Berlin. Der Kanzlerkandidat der SPD stellte sich im ZDF den Fragen der Bürger. Einer besorgten Frau nahm Schulz dezent den Wind aus den Segeln.

Noch gut anderthalb Wochen bis zur Bundestagswahl – und für Martin Schulz sieht es den Umfragen zufolge weiterhin nicht gut aus. Auch das TV-Duell brachte nicht die erhoffte Trendwende. Kein Wunder, dass der SPD-Kanzlerkandidat zunehmend verzweifelt wirkt und kürzlich gar Angela Merkel mit einem gequälten Augenzwinkern die Vizekanzlerschaft in seinem zukünftigen Kabinett antrug.

Doch so düster es aussieht: Noch hat Schulz Zeit. Entscheidend sind jetzt mitunter die verbleibenden großen öffentlichen Termine. Zu diesen gehörte auch der Auftritt im ZDF-Wahlformat „Klartext“ am Dienstagabend, bei dem sich der Sozialdemokrat den Fragen von normalen Bürgern stellte.

Geld, Geld, Geld

Die Schwäche eines solchen „Townhall“-Formats wurde auch in diesem Fall schnell deutlich. Im Kern nämlich lautete die Antwort des Kanzlerkandidaten stets, dass mehr Geld investiert werden müsse.

„Wir brauchen mehr Polizei“, sagte Schulz zum Beispiel einer Frau, die Einbrüche fürchtet. „Wir müssen in die Pflege investieren“, forderte er im Gespräch mit einem Altenpfleger. Einem Lungenarzt aus Leverkusen beschied er, dass die Stadt eigentlich wegen der Stickoxide komplett untertunnelt werden müsse. Und einem Schüler versprach er, mehr Geld in Bildung zu stecken.

Auch Fake News spielen eine Rolle

Interessant wurde es immer dann, wenn die Fragesteller nachhakten – was leider zu selten vorkam. Ein Unternehmer aus Pirmasens etwa forderte von Schulz hartnäckig, die Stadt zu entschulden. Dem erteilte Schulz schließlich eine Absage. „Nein, so einfach ist es nicht“, befand der Kanzlerkandidat. Einer Kritikerin der libyschen Küstenwache sagte der Sozialdemokrat: „Mit einer Küstenwache, die verhindert, dass Menschen ohne Navigation und Verpflegung aufs Mittelmeer geschickt werden, arbeite ich zusammen.“

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    Elegant nahm Schulz einer Frau den Wind aus den Segeln, die vehement vor Gewalttaten durch Flüchtlinge warnte. Dem Bundeskriminalamt zufolge seien die sexuellen Übergriffe gegen Frauen und Kinder durch Flüchtlinge um 500 Prozent gestiegen, behauptete sie. „Ich hab das aus dem Internet gezogen“, schob sie auf Schulz‘ dezent platzierte Frage nach der Quelle nach. Großes Gelächter im Studio – der Kanzlerkandidat aber blieb professionell sachlich.

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      Aufs Persönliche kommt es an

      Und auch sonst machte Schulz abgesehen davon, dass er fast jedes Problem mit Geld bearbeiten möchte, eine gute Figur. Immer wieder flocht er geschickt das SPD-Wahlprogramm in seine Antworten ein.

      Zudem gelang es ihm, auch Persönliches einzubringen. „Früher gab es auf jedem Dorf eine Ein-Mann-Polizeistation. Auf so einer bin ich zur Welt gekommen“, sagte Schulz an einer Stelle. „Wir müssen die berufliche Qualifikation stärken: Ich leide da selbst drunter, weil ich eine normale kaufmännische Lehre gemacht habe“, an einer anderen. Und was würde er im Rückblick anders machen? „Ich wäre fleißiger in der Schule.“

      Der Dialog des Abends entspann sich zwischen Schulz und der Moderatorin Bettina Schausten. „Geben Sie uns noch ein Beispiel, was Sie konkreter machen würden als Angela Merkel“, forderte Schausten. „Als wer?“, fragte Schulz irritiert. „Als die Kanzlerin, Sie erinnern sich dunkel?!“

      Das Fazit

      Martin Schulz ist ein kompetenter Politiker, der möglicherweise auch ein guter Kanzler wäre. Diesen Eindruck konnte man nach dem „Klartext“-Bürgerforum im ZDF erneut mitnehmen. Würde es in den Umfragen um Unterschiede von wenigen Prozentpunkten gehen, könnte das vielleicht reichen. Für die große Trendwende war Schulz aber wie schon im direkten Duell mit Angela Merkel zu brav.

      Und doch glaubt Schulz nach wie vor daran, dass da noch etwas geht. „Ich will Bundeskanzler werden, na klar!“, sagte er gleich zu Beginn. Wer weiß, vielleicht kommt ja wirklich alles anders als gedacht. Wie er seinen Enkeln mal seine politische Karriere erklären wird? „Es war eine große Zeit mit enormen Herausforderungen und am 24. September ist es mir gelungen, Angela Merkel abzulösen.“

      Zur Ausgabe von „Klartext, Martin Schulz“ in der ZDF-Mediathek.