Der traditionsreiche Laden im Phoenix Viertel wird geschlossen

Harburg. Wieder verliert Harburg ein traditionsreiches Geschäft. Im Phoenix-Viertel, in der Baererstraße, hat Bäcker Böttcher seine kleine Bäckerei. In der Backstube seines Familienbetriebes wird noch alles von Hand nach eigenen Rezepten zubereitet.1903 eröffnete Böttchers Großvater den Laden, seit 53 Jahren steht Horst Böttcher am Backtrog. Seine zwei Söhne werden den Laden nun nicht mehr übernehmen. Der eine wurde lieber Automechaniker, dem anderen riet der Vater ab. Zu hart die Arbeit, zu wenig einträglich das Geschäft. Nun überlegt Horst Böttcher, die Bäckerei zum Jahresende aufzugeben, weil sich der Laden einfach nicht mehr rentiert.

Der 69-Jährige führt die Bäckerei seit dem Rentenalter aus Liebe zum Handwerk weiter, zusammen mit seinem Gesellen Heiko Dieckmeyer und den beiden Verkäuferinnen Margarita Behrens und Heidi Trost.

"Die Eröffnung des Phoenix-Centers hat das Geschäft noch einmal richtig einbrechen lassen", sagt der Bäckermeister. Er öffnet seinen Laden nur noch morgens, denn nachmittags kommt keine Kundschaft mehr. Dabei kann sich Böttcher noch gut daran erinnern, wie früher die Arbeiter aus den Phoenixwerken mittags vor dem Laden Schlange standen und darauf warteten, dass der Bäcker nach der Mittagspause wieder öffnete. "Man kann die Zeit nun mal nicht zurückdrehen", sagt er bedauernd. Trotzdem hängt er an seinem Betrieb, genau wie seine beiden Verkäuferinnen.

Margarita Behrens und Heidi Trost arbeiten nicht des Geldes wegen in der Bäckerei. Beide haben eigentlich andere Berufe, in denen sie auch tätig sind. Trotzdem kommen sie jeden zweiten Tag und helfen hinter der Theke aus. "Es macht einfach Spaß! Wir sprechen noch mit den Kunden. Man weiß, was sie wollen, legt auch schon mal eine Zeitung oder ein paar Brötchen für jemanden zurück. Die Leute hier wollen Qualität haben und auch ein bisschen Ansprache", sagt Heidi Trost. "Wir sind nicht nur Verkäuferinnen, wir sind fast schon Psychologinnen. Wir haben immer ein offenes Ohr. Der Laden hier hat noch eine richtige Seele", sagt auch Margarita Behrens.

Nachbarschaftspflege wird hier großgeschrieben, für Stammkunden gibt es auch schon mal einen Kaffee aufs Haus. Die Kunden wissen die familiäre Atmosphäre zu schätzen. Zwei Bauarbeiter, die einen Brandschaden in einem der gegenüberliegenden Häuser renovierten und von der Bäckerei verpflegt wurden, bedankten sich bei den beiden mit einer Karte: "So ein Team, so eine Bäckerei gibt es in Hamburg nur einmal! Vielen Dank für alles, der Maler & der Maurer."

Der Pott Kaffe kostet hier 80 Cent, ein Rundstück 30 Cent. Damit ist Bäcker Böttcher eigentlich kaum teurer als die Billigkonkurrenz der Backshops und Franchise-Ketten. Warum er dann nicht einfach versucht hat, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen, zu expandieren und neue Filialen in Supermärkten oder anderen günstigeren Standorten zu eröffnen? Andere Traditionsbäcker wie Bäcker Becker bieten so den Billiganbietern erfolgreich die Stirn. Doch Horst Böttcher winkt ab. So etwas ist nicht sein Stil. Er ist mit dieser kleinen Bäckerei aufgewachsen und hängt an ihr so wie sie ist. Seit zehn Jahren spielt er schon mit dem Gedanken, den Bäckerkittel an den Nagel zu hängen, nun wird er es wohl wirklich tun und sich lieber ganz seinem Zweitberuf, der Pferdezucht, widmen. "Es fällt mir sehr schwer", sagt er, "aber man hat auch keine Lust mehr, jede Nacht um zwei aufzustehen."