Berlin. Nora Tschirner und Christian Ulmen sind das „Tatort“-Gespann für besondere Fälle. Auch in „Der wüste Gobi“ wurde es wieder skurril.
Meist geht es im „Tatort“ gesellschaftspolitisch brisant zu, bedeutungsschwer, oft auch düster. An Weihnachten aber kann sich der Zuschauer sicher sein: Es gibt leichte Kost – aber auf wunderbar sympathisch-schräge Weise.
Auch ihren fünften Weimarer „Tatort“ haben die Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger wieder vollgepackt mit Skurrilitäten und trockenem Humor. Maßgeschneidert für das etwas andere Ermittler-Duo Lessing und Dorn, gespielt von Christian Ulmen und Nora Tschirner.
Running Gag I:
Das Kommissaren-Paar hat es nicht leicht mit dem Liebesspiel. In der Wohnung ist die Heizung ausgefallen, Kira Dorn behält deshalb nicht nur die Socken an, sondern gleich den ganzen Parka. Als sie sich gerade bibbernd in die sexy Unterwäsche gequält hat, folgt der Klassiker: Kollege Lupo ruft an. Die Pflicht ruft.
Auch der zweite Anlauf ein paar Stunden später scheitert. Lessing: „Fang du an.“ Dorn: „Ich würde gerne, aber ich erfriere.“ Lessing: „Ich kann meinen Körper nicht mehr spüren.“ Aber die Gelegenheit ist günstig, das Kind bei den Großeltern. „Ich könnte endlich mal wieder schreien“, sagt Dorn. „Okay, mach den Parka auf.“ Aber nichts da: Lupo klingelt.
Versuch Nummer drei. Diesmal im Auto. Dorn: „Wir haben noch ‘ne Viertelstunde.“ Lessing: „Was, jetzt hier?“ Dorn: „In einem Kombi habe ich meine Unschuld verloren.“ „Echt, im Trabbi?“ Dorn fährt lasziv die Sitzlehne zurück. Ein günstiger Moment für, na klar: Lupo, der an die Scheibe klopft.
„Tatort Weimar“: Jagd nach dem Würger
Running Gag II:
Der Name des vermeintlichen Mörders. Gotthilf Bigamiluschvatokovtschvili, kurz: Gobi. Jeder, der versucht, den Nachnamen korrekt auszusprechen, scheitert. Bei Dorn wird er zu „Bigalovili-watschi“, im Radio sind sie mit „Bigamiluschwatukovtwitsch“ immerhin ziemlich nah dran, der Chef der Staatsoper versucht es beim Blick auf seinen Zettel erst gar nicht. Nur einer glänzt mal wieder mit Perfektion: der selber vornamenslose Lessing.
Der feinste Witz:
Das Autoren-Duo kann auch subtileren Humor. Der bereits wegen dreifachen Frauenmordes einsitzende Gobi hofft auf Entlassung aus der JVA, Abteilung forensische Psychiatrie. Nach der Anhörung fragt ihn sein Betreuer, Professor Eisler: „Haben Sie das mit den Stimmen gesagt?“ Gobi: „Ich bin doch nicht irre!“
Der trockenste Humor:
Den können eigentlich alle in diesem „Tatort“ ganz gut. Kommissarin Dorn aber besonders. In der Wohnung von Mimi Kalkbrenner, Gobis Partnerin, wird sie auf die Auswahl handgefertigter Strickunterwäsche aufmerksam: „Wussten Sie, dass er (Gobi) nicht nur für Sie strickt?“ Lessing: „Also seine Winterkollektion ist auch bei der Damenwelt in der Klinik sehr beliebt. Zum Beispiel bei der Krankenschwester, die er vor ein paar Stunden ermordet hat.“ Kalkbrenner: „Gobi ist unschuldig.“ Dorn: „Achso. Dann entschuldigen Sie bitte die Störung.“
Das schrägste Kompliment:
Wenig später wird Mimi aber doch misstrauisch. Gobis Grobstrick hat die falsche Größe für sie. „Für wen hast du das gestrickt?“, will sie wissen. Doch Gobi weiß ihre Bedenken zu zerstreuen. Mit einem Kompliment, bei dem jede Frau schwach wird: „Mimi, du bist das Licht in der Kanalisation meines Lebens.“
Der schwärzeste Humor:
Wie löscht man eine brennende Heizdecke und damit auch die Tote, die unter der Decke liegt? Niemals mit Buchstabensuppe! Zumindest nicht mit der aus der Psychiatrie. Denn die ist zu fettig und macht alles nur schlimmer. Das weiß nun auch Professer Eisler, der angesichts seiner in Flammen stehenden Frau nur verwirrt apathisch vor sich hin murmelt: „Oh nein. Dumm. Dumm, dumm. Hilfe.“
Kurz darauf stehen Dorn und Lessing vor der völlig verkohlten Frauenleiche. Eisler sinniert: „Cornelia hat sich nie eine Feuerbestattung gewünscht. Aber der da oben hat sich das anders überlegt.“ Man kann Dorn förmlich dabei zuschauen, welche Witze sie sich verkneift.
Das ekeligste Ritual:
Auftritt Kommissariatsleiter Kurt Stich. Er baut sich vor seinen Mannen auf, in der Hand den Filtereinsatz für die Kaffeemaschine. „Gleich reiten hier die ganz harten Jungs vom LKA ein“, hebt Stich an. „Die werden uns natürlich wieder behandeln wie die absoluten Provinzdeppen. Ich weiß, ihr hängt an der alten Tradition. Dann guck’ ich mal intensiv aus dem Fenster.“ Was Stich dann nicht sieht? Wie seine Jungs in den Filterkaffee rotzen.
Der Forrest-Gump-Moment:
Lupo versucht sich im Aufmuntern von Mimi Kalkbrenner. Dafür hat er offenbar vom Besten gelernt. Statt Forrest Gumps Schachtel Pralinen ist das Leben bei Lupo halt eine Bratwurst. Aber der Vergleich funktioniert auch damit prächtig: „Man weiß nie genau, was drinsteckt.“
Der MacGyver-Moment:
Ohne dem Kommissar zu nahe treten zu wollen: Ein „Lessing: Off Duty“ à la Til Schweiger mit wilden Verfolgungsjagden und Schießereien kann man sich jetzt eher nicht so vorstellen. Aber auch Lessing hat seinen heroischen Moment, als er die Nachbarin mit gezieltem Luftröhrenschnitt und Kugelschreiber vorm Ersticken rettet. Da dürfte selbst Dorn ihre etwas spröde Liebeserklärung an ihn von zuvor („Bisschen langweilig, aber ‘ne Investition in die Zukunft“) revidiert haben.
Das schlüssigste Mordmotiv:
Mimi wusste es schon lange: Gobi ist natürlich völlig unschuldig. Professor Eisler hat sowohl die Krankenschwester als auch seine eigene Frau umgebracht. Aber er hatte einen guten Grund: „Ja, gut, aber ich hatte gestern einen verdammt schweren Tag.“