Berlin. Sexismus ist das Thema der Stunde. Der Hashtag „#MeToo“ vereint den zigtausendfachen Protest. Eine Frau hält dagegen – und provoziert.
„Jede Frau, die mal schief angeguckt wird, fühlt sich schon belästigt. Mich stört die Unterstellung, dass ein Mann immer Böses will.“ Das sagt kein tumber Macho, sondern die Autorin Birgit Kelle. In der WDR-Talkshow zum Thema „Flirten oder grapschen – Wo fängt Sexismus an?“ schlüpfte Kelle in ihre Lieblingsrolle: die der Provokateurin.
Etwa so: Knapp bekleidete Frauen in der Werbung? Über die Hochglanzanzeigen mit dem englischen Fußball-Beau David Beckham mit nacktem Oberkörper habe „sich doch auch niemand beschwert“. Sie wolle „keine Sexismus-Polizei“, so Kelle. Die aktuelle Debatte, ausgelöst durch den Fall des amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein, sei über weite Strecken „ein aufgeblasenes Nichts“. So einfach ist das also?
Birgit Kelle bei Facebook gesperrt
Mit solchen Statements hat sich Birgit Kelle (42) zum Feindbild Nummer 1 für Deutschlands Feministinnen gemacht – noch vor Harvey Weinstein. Kelle hält die neue Sexismus-Debatte für überzogen und plädiert für einen „femininen Feminismus“. Ihre Bücher tragen Titel wie „Dann mach doch die Bluse zu“ oder „Gendergaga“.
Wegen eines polemisch-bissigen Postings zur Hidschab-„Barbie“ wurde Kelle gerade bei Facebook mit einer siebentägigen Sperre belegt - dann aber schon nach 24 Stunden wieder entsperrt . Die Berliner Journalistin Teresa Bücker, neue feministische Frontfrau der „Me Too“-Bewegung, weigert sich, mit Kelle in einer Talkshow zu diskutieren, „weil selbst ich dann meine Höflichkeit komplett vergessen würde“.
„Für uns Frauen ist es normal, angegrapscht zu werden“
Auf Twitter, wo sich unter dem Hashtag #ihremeinung die TV-Zuschauer einmischen konnten, zeigte sich, wie Kelle mit ihren Positionen polarisiert:
In der WDR-Runde mit Moderatorin Bettina Böttinger hatte Kelle ihre Gegenspielerin in der Journalistin Silke Burmester. „Für uns Frauen ist es normal, angegrapscht zu werden“, so Burmester. Und: „Es geht immer um Macht.“ Stattdessen würde oft den Frauen die Schuld zugeschoben, „nach dem Motto ,die Männer sind halt so’“. „Aber“, so Burmester, „nicht wir Frauen haben ein Problem, sondern die Männer haben ein Problem.“
Frau berichtet von Vergewaltigung
Gucken, flirten, grapschen, vergewaltigen - wo hört was auf, wo fängt was an? Wie schwierig die Unterscheidungen bisweilen sind, zeigte sich vor allem bei den Wortmeldungen der Zuschauer in Böttingers Studio. Da berichtete eine Frau in bewegenden Worten von schweren Übergriffen und Vergewaltigungen in ihrer Jugend – und von der Ohnmacht, nicht dagegen angehen zu können. Eine andere Zuschauerin meinte: „Ein Spruch, der tut doch nicht weh. Wo ist denn da die Belästigung?“ Und eine 23-jährige Frau beklagte, junge Mädchen würden sich durch aufreizende Kleidung selbst „zum Sexobjekt machen“.
Blickt Mann da noch durch? Philip Wolff, Textchef des „Playboy“ meinte: er muss. Für ihn steht fest: „Ein Mann, der zwischen Flirten und Übergriff nicht unterscheiden kann, der hat eine Störung.“