Berlin. Renten-Zoff, Personalquerelen und Wählerschwund: Union und SPD taumeln. Bleibt die Regierung bestehen, fragte nun „Hart aber fair“.

Der Mann, der für viele in der SPD als neuer Hoffnungsträger gilt, will nicht sagen, was Sache ist. Auf der einen Seite kritisiert Ex-NRW-Finanzminster Norbert Walter-Borjans die große Koalition. Die Gesellschaft drifte auseinander, die Vermögen seien ungerecht verteilt. Vom Bündnis aus Union und SPD gehe kein Aufbruch mehr aus.

Auf der anderen Seite sagt Walter-Borjans aber nicht, dass dieses Bündnis beendet werden muss. Dass er es beenden will. „Das entscheidet der Parteitag“, druckst er herum. Schade. Es wäre interessant gewesen zu hören, wie der möglicherweise nächste SPD-Chef die Arbeit der großen Koalition bewertet. Welche Ideen er hat, wo er die SPD sieht. Und: Ob er zur Regierung steht. Stattdessen: viel Allgemeinplätze.

Walter-Borjans bei „Hart aber fair“: SPD denkt zu oft Kompromiss schon mit

Dabei hätte Walter-Borjans am Montagabend bei „Hart aber fair“ die Gelegenheit gehabt. „Grottenschlecht oder besser als ihr Ruf: Was taugt die GroKo wirklich?“, wollte Moderator Frank Plasberg von seiner Runde wissen. Doch die Zuschauer wussten am Ende nur, was Walter-Borjans nicht will. Die SPD, sagt er, denke in Verhandlungen mit der Union zu oft den Kompromiss schon mit. „Ein guter Kompromiss ist aber einer, mit dem am Ende keiner zufrieden ist, weil keiner seine Position durchbekommen hat“, dozierte der Politiker aus NRW. Doch was heißt das?

„Das ist mir zu vage“, stöhnte „Spiegel“-Reporterin Melanie Amann. „Das ist das grundsätzliche Problem bei Ihnen: Man weiß am Ende nicht, was sie wollen“. Damit brachte es die Journalistin auf den Punkt. Walter-Borjans redet oft, ohne etwas zu sagen.

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    Auch Moderator Plasberg biss sich an ihm die Zähne aus. Der Sozialdemokrat, der von linken Genossen und Jusos zum Retter der Partei hochgejazzt wird, kritisierte die GroKo, er stellte sie in Frage – doch das klare Bekenntnis gegen das ungeliebte Bündnis vermied er lieber. Dass die Opposition der Regierung ein schlechtes Zeugnis ausstellt, verwundert indes nicht.

    Historiker erklärt: So hat sich CDU „rot-grünen Mainstream angepasst“

    Für diese Rolle sah Plasbergs Redaktion die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt vor. „Es wird jeden Tag chaotischer, es wird jeden Tag mehr Kindergarten“, sagte sie. Das Land brauche „weniger Pillepalle“.

    Tiefergehender war dagegen die Analyse des Historikers Andreas Rödder, der selbst Mitglied der CDU ist. Er attestierte seiner Partei, dass sie sich „einem rot-grünen Mainstream angepasst“ habe, dadurch in der Mitte anschlussfähig geblieben sei. Damit gewann man reihenweise Wahlen. Der Preis zeige sich jetzt.

    Die SPD falle immer weiter in zusammen und von rechts wächst die AfD heran. Die Union erfährt plötzlich das gleiche Schicksal wie die SPD. In Umfragen geht es steil nach unten. Den Volksparteien läuft das Volk weg. Norbert Walter-Borjans findet, dass der große Zukunftsentwurf fehle. Und auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen meinte, dass es nicht reicht, nur den Koalitionsvertrag abzuarbeiten.

    Norbert Röttgen will wissen, was die Bevölkerung fühlt

    „Die große Mehrheit der Bevölkerung muss das Gefühl haben, dass ihre Sorgen beheimatet sind bei den Parteien“, sagte er. Doch offenkundig ist das nicht der Fall. Frank Plasberg zitierte eine Umfrage, wonach nur 32 Prozent der Deutschen mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden seien.

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      Beim Thema Grundrente zeigte sich in der Sendung, warum das Bündnis so schlingert. Eigentlich sind sich Union und SPD im Kern einig. Es soll eine Grundrente geben. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch die SPD will auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten, die Union beharrt darauf. Und auf beiden Seiten sinkt die Kompromissbereitschaft. Die Grundrente hat das Potenzial, dass die Koalition an ihr zerbricht.

      Walter-Borjans wirbt für Grundrente

      „Wir brauchen eine Grundrente und ohne Grundrente macht diese Koalition keinen Sinn“, sagte Walter-Borjans. Wer 35 Jahre gearbeitet habe, hätte sich das verdient – ob bedürftig oder nicht. Bürgern stellt sich in der Diskussion die Frage, ob die Grundrente im Alter wirklich mehr Geld bringt.

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      Die SPD nennt das „Respektrente“. Ein Wort, das der Historiker Andreas Rödder kritisierte. „So wird die Sozialversicherung moralisch aufgeladen“, sagte er. Das führe am Ende dazu, dass es schwieriger werde über die Finanzierbarkeit zu sprechen. Doch in diesem Punkt will Norbert Walter-Borjans nicht klein beigeben. Er sprach gar von einer „Sollbruchstelle“ für die Koalition.

      Norbert Röttgen versuchte noch, an die Vernunft zu appellieren. Im Grundsatz sei man sich doch einig, es gebe so viele wichtige Themen, die die Koalition noch bearbeiten müsste. Es wäre verantwortungslos, das Bündnis wegen der Grundrente platzen zu lassen. Norbert Walter-Borjans hörte seinem Kollegen zur Rechten zu, doch er verzog dabei keine Miene. Er schaute einfach geradeaus. Und sagte nichts.

      Und so blieb der Eindruck, dass die Grundrente weiter für Streit in der Koalition sorgt. Und dieser Streit wird auch in Talkshows getragen. Bei Anne Will am Sonntag gab es schon Renten-Zoff zwischen dem Juso-Chef und dem CDU-Generalsekretär.