Berlin. CDU, FDP und Grüne setzten ihre Sondierungsgespräche bei Maybrit Illner fort. Ein linker Verbandschef kommentierte von der Seitenlinie.

Robert Habeck, der grüne stellvertretende Ministerpräsident Schleswig Holsteins, blickt müde drein. Er hat an diesem Abend bei Maybrit Illner schon wieder Wolfgang Kubicki (frischer Bundestagsvizepräsident, FDP) und den vorlauten Jens Spahn (Staatssekretär, CDU) gegenübersitzen.

In der Runde saß man ja die letzten Tage des Öfteren beisammen, nun also zur Debatte um die Finanzpolitik, die die mögliche Jamaika-Koalition fahren wollen würde: „Jamaikas Griff in die Kasse – wer guckt am Ende in die Röhre?“ Formulierungen im Konjunktiv sind angebracht, noch sei nichts entschieden, stellt Habeck mehrfach klar.

„Irgendwann muss mal jemand aufstehen“

Die Augenringe des Grünen-Politikers verraten, was eh alle wissen: Die Sondierungsgespräche gestalten sich schwierig. Und es hilft auch nicht, dass im Bund die mediale Aufmerksamkeit immens ist, gesteht Habeck, der in Schleswig-Holstein zusammen mit der Union und FDP regiert.

Kompromiss, das hieße ja: „Irgendwann muss mal jemand aufstehen und sagen, ich bewege mich einen halben Schritt auf euch zu, auch wenn’s nicht im Programm steht.“ Wenn dann sofort aus diversen Richtungen die „Verrat“-Rufe und ihr mediales Echo kämen, traute sich natürlich niemand, sich auch nur minimal zu bewegen.

Advokat der Ärmsten

Neben Spahn, der mit seiner füßescharrenden Beflissenheit immer wie ein Klassenbester vor der Zeugnisausgabe wirkt, sitzt noch Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in der Runde. Der sei ja auch in der Links-Partei, wirft Spahn einmal ein, ein etwas unverständlicher Vorwurf.

Schneider tritt als Advokat der Ärmsten der Gesellschaft auf und findet, dass die nächste Regierung bei der derzeitigen Geldpolitik selbstredend Schulden machen sollte: „Ich halte es für nahezu unsinnig, in Zeiten, in denen Geld so billig ist, keine zu machen.“ Ihm gegenüber vervollständigt der Ökonom Gabor Steingart das Podium, Herausgeber des „Handelsblatt“.

Die Sendung wirkt wie eine Sondierungsrunde

Vielleicht liegt es am kryptischen Titel der Sendung – Griff in die Kasse, Blick in die Röhre –, dass der Eindruck entsteht, den eingeladenen Politikern schlicht bei einer Sondierungsrunde zuzusehen, und diese von einem linken Wohlfahrtsverbandschef von der Seitenlinie kommentieren zu lassen. Das Thema des Abends: Ist es der Dissens oder Konsens der drei Parteien?

Ist es das Thema Armut, und was die neue Regierung dagegen tun will? Was passiert nun noch einmal mit dem Soli? Sind es die vielen großen Jahrhundertaufgaben, die Politik und Gesellschaft an den Rand der Überforderung bringen: Flüchtlingskrise, Klima, Globalisierung? Die Gespräche und Dispute am Tisch sind zwar nicht uninteressant, aber auch zerfasert.

Jamaika-Witze voller gruseliger Klischees

Gruselmoment ist ein Einspieler, der in 30 Sekunden möglichst viele audiovisuelle Jamaika-Witze und -Referenzen einzubauen versucht, mit unklarer Absicht: Die vier Parteispitzen Göring-Eckardt, Özdemir, Lindner und Merkel mit fettem Joint, aus dem Off singt die Reggae-Legende Peter Tosh „Legalize it“ und der Sprecher sagt in vermeintlich bekifftem Zustand, dass das mit Jamaika ja schon „krasser Stoff“ sei. Da läuft es einem ganz eisig den Rücken hinunter.

Raufen die Parteien sich zusammen? Man ist fast ein bisschen erleichtert, dass der Journalist Steingart einwirft: „Die Messe ist noch nicht gesungen. Die SPD sollte sich wieder anbieten. Regierungsbildung darf nicht in der Erpressung stattfinden.“

Gegen monatelange Sondierungen spricht jedenfalls, dass bei all den „Jahrhundertaufgaben“, die in der Illner-Runde genannt werden, wenig Zeit zu verlieren ist. Das beste Sentiment des Abends liefert dazu Habeck: Es gebe halt leider oft keine einfachen Lösungen in der Politik, dafür „scheiß viele Probleme“.

Die komplette Sendung finden Sie in der ZDF-Mediathek.