Berlin. Im „Lebensmittel-Check mit Tim Mälzer“ nimmt der TV-Koch Lebensmittelpreise unter die Lupe. Er zeigt, warum Bio nicht teuer sein muss.

Warum sind Lebensmittel heute viel billiger als vor ein paar Jahrzehnten? Sind Bio-Produkte wirklich teurer als konventionelle Lebensmittel? Und kann eine Familie, die von Hartz IV leben muss, sich komplett von Bio-Lebensmitteln ernähren? Diesen und anderen Fragen ist Fernsehkoch Tim Mälzer für den zweiten Teil seiner Sendung „Lebensmittel-Check mit Tim Mälzer – Wie gut ist unser Essen? Mehr Qualität für weniger Geld“ nachgegangen.

Die Zahlen, die in der Sendung genannt werden, machen nachdenklich: 1980 mussten die Bundesbürger noch 25 Prozent ihres Nettoeinkommens für Lebensmittel ausgeben, heute sind es nur noch zehn. Ein anderes Beispiel: 1950 musste man noch 26 Stunden arbeiten, um sich ein Pfund Kaffee leisten zu können. Und heute? 19 Minuten reichen aus. Doch wer bezahlt den Preis für so billige Lebensmittel wirklich? Ein Überblick:

• Woher kommt der Preisdruck nach unten?

Bereits im ersten Teil seines „Lebensmittel-Checks“ zeigte Tim Mälzer: Die Großen Einzelhandelsketten Edeka, Lidl, Rewe und Aldi drücken die Preise. Gemeinsam machen sie 75 Prozent des Umsatzes im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel. Die Konzentration im Einzelhandel drückt die Preise.

Diese Lebensmittel gehören nicht in den Kühlschrank

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    Ein neuer Trend verstärkt dies sogar noch. Mittlerweile verkaufen auch Discounter Markenprodukte. Die Händler müssen sich die Frage stellen, ob sie ihre Ware auch beim Discounter listen wollen. Und stehen vor der Entscheidung: Masse oder höhere Preise? Die niedrigen Preise beim Discounter führen auch im Supermarkt zu Preissenkungen. Der Händler verdient weniger – und am Ende gibt der den Preisdruck an die Erzeuger weiter.

    • Sind konventionelle Lebensmittel wirklich billiger?

    Nein, rechnet Bioland-Sprecher Gerald Wehde Tim Mälzer vor. Ungerechtigkeit fange schon bei den EU-Subventionen aus Steuergeldern für Bauern an. Denn Ausschlaggebend für die Menge der Subvention ist die Fläche der Agrarbetriebe. Damit erhält ein Großbauer mit einem Betrieb von 1000 Hektar 300.000 Euro pro Jahr, Kleinbauern mit 30 Hektar – und das sind die meisten Bio-Bauern – nur 9000 Euro. Von den Subventionen profitieren also gerade die, die es weniger nötig haben.

    Bioland-Sprecher Gerald Wehde (r.) klärt Tim Mälzer über die ungerechte Verteilung von EU-Subventionen für Landwirte auf.
    Bioland-Sprecher Gerald Wehde (r.) klärt Tim Mälzer über die ungerechte Verteilung von EU-Subventionen für Landwirte auf. © NDR/Axel Thiede | Axel Thiede

    Zudem produziere die konventionelle Landwirtschaft versteckte Kosten. So stiegen etwa die Trinkwasserkosten im Umkreis von konventionell betriebenen Höfen: Der Nitratgehalt durch Gülle und Dünger belaste das Trinkwasser, die Kosten für die Reinigung – immerhin etwa 767 Millionen Euro pro Jahr – trage der Verbraucher, nicht der Verursacher. Schließlich führen der Antibiotika-Einsatz bei Massentierhaltung und dadurch entstehende Keimresistenzen zu höheren Kosten im Gesundheitswesen.

    • Wie groß ist der Wahnsinn der Lebensmittelverschwendung wirklich?

