Essen. Die beiden ARD-Dokus „Infokrieg“ und „Im Netz der Lügen“ beschäftigen sich mit Wahlkämpfen im digitalen Zeitalter. Absolut sehenswert.

Es ist leider wie so oft im Ersten: Da nimmt sich die ARD eines Themas von außerordentlicher Relevanz an, und dann zeigt sie die Sendungen erst zu später Stunde. Gleich zwei Beiträge aus der Reihe „die story“ beschäftigen sich mit dem Komplex Internet, soziale Netzwerke und Politik. Beide sind äußerst sehenswert – sie zeigen, wie angreifbar unsere Gesellschaft ist.

Zunächst beschreiben Diana Löbl und Peter Onneken (WDR) in ihrem Beitrag „Infokrieg im Netz“ (23 Uhr), wie russische Hacker versucht haben, die Präsidentschaftswahlen in den USA und in Frankreich zu beeinflussen. Mit Blick auf die Bundestagswahl im September zeigt der Film, mit welchen Mitteln über soziale Netzwerke Stimmung gemacht wird und inwieweit Parlament und Abgeordnete vor Hackerangriffen geschützt sind.

Der Film macht deutlich: Wahlkämpfe sind im digitalen Zeitalter anfällig für Manipulationen. Gezielt eingesetzte Informationen oder Desinformation haben Einfluss auf die Stimmung der Wähler. In den USA, in Frankreich – und auch in Deutschland.

Wie erkenne ich Fake News?

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    Falschnachrichten selbst gemacht

    Im Anschluss sendet die ARD eine zweite Dokumentation, die das Thema aus deutscher Sicht vertieft: „Im Netz der Lügen“ (23.45 Uhr) von Claus Hanischdörfer setzt sich facettenreich mit dem Phänomen Fake News auseinander. Herzstück des Films ist ein Versuch des derzeit sehr gefragten Stuttgarter Kommunikationswissenschaftlers Wolfgang Schweiger. Der Professor von der Universität Hohenheim hat erforscht, welchen Einfluss soziale Medien mit ihren „Filterblasen“ und „Echokammern“ auf die Meinungsbildung haben.

    Wie erschreckend einfach sich mutwillig gefälschte Nachrichten im Internet verbreiten lassen, demonstrieren zwei seiner Mitarbeiterinnen. Sie haben sich eine jener typischen ­Fake News ausgedacht, die von den Nutzern ungeprüft weitergeleitet werden: In einem fiktiven Ort bekommen männliche Flüchtlinge angeblich einmal pro Woche Besuch von Prostituierten; die Kosten übernimmt das Landratsamt. Um dem erfundenen Skandal die nötige Glaubwürdigkeit zu verleihen, haben die beiden Frauen eine eigene Website kreiert („Der Volksbeobachter“) und einen Mann namens Volker Mayer erfunden, der mit authentischer Empörung Nachrichten teilt.

    Seriösen Zeitungen werden als Lügenpresse tituliert

    Die Geschichte über den „Gratis-Sex“ hat im Netz hohe Wellen geschlagen. Wie so oft bei Dokumentationen dieser Art kommt die dunkle Seite etwas kurz. Kein Wunder: Wer ARD, ZDF und die seriösen Zeitungen als Lügenpresse tituliert, wird sich nicht ausgerechnet einem Repräsentanten dieses Systems zum Interview stellen. Und am Ende ist sogar noch Zeit für eine kurze Verbeugung vor einem schwäbischen Lokalreporter, der sich unermüdlich und in vielen Überstunden für die Glaubwürdigkeit des Journalismus engagiert.

    Fazit: Thematisch etwas überfüllt, aber trotzdem: Die Dokus liefern einen derart wichtigen Beitrag zur Medienkunde, dass sie unbedingt im Schulunterricht zum Einsatz kommen sollten.

    ARD, Montag, 31. Juli, ab 23 Uhr