Berlin. Jugendliche ab zwölf durften zuschauen: Der Tatort „Hardcore“ mit Porno-Details steht in der Kritik. Auf Twitter wurde eher gewitzelt.

Der „Tatort“ am Sonntagabend – immer wieder bietet er anschließend Gesprächsstoff an Büro-Kaffeemaschinen oder in Internet-Foren. Der Krimi vom Sonntagabend um eine ermordete Pornodarstellerin sorgte allerdings schon im Vorfeld für Wirbel. „Dieser Münchner Fall ist explizit „Hardcore“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Kritik in Anspielung auf den Titel, man konnte es als Warnung oder als Versprechen auffassen. „Pornoszenen zur besten Zeit – warum ist dieser Tatort jugendfrei?“, empörte sich die „Bild“, die selbst gerade nicht zimperlich mit Nacktheit umgeht. Vom „Aufreger des Jahres“ spricht schon die österreichische „Kleine Zeitung“.

Ein mit Körperflüssigkeiten gefülltes Planschbecken

„Wir wollten nicht lange sexuelle Darstellungen zeigen, sondern es sollte so viel wie möglich der Vorstellung jedes Zuschauers überlassen bleiben“, sagt Regisseur Philip Koch über seinen Film. Viel Fantasie brauchte der Zuschauer allerdings nicht, um zu sehen, dass das Planschbecken, neben dem die Pornodarstellerin Marie erdrosselt gefunden wird, nicht mit Wasser gefüllt ist.

Für den, der noch Zweifel hatte: Die Kommissare

Auch interessant

(Miroslav Nemec) helfen dem Zuschauer auf die Sprünge, indem sie die Körperflüssigkeiten in derber Sprache identifizieren. Masturbation am Küchentisch, Massenorgien und Praktiken, die sogar nach Maßstäben der Pornografie eher abseitig sind.

Der Film erhielt die Freigabe an zwölf Jahren

Trotzdem erhielt er von der Jugendschutzbeauftragten des verantwortlichen Bayerischen Rundfunks die Freigabe ab zwölf Jahren. Nur dann darf er laut Rundfunkstaatsvertrag ab 20 Uhr gezeigt werden. Filme, die erst für Zuschauer ab 16 Jahren geeignet sind, dürfen erst ab 22 Uhr laufen. So wurde der WDR-Fall „Franziska“ 2014 wegen seiner Gewaltszenen ins Spätprogramm verschoben. „Hardcore“ jedoch wurde vom BR als unbedenklich eingestuft.