    Wer vor Augen geführt bekommt, wie viele Lebensmittel in Deutschland einfach vernichtet werden, muss erst einmal schlucken. 550.000 Tonnen im Jahr wirft allein der Einzelhandel weg. Bei jedem Bundesbürger wandern jährlich Lebensmittel im Wert von 400 Euro in den Mülleimer – oder anders ausgedrückt: Pro Sekunde landen in Deutschland 313 Kilo Lebensmittel in der Tonne.

    Bio-Kartoffelbauer Bernhard Ruile verdeutlich den Wahnsinn: Bis zu 30 Prozent seiner Kartoffeln sind für den Handel unbrauchbar – aus ästhetischen Gründen. Eine kleine Macke, beim Ernten von der Maschine durchtrennt, zu klein oder zu groß – und schon wird die Knolle aussortiert. Gute Produkte landen so nie im Supermarkt. Mälzers Fazit: „Wenn wir hier weniger verschwenden würden, würden die Bauern sofort mehr verdienen, ohne dass deshalb die Preise steigen müssten.“

    Und auch die Verbraucher selbst können ihren Umgang mit Lebensmitteln getrost überdenken. Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt lediglich an, bis zu welchem Zeitpunkt der Hersteller für die uneingeschränkte Genießbarkeit des Produkts garantiert. Bei ungeöffneten Produkten rät Fernsehkoch Mälzer: daran riechen und sich trauen, zu probieren. Wenn es einwandfrei schmeckt, kann es auch noch verwendet werden.

    Das geht nicht nur bei Lebensmitteln, die ein paar Tage drüber sind. Mälzer testet eine Tomatensoße aus dem Glas, die seit zwei Jahren „abgelaufen“ ist. „Das würde ich sogar auf einem Kindergeburtstag servieren“, versichert er nach Geruchs- und Geschmackstest. Vor allem bei Konserven sei ein Gebrauch auch nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, oft bedenkenlos möglich.

    • Kann man mit Hartz-IV-Budget komplett von Bio-Lebensmitteln leben?

    Von 155,50 Euro muss eine fünfköpfige Familie, die von Hartz IV lebt, eine Woche lang satt werden. Tim Mälzer hat der Test-Familie Isele die Aufgabe gestellt, mit diesem Budget für zwei Hauptmahlzeiten und ein Frühstück pro Tag ausschließlich Bio-Lebensmittel zu kaufen. Doch geht das?

    Inga Isele ist zunächst skeptisch, ob sie ihre Familie mit 155,50 Euro eine Woche lang satt bekommt. Am Ende hat sie sogar 6,44 Euro des Hartz-IV-Budgets übrig.
    Inga Isele ist zunächst skeptisch, ob sie ihre Familie mit 155,50 Euro eine Woche lang satt bekommt. Am Ende hat sie sogar 6,44 Euro des Hartz-IV-Budgets übrig. © NDR/Axel Thiede | Axel Thiede

    Der Koch und die Iseles zeigen: Es ist nicht ganz einfach und bedarf ein wenig Planung, aber es ist durchaus möglich, selbst wenn frisches Fleisch und frischer Fisch auf den Tisch kommen und die Einkäufe auf dem Wochenmarkt erledigt werden. Hilfreich ist es dabei, auf saisonale und regionale Produkte zurückzugreifen. Ebenfalls wichtig: effektiv kochen und Reste verwerten.

    Mit Hilfe von Mälzer zaubert die Familie also Kartoffel-Fisch-Auflauf, kocht Hähnchenschenkel zuerst aus, um aus dem gezupften Fleisch Frikassee und Hähnchensalat zuzubereiten. Die Hühnerbrühe wird mit einem kleinen Teil Rinderhack zu Linseneintopf weiterverarbeitet. Die Hackfleischreste landen in einem Chili con Carne. Nach Kassensturz am Ende der Woche haben die Iseles sogar noch 6,44 Euro übrig. Mälzers Fazit: Bio, aber günstig – das funktioniert, wenn man seine Gewohnheiten überarbeitet.

    Sendetermin: Montag, 11. Dezember, 20.15 Uhr, ARD