Berlin. Die „Paradise Papers“ waren Thema bei „Hart aber Fair“. Die Steuertricks seien ein Skandal, befand die Talk-Runde – mit einer Ausnahme.

Ganz am Ende wollte Frank Plasberg noch etwas Persönliches loswerden. 75 Minuten hatte seine Runde schon diskutiert über die Enthüllungen der

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. Eben jenen Datensatz mit 13,4 Millionen Dokumenten, den ein internationales Journalisten-Netzwerk durchleuchtete. Das Ergebnis ihrer Recherche: Ein Konstrukt aus Briefkastenfirmen, Offshorefonds und Stiftungen, das Konzernen und Superreichen hilft, ihr Geld in Steueroasen zu verschieben. Mitten in der EU, alles ganz legal.

„Sie haben mir den Abend verdorben“, sagte der Moderator in Richtung seines Gastes Georg Mascolo. Der Leiters des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung – auf deutscher Seite an den Enthüllungen beteiligt – hatte gerade vorgelesen, wie schamlos Apple darauf drängte, jeden noch so kleinen Steuertrick auszunutzen.

Wenn Profit vor Moral geht

„Ich habe heute Abend das neue iPhone bekommen, es aber noch nicht ausgepackt“, so Plasberg. Und doch wird der Moderator vermutlich genau das noch tun – so wie Millionen andere auch. Denn: Konzerne wie Apple, Amazon oder Google sind zwar dafür bekannt, dass Profit im Zweifel vor Steuermoral geht. Dem Geschäft tut das aber keinen Abbruch, die Unternehmen melden Rekordgewinne.

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    „Die Hoffnung eines Verbraucherboykotts ist unrealistisch“, sagte auch die Wissenschaftlerin Johanna Hey, die an der Universität Köln das Institut für Steuerrecht leitet. Plasbergs Redaktion hatte dagegen ganz auf Empörung gesetzt: „Steueroase Europa – wie uns Konzerne und Super-Reiche abzocken!“, lautete das Thema der Sendung.

    Braucht es Mindeststeuersätze?

    Das klang einen Tick zu schrill dafür, dass am Tisch eine seltene Einigkeit vorherrschte – und auf radikale Forderungen komplett verzichtet wurde. Sven Giegold etwa, der für die Grünen im Europaparlament sitzt und dem linken Flügel seiner Partei angehört, ließ zwar immer wieder Spitzen gegen Finanzstaatssekretär Michael Meister von der Union ab.

    Doch in der Sache waren sich beide einig: Der Kampf gegen Steueroasen in der EU muss verstärkt werden. Giegold forderte Mindeststeuersätze, die kein Land unterschreiten darf. „Der Binnenmarkt ist sonst nicht effizient und durch falschen Steuerwettbewerb entsteht Europa-Verdruss“, so der Grüne. „Wir diskutieren schon viel zu lange über diese Dinge“, stimmte der Journalist Georg Mascolo zu. Der eigentliche Skandal sei, dass sich nichts ändere.

    Luxemburgs Außenminister versteht Aufregung nicht

    Gerade das Beispiel Apple und Amazon zeigt: Die Unternehmen machen Geschäfte in ganz Europa, die Gewinne werden aber in Tochterunternehmen verbucht und so nur zu einem kleinen Teil versteuert. Apple sparte so 13 Milliarden Euro in Irland, Amazon 250 Millionen Euro in Luxemburg – sehr zum Ärger der EU-Kommission, die beide Länder aufforderte, das Geld einzutreiben. Doch mit Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn saß ein Politiker in Plasbergs Runde, der die ganze Aufregung um Steuertricks nicht so richtig nachvollziehen konnte. „Warum wollen Sie auf das Geld verzichten?“, fragte Plasberg leicht ungläubig.

    „Es ist unser gutes Recht, Dinge anders zu bewerten als die Kommission“, sagte Asselborn. Amazon, habe über 2000 Jobs in seinem Land geschaffen. „Das dürfen Sie nicht unterschätzen“, so der Minister. „Amazon ist einer der größten Arbeitgeber“ Und überhaupt: Das Problem der Briefkastenfirmen in Luxemburg sei gelöst, jedes Unternehmen müsse nachweisen, dass es auch vor Ort tätig ist. Also alles bestens. Mit dieser Ansicht stand Asselborn ziemlich allein dar.

    „Es stimmt zwar, dass viele Praktiken legal sind“, sagte Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Mascolo. „Aber die Menschen finden es zutiefst ungerecht, wenn Spitzenverdiener und große Firmen auch noch das letzte Steuerschlupfloch ausnutzen“, sagte er.

    Ein Vorschlag, der hilflos klingt

    Das macht auch Nike: Die US-Firma ist in ganz Europa aktiv, die Steuern führt sie aber zu geringen Sätzen in Holland ab. Dafür gründete der Sportartikelhersteller Firmen vor Ort. Über sie läuft das Geschäft. Umsätze, die von Unternehmenstöchtern im Ausland wieder zurück in die Niederlande überwiesen werden, können steuerfrei verbucht werden – der Konzern spart so Millionen.

    „Wir brauchen eine international abgestimmte Vorgehensweise“, sagte CDU-Politiker Michael Meister. Das mag sein, und doch klang es irgendwie hilflos. Die Kölner Wissenschaftlerin Johanna Hey brachte das Dilemma auf den Punkt: „Gegen autonome Staaten können sie von außen nicht viel machen“. Deutschland müsse versuchen, auf seine Nachbarländer einzuwirken. Auf Dauer helfe kein Verbraucherboykott, sondern nur politischer Druck.

    Frank Plasberg kann sein neues iPhone also ruhig auspacken.

    Die komplette Sendung finden Sie in der ARD-Mediathek.