„Hardcore“ im Münchner „Tatort“

Der „Tatort – Hardcore“ für die Ermittler Ivo Batic und Franz Leitmayr in die Porno-Branche. Sie treffen auf verdächtige Darsteller.
Der „Tatort – Hardcore“ für die Ermittler Ivo Batic und Franz Leitmayr in die Porno-Branche. Sie treffen auf verdächtige Darsteller. © BR | Hagen Keller/Hager Moss Film GmbH
Auch der Produzent Olli Hauer (Frederic Linkemann) gerät in das Visier der Ermittler.
Auch der Produzent Olli Hauer (Frederic Linkemann) gerät in das Visier der Ermittler. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Bei einem Dreh von Hauer wurde Marie Wagner (Helen Barke), Künstlername
Bei einem Dreh von Hauer wurde Marie Wagner (Helen Barke), Künstlername "Luna Pink", ermordet. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Marie Wagner (Helen Barke) führte offenbar ein Doppelleben.
Marie Wagner (Helen Barke) führte offenbar ein Doppelleben. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Selbst ihr Vater, Oberstaatsanwalt Rudolf Kysela (Goetz Schulte), wusste nichts von der Porno-Karriere seiner Tochter.
Selbst ihr Vater, Oberstaatsanwalt Rudolf Kysela (Goetz Schulte), wusste nichts von der Porno-Karriere seiner Tochter. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Der Pornoproduzent Sam Jordan (Markus Hering) hat in der Vergangenheit mit Marie Wagner gedreht.
Der Pornoproduzent Sam Jordan (Markus Hering) hat in der Vergangenheit mit Marie Wagner gedreht. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Jordan (Markus Hering) kann es nicht fassen, dass die Kommissare ihn während seiner Dreharbeiten stören.
Jordan (Markus Hering) kann es nicht fassen, dass die Kommissare ihn während seiner Dreharbeiten stören. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) unterhält sich mit zwei Pornodarstellern (Martin Bruchmann und Sebastian Fischer) am Set. Doch das Gespräch wird nicht zur Befragung, sondern ist eine Unterhaltung über Steuererklärungen.
Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) unterhält sich mit zwei Pornodarstellern (Martin Bruchmann und Sebastian Fischer) am Set. Doch das Gespräch wird nicht zur Befragung, sondern ist eine Unterhaltung über Steuererklärungen. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Kommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) wird zur zentralen Figur bei den Ermittlungen.
Kommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) wird zur zentralen Figur bei den Ermittlungen. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Ritschy Semmler (Stefan Betz) und Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) suchen gemeinsam nach einem maskierten Darsteller aus dem Video mit „Luna Pink“.
Ritschy Semmler (Stefan Betz) und Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) suchen gemeinsam nach einem maskierten Darsteller aus dem Video mit „Luna Pink“. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
Stella Harms (Luise Heyer) hat auch in Porno-Filmen mitgedreht und kannte das Mordopfer daher.
Stella Harms (Luise Heyer) hat auch in Porno-Filmen mitgedreht und kannte das Mordopfer daher. © BR/Hagen Keller | BR/Hagen Keller
1/11

Eine Entscheidung die CSU-Politiker Paul Lehrieder nicht verstehen kann. Der Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Deutschen Bundestag hat die Kritiken von „Hardcore“ vorab gelesen. „Eine Darstellerin, die als menschlicher Aschenbecher missbraucht wird – welches Frauenbild wird da vermittelt? Wir engagieren uns mit der Initiative ,Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht‘ für einen kindgerechten Umgang mit Medien und gegen die Gefahren des Internet. Und dann werden Heranwachsende von den Öffentlich-Rechtlichen mit solchen Bildern konfrontiert.“ Seinen zwölfjährigen Sohn wird er den

Auch interessant

nicht gucken lassen. „Ein Jugendlicher wird solche Szenen nicht richtig einsortieren können.“

Medienexperten warnen vor der Übersexualisierung

Medienexperten warnen längst vor einer „Porno-Flut“. „Wir werden mit Sexualität bombardiert. Das ist nicht gesund für die Selbstwertentwicklung von Elf- oder Zwölfjährigen. Kinder erfahren eine Sexualisierung, der sie überhaupt nicht gewachsen sein können“, sagt etwa die Sexualwissenschaftlerin Ingelore Ebberfeld in ihrem Buch „Der sexuelle Super-Gau“.

„Der ,Tatort‘ greift immer wieder gesellschaftlich brisante Themen auf. Dazu gehört auch die Sexualisierung unserer Gesellschaft und der erschreckend hohe Pornokonsum“, sagt BR-„Tatort“-Redakteurin Stephanie Heckner zu der Debatte. Man habe aufzeigen wollen, wie zerstörerisch das Geschäft mit dem Porno sein kann. „Da wir den Fall so realistisch wie möglich erzählen wollten, wollten wir explizite Begriffe, die zur Alltagssprache der Branche dazugehören, indes nicht einfach unter den Tisch fallen lassen.“ Gerade die abschreckende Wirkung des Films trage dem Jugendschutz Rechnung.

Politiker Lehrieder möchte dieser Argumentation nicht folgen. Es sei ein schmaler Grat zwischen „abstoßen“ und „Interesse wecken“. Und so wissen am heutigen Montag auch Unbedarfte von Dingen, die ihnen wohl lieber verborgen geblieben wären. Es scheint, als mache sich der Fall „Hardcore“ zum Teil des Problems, das er anprangern will.

Der „Tatort: Hardcore“ ist in der Tat harter Stoff – wenn auch auf Twitter die amüsierten Reaktionen überwogen: