Berlin. Terror in Berlin und Silvester in Köln: Bei „Hart aber fair“ ging es um die Frage, ob der Staat für die Sicherheit genug durchgreift.

Bereits die Liste der Gäste im ARD-Talk „Hart aber fair“ ließ eine scharfe Diskussion erahnen: Der vorsichtig formuliert für seine Hitzköpfigkeit bekannte Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, saß dort gemeinsam mit einer energischen Renate Künast, der „Süddeutsche Zeitung“-Journalist Heribert Prantl neben dem streitlustigen CSU-Mann Markus Söder.

Da musste es knallen. Zumal bei diesem Titel der Sendung: „Neues Deutschland – Bringt Härte gegen Zuwanderer mehr Sicherheit?“, fragte Frank Plasberg am Montagabend in die Runde. Um diese Fragen ging es.

Wie wirken die Übergriffe der Silvesternacht 2015/2016 nach?

Die zahlreichen sexuellen Übergriffe in der Nacht vor mehr als einem Jahr hat die Debatte verändert. Das wurde an vielen Punkten der Sendung deutlich. Als Augenzeugin der Ereignisse von Silvester 2015/2016 trat Tabea Beister auf. Sie war damals auf der Domplatte unterwegs und schilderte gefasst ihre Hilflosigkeit.

Wie sie inzwischen auf die Nacht zurückblickt? „Wenn nur wenige der Täter verurteilt wurden und diese auch nur auf Bewährung, frage ich mich, ob das die gerechte Strafe ist“, sagte die junge Frau. „Ich erwarte, dass man aus so einer Situation Konsequenzen zieht und das sich so etwas nicht wiederholt“, bekräftigte sie.

Wie beurteilten die Gäste jüngsten Silvester-Einsatz der Polizei?

Durchweg positiv. Auch Renate Künast, deren Parteivorsitzende Simone Peter den Polizisten wegen des Gebrauchs der Abkürzung „Nafri“ indirekt Rassismus vorgeworfen hatte, lobte im Studio die Beamten. Also alles erledigt?

Nein, denn da redete sich Rainer Wendt warm: „Es ist deshalb nicht erledigt, weil die Polizistinnen und Polizisten es leid sind, dass Teile der Grünen nichts besseres zu tun haben als sie zu beschimpfen und ihnen Dinge zu unterstellen.“

Dann stichelte er durchaus hart an der Grenze zur Pietätlosigkeit: „Und ich habe mich gewundert, als Amri von Polizisten erschossen wurde, wo Sie denn waren? Wahrscheinlich im Urlaub.“ Er spielte damit auf einen Tweet von Künast nach dem Axt-Attentat in Bayern aus dem vergangenen Jahr an, für den die Grüne viel Kritik einstecken musste, weil sie hinterfragt hatte, ob die Polizisten richtig gehandelt hatten.

Nachdem Künast zurückgiftete, schlachtete Markus Söder die Situation für seine Zwecke aus: Wenn eine Grünen-Politikerin einen Polizeigewerkschafter ankreische, sei die Lage brenzlig. „Wenn wir dauerhaft zulassen, dass unsere Frauen und Töchter Angst haben, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, dann muss der Staat zeigen, dass er entschlossen ist“, konstatierte der CSU-Mann. Und zeichnete damit ein Zerrbild, das Angst schürte.

Was bringt Videoüberwachung?

Als einer der besonnensten Gäste trat Heribert Prantl auf. Er erdete die Diskussion immer wieder und zerlegte die eine oder andere Pauschalisierung der Studiogäste. Und übte sich in Selbstkritik, als er die Sendung anlässlich der Übergriffe an Silvester vor einem Jahr ansprach.

„Nach der ersten Sendung habe ich etwas Falsches vermutet. Ich hatte vermutet, dass die Justiz ein Zeichen setzt.“ Doch angesichts der wenigen Verurteilungen sei das „Ergebnis unterm Strich beschämend“, so der Journalist. „Früher habe ich immer gesagt: Vorsichtig bei Videokameras.“ Doch Köln habe gezeigt, dass diese sehr sinnvoll sein könnte, um mutmaßliche Täter beweiskräftig zu verfolgen. Das sei nicht gelungen. Laut der „Hart aber fair“-Redaktion habe es trotz der rund 1200 Anzeigen lediglich drei Verurteilungen gegeben.

Darf Herkunft ein besonderes Merkmal für Kontrollen sein?

Mehmet Daimagüler, Rechtsanwalt und ehemaliger FDP-Politiker, warnte aus mehreren Gründen davor, äußere Merkmale wie eine dunkle Haut als Kategorie für Ermittlungen heranzuziehen. „Wenn bestimmte Stereotype einzelnen Gruppen zugeordnet werden, ist das für die Ermittlungsarbeit nicht gut“, sagte der Jurist. Rainer Wendt warf sich dazwischen: „Das stimmt nicht!“.

Daimagüler machte seinen Punkt anhand der Ermittlungen im NSU-Skandal deutlich. „Man hat lange die richtigen Täter nicht verfolgt“, so der Rechtsanwalt, der auch Opfer des NSU vertreten hat. Die Ermittler hätten die Täter zunächst im türkischen Milieu vermutet und daher das rechtsradikale Trio nicht auf dem Schirm gehabt. Außerdem, so Daimagüler, lebe die Polizei vom Vertrauen der Bürger. „Und es geht darum, dass eben jeder Mensch der Polizei dieses Vertrauen schenken kann“. Wenn sich Migranten benachteiligt sähen, untergrabe das auch die Arbeit der Polizei.

Sollten die Verfassungsschutzbehörden zentralisiert werden?

Der Hintergrund: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will den Sicherheitsapparat grundlegend umbauen. Dazu zählt, dass die Behörden Ausreisepflichtige schneller in Abschiebehaft nehmen können. Der Katalog für die Reform der Sicherheitsgesetze sieht außerdem vor, den Verfassungsschutz beim Bund zu bündeln.

Journalist Prantl begrüßte dieses Vorhaben. „Es ist ein Unding, dass es so viele Landesverfassungsschutze gibt. Die Kollegen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung haben gerade aufgezeigt, dass wir insgesamt 37 Sicherheitsapparate nebeneinander habe, das ist ein Wirrwarr.“

Markus Söder kritisierte die Fehler der Behörden mit bildhaften Worten. „Die lachen uns doch ins Gesicht, die Terroristen, wenn die mit verschiedenen Identitäten quer durchs Land fahren.“ Auch Renate Künast kritisierte die Arbeit der Landesverfassungschutzbehörden. „Viel zu häufig rücken sie Informationen nicht an andere Behörden raus“, so die Grünen-Politikerin.

Und so zeigte sich, dass die Frage nach der Zusammenarbeit der Verfassungsschutze, die bereits bei den Ermittlungen zum NSU eine zentrale Rolle spielte, auch nach dem Fall Amri wieder voll im Zentrum steht. Vielleicht so sehr, dass sich nun etwas bewegt.