Berlin. Im Finale von „The Voice“ traten die Talente mit eigenen Singles an. „Die beste Stimme der Welt“ holte sich den Titel. Trotz Patzer.

Nicht jeden Ton getroffen – und trotzdem „The Voice of Germany“. Nach Wochen des Castings – und der Verbalattacken von Rapper Sido – hat die Nation einen neuen Casting-Star. Claudia Emmanuela Santoso ist die neuste Siegerin des TV-Formats. Und darf sich nun als nächste daran versuchen, diesen Sieg zu einer veritablen Karriere umzumünzen.

Zum ersten Mal hat damit das Talent einer Frau gewonnen, Alice Merton hatte in diesem Jahr das glücklichste Händchen. Allerdings: In den Charts nimmt ihr zum Start ein anderer Coach den Wind aus den Segeln. Von der Single der Konkurrentin Freschta Akbarzada mit Coach Sido sieht Santoso in den Download-Charts derzeit nur die Rücklichter.

So oder so: „Es fühlt sich echt gut an, dass seit neun Jahren endlich eine Frau gewonnen hat“, kommentiert Merton den wenig überraschenden Sieg.

„The Voice“: Claudia Emmanuela Santoso auf Youtube beliebt

Claudia Emmanuela Santoso war schon in Vorhinein die eindeutige Favoritin. Mit 22 Millionen Aufrufen bei Youtube für ihre Version von „Never Enough“ in den Blind Auditions sammelte die gebürtige Indonesierin so viele Klicks wie kein Kandidat und keine Kandidatin zuvor.

Selbst ihre Clips aus den weiteren Runden haben alle mindestens 3,4 Millionen Aufrufe. Sido bezeichnete die 19-Jährige schon im Halbfinale als „die beste Sängerin der Welt“. Und die Produktion gab alles dafür, dass diese Meinung auch bei dem Zuschauer ankam.

Santosos Sieg bei „The Voice“ war keine Überraschung

Schon in der allerersten Ausstrahlung der Blind Auditions wurde Santosos Auftritt gezeigt, im Battle trat ein Duo gegen sie an, weil Alice Merton der Überzeugung war, dass „eine Stimme keine Chance gegen Claudia hat“. Was wie der kometenhafte Aufstieg einer jungen Frau aus Indonesien klingt, ist vor allen Dingen eins: Strategie.

Dreimal mussten die Talente im Finale auftreten: einmal solo mit einem Cover, einmal mit ihrem Coach und einer gemeinsamen Single – ebenso eine „The Voice“-Premiere – und dann noch gemeinsam mit einem „Superstar“. Dazu wurden Dua Lipa, James Arthur, Dermot Kennedy, Freya Ridings und Max Raabe eingeladen. Und, fällt Ihnen was auf?

Max Raabe. Irgendwie setzt er sich doch deutlich von seinen Mitgästen ab. Ist es Zufall, dass ausgerechnet der „Kein Schwein ruft mich an“-Sänger ausgewählt wurde? Wohl kaum. Eher, weil er der perfekte Duo-Partner für Retro-Talent Lucas Rieger war. Komisch nur, dass die Gäste schon im Halbfinale feststanden, wo sich Rieger noch gegen seine Mitstreiterin Celine Abeling durchsetzen musste.

Sido vorn: Keine Single ist schlechter platziert als Santosos

Feiern ihren Sieg bei „The Voice“: Claudia Emmanuela Santoso (l.) und Coach Alice Merton.
Feiern ihren Sieg bei „The Voice“: Claudia Emmanuela Santoso (l.) und Coach Alice Merton. © Getty Images | Adam Berry

Da fragt man sich doch, wie viel die Zuschauer-Stimmen aus dem Telefon-Voting wirklich zählen. Da die 19-jährige Münchner Musik-Studentin mit solch einer Mehrheit gewann, ist doch zu erwarten, dass ihre Single die meistverkaufte ist im Vergleich zu ihren Mitstreitern. Doch dem ist nicht so.

Auf Platz 2 der deutschen iTunes-Charts liegt „Meine 3 Minuten“ von Freschta Akbarzada gemeinsam mit ihrem Coach Sido vorn, der übrigens im Finale sogar einen dreiteiligen Anzug trug. Doch trotz der Chartplatzierung -- dass sie am Sonntagabend die Letztplatzierte mit gerade einmal 9,41 Prozent war, irritiert dann doch.

In den Charts folgen „Warte Mal“ von Fidi Steinbeck feat. Mark Forster (Platz 5), „How Bout You“ von Erwin Kintop feat. Rea Garvey (Platz 8), „Unlove“ von Lucas Rieger feat. Nico Santos (Platz 11) und als Schlusslicht „Goodbye“ von der diesjährigen Gewinnerin, gemeinsam mit ihrem Coach (Platz 13, alles Stand Montag, 8.40 Uhr).

Santoso traf im Finale nicht jeden Ton

Insgesamt war es trotz der klaren Favoritin 2019 ein starkes Finale mit ebenbürtigen Sängern. Denn so sehr Santoso in den Himmel gepriesen wird, hat sie doch im Finale nicht jeden Ton zu 100 Prozent getroffen. Statt mit Technik versuchte sie mit Druck die hohen Töne von Whitney Houstons „I have Nothing“ zu erreichen – und das gelang ihr nicht immer.

Dennoch kommentierten die Coaches, was für eine grandiose Sängerin sie sei. Was die Frage aufwirft, ob man als Zuschauer eine verkehrte Wahrnehmung hat? Wenn nicht mal die Coaches es hören?

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    Die großen Diven: Whitney Houston, Mariah Carey und Adele

    Neben Whitney Houston durften am Sonntagabend zwei weitere der „ganz Großen“ gecovert werden. Adele und Mariah Carey. Erwin Kintop sang eine überzeugende Version von „Someone like you“, bei der die Kopfstimmen-Parts die Höhepunkte markierten.

    Er besitze eine der stärksten Stimmen, die er je in seinem Team gehabt habe, erklärte Rea Garvey. Dennoch überraschte der zweite Platz sowohl Erwin selbst als auch die Zuschauer. Wenngleich die Plätze zwei bis fünf wirklich nah beieinander lagen, war Erwin Kintop nicht der zweitbeste Sänger des Abends. Aber er war derjenige, mit einer beeindruckenden Geschichte.

    War der 24-Jährige doch schon Teilnehmer bei „Deutschland sucht den Superstar“, genoss den Ruhm, zog sich zurück, weil es ihm zu viel wurde, arbeitete als Gabelstapler und entschied sich dann für „The Voice“. Eine Cinderella-Story.

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    Der beste Song des Abends kam von Lucas Rieger

    An dritter Stelle platzierte sich Lucas Rieger, der – wie schon in allen Shows zuvor – einen absolut sicheren Auftritt hinlegte. Durch ihn schaffte es nicht nur der Rock’n’Roll mal zur Abwechslung auf die Fernseh-Bühne, sondern auch der Kontrabass und die Trompete.

    Die Coaches der neunten Staffel von „The Voice of Germany“: Rea Garvey, Sido, Alice Merton und Mark Forster (v.l.).
    Die Coaches der neunten Staffel von „The Voice of Germany“: Rea Garvey, Sido, Alice Merton und Mark Forster (v.l.). © dpa | André Kowalski

    „Von allen Coaches war das der beste Song des Abends“, kommentierte der sonst so kritische Sido die gemeinsame Single von Lucas Rieger und Nico Santos. Mit ihrem Auftritt mit sich gegenüberstehenden Klavieren sorgten die beiden für kollektive Gänsehaut.

    Und im Gegensatz zu Erwin Kintops oder Freschta Akbarzadas Single wirkte der Song nicht wie eine nach dem 1x1 der Musiktheorie geschriebene Pop-Nummer, die es nicht auf ein Album des Coaches geschafft hat, sondern wirklich wie eine bewusst ausgewählte und produzierte Nummer.

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    Ähnlich besonders waren die Auftritte von Fidi Steinbeck an diesem Abend. Die 34-Jährige schien nicht nur ihren Coach Mark Forster, sondern auch ihren Starduett-Partner James Arthus von sich verzaubert zu haben. Beide beteuerten immer wieder, was für ein besonderer Mensch und was für eine talentierte Album-Künstlerin die Producerin sei.

    Mit Fidi Steinbeck hatte man das Gefühl, dass erstmals etwas ganz Feines es in das Fernseh-Finale geschafft hatte. Etwas, das nicht von Power lebt, sondern von Emotionen. Eine tatsächliche Künstlerin stand im „The Voice of Germany“-Finale.

    „The Voice“-Finalisten ab Dezember auf Tour

    Umso enttäuschender, dass sie nur Platz 4 belegte. Doch das Finale bedeutet keinesfalls das Ende für die Talente. Ab dem 6. Dezember gehen die Finalisten sowie die von den Zuschauern ausgewählte Kandidatin Mariel Kirschall auf Deutschland-Tour.

    Wie es dann weitergeht, wird man sehen. Bisher schaffte es kein Sieger, sich eine langfristige Karriere aufzubauen. Zwar ist es sehr unwahrscheinlich, doch wer weiß, vielleicht wird Claudia Emmanuela Santoso die Erste sein. Ihr zu wünschen wäre es.