Berlin. Bei Illner geht es zunächst um die therapeutische Aufarbeitung der gescheiterten Sondierungen. Die Hauptrolle spielt dann aber die SPD.

Quo vadis, SPD? Wo will sie hin, die SPD, das ist die Frage dieses TV-Abends bei Maybrit Illner – auch wenn der Titel anders lautet. Eigentlich sollte der Fokus der Sendung auf drohenden Neuwahlen liegen („Kanzlerin ohne Mehrheit – Muss Deutschland neu wählen?“). Doch es ist die Haltung der SPD, die gerade alle umzutreiben scheint, auch Maybrit Illners Gäste.

Ist es gerechtfertigt, dass sich die Sozialdemokraten weiter Gesprächen entziehen und ihre Rolle stur in der Opposition sehen? „Wir sind doch bereit, miteinander zu sprechen, alles andere wäre auch kindisch“, verteidigt der amtierende Justizminister Heiko Maas seine Partei gegen Taktik-Vorwürfe. Klingt, als wäre da was im Gange.

Heiko Mass: Schuldzuweisungen nicht gerechtfertigt

Der Politikberater und Publizist Michael Spreng findet: Direkt nach dem Wahlabend sei der Rückzug in die Opposition der SPD hervorragend gewesen, nach der aktuellen gescheiterten Regierungsbildung dürfe sich die Volkspartei nicht mehr heraushalten. Das will sich Maas nicht gefallen lassen und erinnert daran, wie herzlich unbeliebt seine Partei vor und während der Wahlen war. Und nun soll sie am Scheitern der Sondierungen Schuld sein?

„Opposition ist Mist, aber vor allem auch bequem“, hält der amtierende Innenminister Thomas de Maizière dagegen und scheint damit sowohl die SPD als auch die FDP zu meinen. Letztere hatte die Sondierungsverhandlungen kurz vor Abschluss am vergangenen Sonntag mit dem Argument abgebrochen, besser gar nicht zu regieren als falsch.

Zeigt die FDP „German Mut“?

Nicola Beer von der FDP argumentiert in Anlehnung an das Wahlkampfmotto der Liberalen, es habe eine ganze Menge „German Mut“ bedurft, die Gespräche abzubrechen und als jene Partei in die Geschichte einzugehen, die diese Jamaika-Regierung verhinderte.

Einer der deutlich macht, was für ein Ringen es am Ende zwischen Schwarz-Gelb-Grün gewesen sein muss, ist Cem Özdemir von den Grünen. Er zählt mit zerfurchter Stirn auf, was seine Partei alles CDU/CSU und FDP geopfert habe: Soli, Klima, Asyl. Und dann sind es die anderen, die alles hinschmeißen. Özdemir wirkt reichlich frustriert. Wer kann es ihm nach fünf Wochen Verhandlungen und „vielen lustigen Balkonbildern“, wie Heiko Maas frech anmerkt, auch verdenken.

Özdemir: „Erst kommt das Land“

Mehrfach fragt Özdemir die liberale Generalsekretärin Beer, was es denn nun genau gewesen sei, das die FDP zum Rückzug bewegt habe. Er will es unbedingt wissen, bekommt aber keine zufriedenstellende Antwort. Nicht einmal der Parteichef habe ihm Auskunft geben können, erregt sich der Grüne: „Christian Lindner konnte mir die Frage nicht beantworten.“ Gefühle seien wichtig, aber eben auch nicht entscheidend. Und dann beackert Özdemir die Pathos-Klaviatur noch ein wenig intensiver: „Erst kommt das Land, dann die Partei.“

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    Selbiges könnte man auch der SPD vorhalten, die sich – so schimpfen ihre Kritiker – lieber mit Erneuerungsreden aufhält, statt die Metamorphose in der Dampfkochtopf-Methode sofort einzuleiten. Dabei würde sie jetzt dringend gebraucht. Aber die SPD hat momentan an mehreren Fronten zu kämpfen. Eine rein rechnerisch mögliche GroKo ist die eine, die Zukunft von Martin Schulz und überhaupt die Frage nach einer möglichen Nachfolge des Spitzenkandidaten eine ganz andere.

    Mit wem würde die SPD antreten?

    Sollte es Neuwahlen geben, mit wem will die SPD antreten? Maas hat natürlich auch Recht damit, wenn er süffisant darauf verweist, dass eigentlich gerade andere in der Verantwortung stünden, als die SPD: „Alle reden von der großen Verantwortung Deutschlands. Und hier sitzen lauter Parteien, die ihrer Verantwortung mit einer Regierungsbildung gerade nicht nachgekommen sind.“ Aber da kommt ihm die eingeladene Journalistin Kristian Dunz in die Quere: 20 Prozent sei zwar wenig für die SPD, aber in der jetzigen Situation auch wieder ziemlich viel für eine mögliche Regierungsbeteiligung.

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      Weitere Fragen des Abends: Was wird aus Angela Merkel, der „mächtigsten Verliererin“ überhaupt, wie sie Dunz genannt hat? Hält sie eine Minderheitenregierung oder Neuwahlen durch? Wie löst sie das Nachwuchsproblem ihrer Partei, für das sie selbst verantwortlich ist?

      Neuwahlen findet außer Nicola Beer niemand in der Runde gut. Man könne nicht so lange wählen, bis das richtige Ergebnis dabei herauskomme, sagt Özdemir. Und der Publizist Spreng spricht gleich von einer „Bankrotterklärung“ der Demokratie. Bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Auftritt der SPD als Retterin demokratischer Ordnung. Oder Neuwahlen. Doch selbst in diesem Fall hat Lindner eine Neuauflage der Jamaika-Verhandlungen abgelehnt. Mit der Regierungsbildung könnte es dann also etwas länger dauern.