Berlin. In der Türkei sitzen Regimekritiker im Gefängnis. Doch ein Erdogan-Anhänger zeichnete bei Maybrit Illner eine ganz andere Realität.

Es muss ein schönes Land sein, von dem Haluk Yildiz spricht. Die Menschen können sagen, was sie denken. Eine kritische Presse kontrolliert die Mächtigen, im Wahlkampf ringen die Parteien um den richtigen Weg und niemand muss Angst vor einer gelenkten Justiz haben.

Dumm nur, dass Yildiz die Türkei meint. Die Realität in Erdogans Reich sieht anders aus, als der Vorsitzender der deutschen Migranten-Splitterpartei BIG bei Maybrit Illner am Donnerstagabend behauptete. Yildiz tritt in Talkshows immer wieder als Sprachrohr der Erdogan-Partei AKP auf. Und verteidigt sie auch dann, wenn

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SPD-Abgeordnete im Visier der Türkei

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    Die Liste der Türkei

    Im Zentrum der Debatte: eine ominöse Liste mit 300 Namen, die der türkische Geheimdienst MIT an den BND übergeben hat. Angeblich handele es sich um Gülen-Anhänger, die hier leben. Die Deutschen reagierten – und warnten die Betroffenen.

    „Die türkische Regierung teilt Menschen nach Willkür in Gut und Böse ein“, sagte die fraktionslose hessische Landespolitikerin Mürvet Öztürk, die für ein Nein zu Erdogans Verfassungsplänen wirbt. In der Türkei sei die Stimmung aufgeheizt: wer gegen mehr Macht für den Präsidenten ist, werde von Medien und Politik als Krimineller und Gülen-Anhänger denunziert.

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      Erdogan reagiert nur auf klare Worte

      Auch der Politikwissenschaftler Ralph Ghadban sprach von einer Bedrohung der Menschen, die auf der Liste stünden. „Wir müssen sie warnen“, sagte er. Für den Umgang mit Erdogan empfahl er klare Worte – alles andere fasse der türkische Staatspräsident als Schwäche auf.

      Eine interessante Erklärung für das Verhalten des türkischen Geheimdienstes MIT lieferte der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Erdogan suche im Wahlkampf einen Feind von außen. Der MIT musste davon ausgehen, dass die Liste öffentlich wird. So könne Erdogan sich weiter am Feindbild Deutschland abarbeiten.

      Ein arrangierter Putsch?

      „Die Argumente sind an den Haaren herbeigezogen“, ärgerte sich AKP-Sprachrohr Yildiz. Und verdrehte gleich mal die Tatsachen: Es sei die deutsche Politik gewesen, die den türkischen Wahlkampf importiert habe und jetzt versuche, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Ganz so, als habe nie ein AKP-Minister darauf gepocht, hier sprechen zu dürfen.

      Zum Thema Spionage sagte er: Auch Deutschland agiere so in der Türkei. Und erhielt dafür Zustimmung. „Spionage ist unter Freunden normal“, sagte der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Doch nach den nieder geknüppelten Gezi-Protesten 2013 sei die Türkei darin aggressiver geworden.

      Publikum reagiert mit Gelächter auf Erdogan-Anhänger

      Hinzu kommen die Ereignisse im vergangenen Sommer, die Schmidt-Eenboom als „Pseudo-Putsch“ bezeichnete. Erdogan, so der Experte, habe ihn arrangiert, um einem richtigen Putsch zuvorzukommen. So hatte er freie Hand, um den Staat umzuformen. Als Maybrit Illner vom Geheimdienstexperten wissen wollte, wie man mit einem Land, das immerhin Nato-Partner ist, zusammenarbeiten könnte, sprang Yildiz beleidigt ein: „Das müssen sich die Türken eigentlich fragen“. Das Publikum quittierte es auf seine Art: mit Lachen.

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        Wo Schmidt-Eenboom sachlich analysierte, dass die Säuberungen im Staatsapparat, die Unterdrückung der Pressefreiheit und der Bürgerkrieg gegen die Kurden im Südosten nicht mit dem Wertekanon der Nato vereinbar seien, pöbelte Yildiz lieber. Nein, es gebe keinen Krieg gegen die Kurden, nur gegen die PKK. Und die werde unterstützt von Deutschland: als Rückzugs-, Rekrutierungs- und Finanzierungsraum. Was er nicht sagte: die PKK ist in der Bundesrepublik als Terrororganisation verboten.

        Was nach dem Referendum passieren könnte

        Wie schnell man sich Ankaras Zorn zuzieht, erlebte die hessische Politikerin Mevut Öztürk. Sie wurde in türkischen Zeitungen als „Vaterlandsverräterin“ beschimpft. Ihr Vergehen: Sie sagte Nein zu noch mehr Macht für Präsident Erdogan. „Der türkischen Bevölkerung wird keine Angst gemacht“, behauptete dagegen BIG-Mann Yildiz steif und fest.

        Doch wie geht es weiter in der Türkei nach dem Referendum? „Bei einem Nein gibt es die vage Hoffnung, Präsident Erdogan rechtsstaatlich zu belangen“, sagte Mevut Öztürk. Falls die Türken sich aber für das Präsidialsystem entscheiden, werde Erdogan versuchen, alle Widersacher, auch die in der AKP, so schnell wie möglich einzusperren.

        Die Diktatur, sie wäre perfekt.