnell wird klar: Bei den Mitarbeitern und dem Geschäftspartner war der Ermordete nicht sehr beliebt. © WDR | Thomas Kost
Schnell gerät Bacius Geschäftspartner Matthes Grevel (Moritz Grove, l.) unter Verdacht. Für Kommissar Max Ballauf ist der Familienvater und Reifenhändler dringend tatverdächtig.
Schnell gerät Bacius Geschäftspartner Matthes Grevel (Moritz Grove, l.) unter Verdacht. Für Kommissar Max Ballauf ist der Familienvater und Reifenhändler dringend tatverdächtig. © WDR | Thomas Kost
Nach einer Durchsuchung im Betrieb wird Matthes Grevel von Max Ballauf festgenommen. Seine Frau Katrin Grevel (Lavinia Wilson, l.) und der langjährige Mitarbeiter und Freund Otto Ziemer (Sebastian Hülk, Mitte) schauen mit Kommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär, r) zu.
Nach einer Durchsuchung im Betrieb wird Matthes Grevel von Max Ballauf festgenommen. Seine Frau Katrin Grevel (Lavinia Wilson, l.) und der langjährige Mitarbeiter und Freund Otto Ziemer (Sebastian Hülk, Mitte) schauen mit Kommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär, r) zu. © WDR | Thomas Kost
Unterstützung bekommen die Kommissare vom neuen Assistenten Norbert Jütte (Roland Riebeling). Ganz reibungslos verläuft sein Start aber nicht.
Unterstützung bekommen die Kommissare vom neuen Assistenten Norbert Jütte (Roland Riebeling). Ganz reibungslos verläuft sein Start aber nicht. © WDR | Thomas Kost
Während Ballauf von der Schuld des Reifenhändlers überzeugt ist, hat Schenk Bedenken.
Während Ballauf von der Schuld des Reifenhändlers überzeugt ist, hat Schenk Bedenken. © WDR | Thomas Kost
Denn für den Zeitraum der Tat hat Grevel ein Alibi. Er war angeln mit seinem Sohn Simon (Alvar Goetze, l.). Aber stimmt das?
Denn für den Zeitraum der Tat hat Grevel ein Alibi. Er war angeln mit seinem Sohn Simon (Alvar Goetze, l.). Aber stimmt das? © WDR | Thomas Kost
Auch die Geschwister Simon und Luzie Grevel haben ihre Geheimnisse.
Auch die Geschwister Simon und Luzie Grevel haben ihre Geheimnisse. © WDR | Thomas Kost
Der 16-jährige Simon hat eine Beziehung zu der 15-jährigen Alina (Gwentsche Kollewijn, l.). Doch die Mütter der beiden sind damit nicht ganz einverstanden.
Der 16-jährige Simon hat eine Beziehung zu der 15-jährigen Alina (Gwentsche Kollewijn, l.). Doch die Mütter der beiden sind damit nicht ganz einverstanden. © WDR | Thomas Kost
Während Matthes Grevel in Untersuchungshaft sitzt, geht Otto Ziemer bei Familie Grevel ein und aus und steht Katrin Grevel bei. Steckt mehr dahinter?
Während Matthes Grevel in Untersuchungshaft sitzt, geht Otto Ziemer bei Familie Grevel ein und aus und steht Katrin Grevel bei. Steckt mehr dahinter? © WDR | Thomas Kost
Auch Unternehmerin Astrid Seibert gerät erneut unter Verdacht. Hat sie sich an betrügerischen Manipulationen bei Gebrauchtwagen beteiligt? Und was hat sie mit der Tatwaffe zutun? Ist Grevel vielleicht doch nicht der Mörder?
Auch Unternehmerin Astrid Seibert gerät erneut unter Verdacht. Hat sie sich an betrügerischen Manipulationen bei Gebrauchtwagen beteiligt? Und was hat sie mit der Tatwaffe zutun? Ist Grevel vielleicht doch nicht der Mörder? © WDR | Martin Valentin Menke
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Für Ballauf (Klaus J. Behrendt) ist Grevel ohne Frage der Täter, Schenk (Dietmar Bär) zweifelt, und er zweifelt zusehends am Kollegen, der den Familienvater mit roher Verbissenheit in die Untersuchungshaft treibt und die Wahrheit aus dessen Frau und den beiden Kindern herauspressen will.

„Wissen Sie eigentlich, was Sie hier kaputtmachen?“, fragt ihn der Verdächtige irgendwann, und Schenk gibt für Ballauf die Antwort: „Weiß er nicht, er hat keine Familie.“

Kameramann kreiert viele kleine, stahlharte Bilder

Das vorzügliche Drehbuch von Johannes Rotter unterläuft mit Finesse die Erwartungshaltung des Zuschauers, weil es sich erzählerischen Klischees verweigert. Es fokussiert sich aber nicht nur auf das Auseinanderdriften der beiden Polizisten.

Mit einem Ballauf, der die bösen Geister der Arbeit beim wieder aufgenommenen Schwimmtraining wie besessen vertreiben will, und einem Schenk, der verzweifelt nach anderen Verdächtigen sucht, weil er spürt, wie Grevels Familie zerbricht.

Rotter hat vor allem auch das Drama ebendieser Familie im Blick, für deren Zerfall Ko und sein exzellenter Kameramann Kay Gauditz viele kleine, stahlharte Bilder finden. Wie eine erschreckend stumpfe Beischlafszene, als Katrin Grevel ihren Mann im Knast besucht.

Moritz Grove und vor allem die wieder einmal überragende Lavinia Wilson spielen ihre Rollen des netten Kerls, der zu gut scheint für diese Welt, und der Frau, die auch in den schlimmsten Momenten versucht, irgendwie die Haltung zu wahren, mit einer so glaubhaften Intensität, dass es schmerzt.

Zerbröselndes Mittelstandsglück

Auch Bär und Behrendt, die in einigen der letzten Fälle in Routine zu erstarren drohten, werden hier endlich einmal wieder gefordert und haben ein paar große Momente.

Ko inszeniert das Zerbröseln des kleinen Mittelstandsglücks als schnörkellosen Krimi. Olaf Didolff hat mit Saxophon und Keyboards einen unbehaglichen Soundtrack als perfekte Begleitung komponiert. Nur für den düstersten Augenblick lässt er der Totengräber-Stimme von Leonard Cohen den Vortritt. Auch das passt.

Fazit: Der beste Kölner „Tatort“ seit „Franziska“ 2014.

Sonntag, 18. März, 20.15 Uhr, ARD: „Tatort: Mitgehangen“